In seinen Leitlinien für die Hauptversammlungssaison 2023 setzt der BVI enge Leitplanken für das gesetzlich neu geregelte Format der virtuellen Hauptversammlung (HV). Der deutsche Fondsverband hält es mit Blick auf die Aktionärsrechte für kritisch, wenn die Satzungsermächtigung für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre befristet werden soll oder wenn Unternehmen in der Begründung zur Satzungsänderung nicht schriftlich erklären, ob und unter welchen Voraussetzungen künftig eine virtuelle HV durchgeführt werden soll.

Für kritisch hält es der BVI auch, wenn das Unternehmen sich nicht dazu äußert, wie die Aktionärsrechte im virtuellen Format konkret ausgestaltet werden. In der Erklärung müsse gewährleistet werden, dass das Fragerecht pro Aktionär vor der HV nicht unangemessen beschränkt und auch keine Höchstzahl zulässiger Fragen festgelegt werde. Das Frage- und Auskunftsrecht dürfe nicht auf Nachfragen und Fragen zu neuen Sachverhalten beschränkt bleiben.

Wenn die Interessen von Minderheitsaktionären nachweislich beeinträchtigt sind, hält der BVI es für geboten, dies in der Entscheidung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu berücksichtigen. Die Entlastung ist aus Sicht des BVI auch dann in Frage zu stellen, wenn einzelne Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht während der gesamten virtuellen HV an der Veranstaltung teilnehmen.

Für Aufregung in der Unternehmenswelt sorgt derzeit die Befürchtung, der Stimmrechtsberater ISS könnte in seinen HV-Guidelines das virtuelle Format komplett ablehnen. Eine ISS-Sprecherin verwies gegenüber Reuters auf eine Umfrage von ISS, wonach 37% der Investoren virtuelle HVs für problematisch halten, 46% würden sie befürworten, wenn die Aktionärsrechte gewahrt blieben, 9% sähen keine Probleme.