Die „Cloud“ stellt über das Internet Computerressourcen als Dienstleistung in Form von Servern, Datenspeichern und Applikationen bereit. Aktuell wird der Weltmarkt für Cloud Services von Amazon, Google und Microsoft dominiert und auf 270 Mrd. Dollar beziffert – fast so groß wie die größten Rohstoffmärkte der Welt. Europäische Spieler wie SAP, Deutsche Telekom und die an die Börse strebende United-Internet-Tochter Ionos sowie die gerade an die Börse gekommene OVH aus Frankreich spielen im globalen Wettbewerb eine vergleichsweise geringe Rolle, was insbesondere von der EU-Kommission und der Bundesregierung bedauert wird, die nach „digitaler Souveränität“ streben.

Den riesigen Markt der Cloud-Dienste will nun ein kleines, noch unbekanntes Jungunternehmen aus Frankfurt namens CCEX Cloud Commodities Exchange, das im „Tech Quartier“ am Platz der Einheit angesiedelt ist, in eine ganz neue Richtung lenken. „Viele Unternehmen wollen bei Cloud Services nicht ausschließlich mit den Tech-Giganten arbeiten, weil die in den USA sitzen und eine sehr hohe Preismacht haben“, benennen zwei der Vorstände, Roman Mohry und Karl-Michael Molzer, den Ausgangspunkt für ihre Geschäftsidee, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir wollen Cloud-Dienste für alle Anbieter – auch und gerade solchen aus Europa – so standardisieren, dass sie wie andere Rohstoffe gehandelt werden können, und schaffen damit Markttransparenz und mehr Auswahl für die Käufer von Cloud Services.“

Zum Tragen kommen soll ein Börsenmodell vergleichbar beispielsweise mit der Strombörse EEX in Leipzig. Auf der CCEX sollen fünf Cloud-Service-Produkte gehandelt werden, die je nach Verwendungszweck mit Rahmenverträgen standardisiert angeboten werden: High Performance Computing, Storage, Compute, Data Center und Container.

Bisher arbeiten acht hoch spezialisierte Profis, unterstützt durch ein mehrköpfiges Advisory Board, im Unternehmen, das 2017 als GmbH gegründet wurde. Einer der Mitgründer ist der Mathematiker Dr. Johannes Watzl. Er hat in den USA zusammen mit dem Investmentbanker Shawn Findlan bereits ein Patent auf die Idee der standardisierten und damit handelbaren Cloud-Dienste erfolgreich angemeldet – um nachfolgende Konkurrenten für eine Weile auf Abstand zu halten. Jetzt sollen schnell die nächsten Schritte folgen. „Wir haben bereits die ersten OTC-Deals erfolgreich abgeschlossen. Bis zum Jahresende soll ein Prototyp als Online-Trading-Plattform zur Verfügung stehen“, kündigt Molzer an.

Das Ganze kostet natürlich Geld, und bisher leben die Gründer von ihren Ersparnissen und anderen Tätigkeiten. Nun jedoch ist die erste Finanzierungsrunde geplant. „Wir haben Kontakt zu diversen Family Offices und dabei sogar solchen aus Indien. Das Ziel für die erste Runde ist ein zweistelliger Millionenbetrag“, sagt Molzer.

Sein Partner Mohry hat lange für Dell gearbeitet und sich dort um die Geschäftskontakte zu größeren und kleineren Cloud-Anbietern gekümmert. Zwei der Giganten der Branche haben ernsthaftes Interesse angekündigt, auf der neuen Plattform vertreten zu sein, weil sie hoffen, so ihren Geschäftsanteil in Europa zusätzlich ausweiten zu können. Für CCEX sind neben den kleineren europäischen auch jegliche andere Cloud-Anbieter willkommen, weil jeder zusätzliche Teilnehmer die Liquidität auf der geplanten Plattform erhöhen würde.

Auch für staatliche Hilfe im Kontext des EU-Projekts Gaia-X zum Aufbau einer leistungsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa hat sich CCEX beworben. Nimmt man die „Umsetzungsstrategie Digitalisierung gestalten“ der Bundesregierung beim Wort, müsste das Geld fließen. Dort heißt es ebenso poetisch wie pathetisch: „Die Kraft, Veränderungen zu gestalten und Neues zu schaffen, ist eine Voraussetzung für die langfristige Sicherung nachhaltigen Wohlstands und des sozialen Zusammenhalts in Deutschland, Europa und der Welt.“