Cannabis-Start-up bereitet neues Fundraising vor
Von Stefan Paravicini, Berlin
Der 20. April ist so etwas wie der inoffizielle Welt-Cannabis-Tag. Denn „four twenty“ war unter US-Schülern an der Highschool schon Anfang der Siebzigerjahre ein Code für die Verabredung zum gemeinsamen Cannabis-Genuss nach Unterrichtsschluss. Übertragen in den amerikanischen Kalender landet man mit dem Code beim 20. April, der mittlerweile auch in Deutschland mit großem Engagement der Szene begangen wird.
„Four twenty ist auch für uns ein großes Datum“, sagt Niklas Kouparanis, der Gründer und CEO des Frankfurter Cannabis-Unternehmens Bloomwell Group, der dabei aber vor allem an den Kalender potenzieller Investoren denkt. „Wir glauben, dass jetzt die Zeit reif ist, wieder in eine Fundraising-Runde zu gehen.“
Erst im Herbst hat Bloomwell mit mehr als 10 Mill. Dollar die bis dahin größte Seed-Finanzierung eines Unternehmens aus der Branche in Europa abgeschlossen und dabei den Branchenveteranen Boris Jordan als Investor an Bord geholt. Dabei war beim Closing der Seed-Runde der Koalitionsvertrag der Ampel mit den Plänen für die Legalisierung von Cannabis noch gar nicht unterschrieben. „Das ist jetzt noch einmal ein ganz anderes Wachstumspotenzial und ein anderer Finanzierungsbedarf“, sagt der Bloomwell-Gründer zu den Chancen und Herausforderungen eines legalen Freizeitmarktes für Cannabis in Deutschland. Die Firma sei als größtes deutsches Unternehmen für das hierzulande bereits seit fünf Jahren legale medizinische Cannabis schon jetzt sehr gut aufgestellt, um auch im Zukunftsmarkt für das legale Genussmittel Cannabis eine führende Rolle einzunehmen. „Aber es gibt noch Kapitalbedarf und einiges, was wir noch umsetzen wollen in den nächsten zwei bis drei Jahren, um dann auch in den Startlöchern zu stehen“, sagt Kouparanis.
Volumen offen
Zum angepeilten Volumen der nächsten Finanzierungsrunde hält sich der Bloomwell-Chef ebenso bedeckt wie zu den Vorstellungen für die Bewertung. „Wichtig ist nicht die Bewertung. Wichtig ist, das Kapital jetzt einzusammeln und dann durchfinanziert zu sein, um sich pünktlich zur Legalisierung auf den legalen Freizeitmarkt vorbereiten zu können“, sagt Kouparanis zu seinen Prioritäten. Wenn demnächst die ersten Cannabis-Start-ups aus Deutschland milliardenschwere Bewertungen erzielen sollten, möchte er dennoch gerne dabei sein. „Ich glaube, dass wir 2024 oder 2025 – kurz vor oder kurz nach der Legalisierung – die ersten Unicorns der Branche aus Deutschland sehen werden“, ist Kouparanis überzeugt.
Am lokalen Interesse an Cannabis zu Genusszwecken dürfte der Aufstieg von deutschen Cannabis-Start-ups in die Riege der sogenannten „Einhörner“ nicht scheitern. Rechtzeitig zu dem auch in Deutschland nicht nur mit medizinischem Marihuana begangenen Cannabis-Feiertag hat Bloomwell Verbraucher hierzulande nach ihren Einstellungen zu der Droge und der geplanten Legalisierung befragt. „Die deutsche Bevölkerung ist bereit“, fasst Kouparanis die Antworten der rund 1100 Befragten im Alter von 18 bis 69 Jahren zusammen. Bereit für den nächsten Cannabis-Feiertag in Deutschland, sofern die Ampel ihre Pläne für die Legalisierung demnächst wahr machen sollte.
