Celonis erwägt Börsengang in den USA
Celonis erwägt Börsengang in den USA
Wertvollstes deutsches Einhorn wandert mit Listing womöglich nach New York ab – Unternehmen gibt sich zurückhaltend
cru/jh Frankfurt
Das zuletzt mit 13 Mrd. Dollar bewertete Münchner Softwareunternehmen Celonis nimmt für das kommende Jahr die Börse an der Wall Street ins Visier. Diese Information kursiert unter Investmentbanken. Celonis spricht von Spekulationen und will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen.
Gerade erst ist die Traditions-Schuhfirma Birkenstock mit ihrer Börsennotierung in die USA abgewandert – da könnte bald der nächste Rückschlag für den deutschen Finanzplatz folgen. Das wertvollste deutsche Einhorn, die Softwarefirma Celonis, plant ihren Börsengang für das kommende Jahr ebenfalls in New York, wie von Investmentbankern zu hören ist. Das Münchner Unternehmen hat nicht nur ein wachsendes US-Geschäft, sondern auch einen zweiten Hauptsitz in den USA. Celonis wurde in der jüngsten Finanzierungsrunde im Sommer 2022 mit knapp 13 Mrd. Dollar bewertet. Zu den Eigentümern zählen neben den Gründern unter anderem der Wagniskapitalgeber Accel Partners und der Staatsfonds von Katar.
Die Gründer und Vorstände von Celonis haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Unternehmen irgendwann an die Börse gehen könnte. Doch sie dämpfen die Erwartungen, wonach der Plan konkret geworden ist. Die Information, Celonis strebe ein IPO im nächsten Jahr in New York an, kommentiert eine Sprecherin mit den Worten: „Das ist reine Spekulation.“ Näher will sie sich nicht äußern.
Angloamerikanische Investoren
Im Unternehmen wird bekräftigt, es gebe für einen baldigen Schritt an die Börse weder Zeitdruck noch einen Kapitalbedarf. Das Geschäft laufe gut, die Investoren seien langfristig orientiert und hätten es mit einem IPO nicht eilig. Unter ihnen sind außer Accel Partners mit Hauptsitz in Kalifornien weitere angloamerikanische Investmentgesellschaften wie Franklin Templeton, ebenfalls in Kalifornien, und 83 North mit der Zentrale in London.
Ein Börsengang in den USA wäre nicht nur wegen der Eigentümer und des zweiten Hauptsitzes in New York plausibel. Zu den Kunden von Celonis gehören US-amerikanische Konzerne wie GE, Merck & Co., Johnson & Johnson sowie Pepsico. Ein Teil der mittlerweile mehr als 20 Niederlassungen von Celonis wurde in den USA eröffnet, etwa in Chicago und San Francisco.
Celonis erkennt für ihr Geschäft nach wie vor großes Wachstumspotenzial, nicht nur in Europa und den USA, sondern auch in Japan. In China ist das Unternehmen nicht aktiv. Mit Hilfe der sogenannten Process-Mining-Technologie können die nach Angaben von Celonis Tausende von Kunden eine Vielzahl von Daten analysieren und so ihre Geschäftsprozesse verbessern. Dies wirke sich unmittelbar auf die Finanzliquidität aus, erhöhe die Zufriedenheit der Kunden und reduziere umweltschädliche Emissionen. Geschäftszahlen nennt das Unternehmen seit einigen Jahren nicht mehr. Zuletzt hieß es lediglich, der Umsatz habe sich von Jahr zu Jahr mehr als verdoppelt.
Noch mehr Kandidaten
Celonis wäre mit einem IPO in New York kein Einzelfall: Auch dem deutschen Fernbusbetreiber Flix, zu dessen größten Anteilseignern der US-Finanzinvestor General Atlantic zählt und dem die US-Greyhound-Busse gehören, werden Börsenpläne in den USA nachgesagt. Dabei sind die bisher an die US-Börse abgewanderten deutschen Unternehmen mit ihrem Listing in New York trotz des grundsätzlich größeren und liquideren US-Kapitalmarkts nicht in jedem Fall erfolgreich gewesen. Ein Beispiel für Misserfolge oder zumindest eine gemischte Erfolgsbilanz ist nicht nur der Kursknick von Birkenstock zu Handelsbeginn im Oktober. Aktuell liegt der Wert 16% unter dem Ausgabepreis. Auch die kürzliche Pleite des zum René-Benko-Imperium gehörenden Internet-Sportzubehörhändlers Signa Sports United drückte auf die Stimmung. Dieses Unternehmen war 2021 per Fusion mit einem US-Spac an die US-Börse gekommen. Die deutschen Impfstoffhersteller Biontech und Curevac sind in New York ebenfalls unter die Räder gekommen. Der Börsenwert von Biontech, der zwischenzeitlich 100 Mrd. Euro erreichte, hat sich seit Dezember 2022 auf 20 Mrd. Euro halbiert und liegt damit nur noch auf dem Niveau vom IPO. Der Kurs von Curevac ist allein seit Juni um die Hälfte auf das Rekordtief von 5 Euro mit einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro eingebrochen. Der Berliner Spezialchemiekonzern Atotech, den die Private-Equity-Firma Carlyle 2021 in New York an die Börse brachte, wurde zwischenzeitlich von einem US-Wettbewerber übernommen.
Während sich in den USA das Emissionsvolumen der Börsengänge in diesem Jahr verdoppelt hat, ist es in Europa auf das niedrigste Niveau seit 2013 gefallen. Fast alle europäischen IPOs dieses Jahres notieren unter dem Ausgabepreis. Rühmliche Ausnahme ist der Medikamentenverpacker Schott Pharma, der von einer Sonderkonjunktur dank der neuen Abnehmspritzen profitiert.
Aktienkurse halbiert
Der Panzergetriebehersteller Renk aus dem Portfolio von Triton und die französische Softwarefirma Planisware haben ihre IPOs im letzten Moment gestoppt, der Tankkartenanbieter DKV Mobility, an dem CVC beteiligt ist, hat die IPO-Pläne für dieses Jahr begraben. Der Finanzinvestor CVC selbst, der ein Going Public an der Börse Amsterdam angestrebt hatte, zollt dem Umfeld Tribut und bläst die Sache vorerst ab.