RECHT UND KAPITALMARKT

Bundesgerichtshof erleichtert Abberufung von Vorständen

Urteil klärt Anforderungen an Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung

Bundesgerichtshof erleichtert Abberufung von Vorständen

Von Alexander Thomas und Tobias Kautsch*)Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. November 2016 zum Entzug des Vertrauens in das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch Beschluss der Hauptversammlung verdeutlicht, dass der Vorstand Interessendiener der Aktionäre ist und eine Abberufung des Vorstands durchaus aus Gründen erfolgen kann, die unterhalb jener Schwelle liegen, die sonst einen “wichtigen Grund” darstellt. Insbesondere hat der BGH hohe Anforderungen an das Vorliegen “offenbar unsachlicher” Gründe gestellt, die den Aufsichtsrat trotz eines Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung an einer Abberufung hindern würden. Keine Begründung nötigDer BGH-Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war Vorstandsmitglied der beklagten Aktiengesellschaft. Im Rahmen seiner Organtätigkeit wurden ihm verschiedene Pflichtverletzungen vorgeworfen. Infolgedessen hielt die Alleinaktionärin eine außerordentliche Hauptversammlung ab und beschloss, dem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen. Taggleich fasste der Aufsichtsrat der Beklagten den Beschluss, die Bestellung zum Mitglied des Vorstands zu widerrufen und den Dienstvertrag, welcher an die Organstellung gekoppelt war, vorsorglich zu kündigen. Das Vorstandsmitglied beanstandete gerichtlich unter anderem die Feststellung der Unwirksamkeit seiner Abberufung.Der BGH hat nunmehr klargestellt, welchen Kriterien der Beschluss der Hauptversammlung genügen muss, damit dieser den Aufsichtsrat zum Widerruf der Bestellung des Vorstands wegen Vertrauensentzugs berechtigt. In formeller Hinsicht bringt das BGH-Urteil unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Hauptversammlungsbeschluss keiner Begründung bedarf.Materiell-rechtlich darf der Beschluss der Hauptversammlung über den Vertrauensentzug lediglich nicht auf “offenbar unsachlichen Gründen” beruhen, das heißt nicht willkürlich oder wegen des damit verfolgten Zwecks treuwidrig sein. Hierfür ist indes das Vorstandsmitglied beweispflichtig.Bei der Festlegung des Maßstabs der “offensichtlichen Unsachlichkeit” räumt der BGH den Aktionären und dem zur Überprüfung des Beschlusses aufgerufenen Aufsichtsrat einen weiten Ermessensspielraum ein, so dass letzten Endes nur der Vertrauensentzug, dessen Unsachlichkeit auf der Hand liegt, als wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung ausscheiden dürfte. Den Entscheidungsgründen zufolge komme es gerade nicht darauf an, ob die dem Beschluss der Hauptversammlung zugrundeliegenden Gründe sich im Nachhinein als zutreffend erweisen oder beweisbar sind. Selbst bei einem objektiv rechtmäßigen Verhalten des Vorstandsmitglieds könne ein berechtigter Entzug des Vertrauens nicht von vornherein ausgeschlossen werden.Ferner lässt das Judikat des BGH nicht erkennen, dass es erforderlich wäre, von den zuvor skizzierten Anforderungen an den Vertrauensentzug im Falle des Vorliegens einer sogenannten Koppelungsklausel im Dienstvertrag abzuweichen. Diese ist ein in der Praxis weit verbreitetes und vom BGH seit langem grundsätzlich als zulässig erachtetes Instrumentarium, welches das Schicksal des Dienstvertrags an dasjenige der Bestellung knüpft.Eine vom BGH für heutige Vorstandsverträge noch nicht abschließend entschiedene, aber gleichwohl interessante Frage ist, ob Koppelungsklauseln in Vorstandsverträgen im Einzelfall als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) qualifiziert werden könnten und folglich einer Inhaltskontrolle nach § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) standhalten müssten. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass eine Aufhebung der Trennung zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis durch eine Koppelungsklausel gegen das unter anderem in § 84 Absatz 3 Aktiengesetz verankerte Trennungsprinzip als gesetzliches Leitbild verstoßen könnte. Aufsichtsrat entscheidetDie Abberufung eines Vorstandsmitglieds wird mit dieser BGH-Entscheidung erleichtert, weil der BGH die Hürden für eine Abberufung wegen Vertrauensentzugs herabgesetzt hat. Gleichwohl ist das betroffene Vorstandsmitglied dem nicht schutzlos ausgeliefert. So ist der Aufsichtsrat nicht gezwungen, sich dem Verdikt der Hauptversammlung anzuschließen. Vielmehr muss er in eigener Verantwortung prüfen, ob die Entscheidung der Hauptversammlung nicht offensichtlich unsachlich ist, auch wenn er hierbei nicht zwingend verpflichtet ist, den Vorstand anzuhören.Der Aufsichtsrat muss zumal nicht den Widerruf aussprechen, er “kann” es nur. Darüber hinaus kann der Vorstand selbst gerichtlich gegen seine Abberufung vorgehen. Für den Fall, dass der Dienstvertrag des Vorstands eine Koppelungsklausel enthält, könnte der Vorstand deren Unwirksamkeit gerichtlich unter der Bezugnahme auf die Bestimmungen des AGB-Rechts in Frage stellen mit der Zielsetzung, die Vergütungsansprüche aus dem Dienstvertrag bis zu dessen Laufzeitende zu erhalten.—-*) Dr. Alexander Thomas ist Partner, Tobias Kautsch Associate bei Pinsent Masons Germany.