„Die Legalisierung ist – zumindest aus Sicht der Gesellschaft – überfällig“, sagt Kouparanis. So sprechen sich in der im Auftrag von Bloomwell von CINT durchgeführten Umfrage nur etwas mehr als ein Zehntel der Befragten für ein Verbot von Cannabis aus. Fast die Hälfte kann sich vorstellen, künftig in einem Cannabis-Fachgeschäft für den Eigenbedarf einzukaufen und rund zwei Drittel sind der Meinung, dass Cannabis-Konsum keinem bestimmten Milieu zugeordnet werden kann. Der Weg zur völligen Entstigmatisierung sei zwar noch weit, sagt Kouparanis. Der Imagewandel der Pflanze sei dennoch in vollem Gange. Nur 12% der Befragten halten den Konsum von Cannabis für gefährlicher als den Konsum von Alkohol, während es umgekehrt mehr als 40% sind.
Die 2020 gegründete Bloomwell Holding konzentriert sich mit ihren mittlerweile 250 Mitarbeitern derzeit noch auf das Geschäft mit dem in Deutschland seit fünf Jahren legalen Cannabis für medizinische Zwecke und verzeichnet hier kräftiges Wachstum. Die Zahl der Patienten und Patientinnen der Tochter Algea Care habe sich in den vergangenen zwölf Monaten etwa verfünffacht und das Wachstumstempo der Gruppe liege in etwa auf dem gleichen Niveau, berichtet Kouparanis. Das Wachstumspotenzial auf einem legalen Markt für Cannabis als Genussmittel in Deutschland stellt medizinische Anwendungen dennoch in den Schatten. Setzt die Ampel ihre Pläne um, dürfte Deutschland in kurzer Zeit zum größten Cannabis-Markt weltweit aufsteigen. Bis 2026 rechnen Marktbeobachter für den Fall einer Legalisierung des Freizeitmarktes hierzulande mit einem Volumen von mehr als 3 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Der Marktforscher Prohibition Partners veranschlagt das Volumen des gesamten europäischen Marktes für medizinisches Cannabis derzeit auf rund 400 Mill. Dollar.
Nachfrage hoch
Die Ergebnisse der von Bloomwell in Auftrag gegebenen Befragung zeigten, dass die Nachfrage in einem legalen Markt für Cannabis als Genussmittel in Deutschland von Anfang an hoch sein werde, betont Kouparanis. Die Bundesregierung müsse bei der Legalisierung deshalb sicherstellen, dass Lieferketten und Vertrieb von Anfang an funktionieren. Er begrüße deshalb, dass sich Burkhard Blienert, der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs die erforderliche Zeit nehme, sagt Kouparanis. „Wir haben in den USA und Kanada gesehen, was passiert, wenn man solche Entscheidungen übers Knie bricht.“
Nicht nur Bloomwell bringt sich für den legalen Freizeitmarkt in Stellung. Erst im Februar hat die ebenfalls in Frankfurt beheimatete Cansativa Group 15 Mill. Dollar bei Investoren unter Führung des US-Risikokapitalgebers Casa Verde Capital eingesammelt. Die von der Rap-Ikone Snoop Dogg gegründete Venture-Gesellschaft hat im Herbst schon bei der Berliner Sanity Group investiert, die im Juni des vergangenen Jahres mit 40 Mill. Dollar die bis dahin größte Finanzierungsrunde eines europäischen Cannabis-Unternehmens überhaupt absolvierte. Cantourage aus Berlin hegte zuletzt schon Pläne für einen Börsengang zu einer Bewertung in dreistelliger Millionenhöhe, um frische Mittel für die Vorbereitung auf den legalen Freizeitmarkt zu sammeln. Kouparanis hofft nach der Seed-Finanzierung unter Führung des US-Risikokapitalgebers Measure 8 Venture in der nächsten Finanzierungsrunde auf mehr Interesse von europäischen Investoren. „Es gibt derzeit nichts Spannenderes, in das man in Europa investieren kann“, wirbt der Cannabis-Unternehmer in eigener Sache.
Cannabis-Unternehmen aus den USA und Kanada sehen das ähnlich und haben ihre Brückenköpfe in Europa in den vergangenen Monaten kräftig ausgebaut. Die Assets von börsennotierten Branchengrößen aus Nordamerika wie Tilray, Aurora, Cureleaf und Canopy auf dem Alten Kontinent beziffert Prohibition Partners mittlerweile auf mehr als 600 Mill. Dollar.