CEO-Gehälter verschärft im Fokus
Kommt mit der zweiten Coronawelle auch ein zweiter Schub beim Gehaltsverzicht für CEOs? Mit steigenden Infektionszahlen wird es wahrscheinlicher, dass Mitarbeitern wieder mehr Opfer abverlangt werden. So dürfte der Druck auf Vorstände steigen, als Geste der Solidarität ihre Vergütung weiter zu reduzieren.Von Daniel Schauber, FrankfurtIn Deutschland haben sich während der ersten Welle der Pandemie, die im Frühjahr hereinbrach, eine Reihe von Konzernen zu einer Reduktion der Managergehälter durchgerungen – teils gezwungenermaßen, teils als Signal der Solidarität mit der gebeutelten Belegschaft. Dazu gehörten unter anderem Adidas, Continental, Daimler und Lufthansa.Nun, im Herbst und mit der zweiten Welle der Infektionen in vollem Gange, wird erneut zu prüfen sein, ob andauernder oder gar verschärfter Gehaltsverzicht in den Topetagen geboten ist, um die gesellschaftliche Akzeptanz der Führungsebene zu sichern. Das dürfte besonders für jene Firmen gelten, deren Geschäft unter den pandemiebedingten Einschränkungen anhaltend leidet und die deshalb auch von ihren Beschäftigten weitere Opfer einfordern.In Deutschland ist die Datenbasis für CEO-Gehaltsreduktionen dünn, daher lohnt der Blick in die USA. Im größten Kapitalmarkt der Welt haben während der ersten Welle knapp 20 % der im marktbreiten Index Russell 3000 notierten Unternehmen die Vergütung für Führungskräfte und Direktoren reduziert, wie eine Studie der Universität Stanford ergeben hat. Die Zahl der Unternehmen mit Gehaltsverzicht stieg vor allem im April und Anfang Mai und damit parallel zu den Infektionszahlen stark an (siehe Grafik). Am häufigsten sei das Festgehalt reduziert worden, während Verzicht auf Boni und langfristige Vergütungsanreize die Ausnahme gewesen sei, ist ein weiteres Ergebnis der Erhebung mit dem Titel “Sharing the Pain: How Did Boards Adjust CEO Pay in Response to Covid-19?”. Für die meisten US-Topmanager machen Boni sowie langfristige Vergütungsanreize den Hauptteil der Gesamtvergütung aus, so dass der Verzicht auf einen Teil des Festgehalts eher als symbolischer Akt gesehen wird. Die Hälfte reicht Im Schnitt habe die Reduktion des Festgehalts in den Topetagen bei rund 50 % gelegen – mit einer breiten Streuung zwischen 10 und 100 %. Für CEOs, die das Festgehalt reduzierten, lag dieses im Median bei nur noch 480 000 Dollar nach 900 000 Dollar vor der Coronakrise. In der Hälfte der Fälle sei ein Enddatum für den Gehaltsverzicht genannt worden, wobei 30. Juni und 31. Dezember 2020 die am häufigsten genannten Daten waren.Die erste coronabedingte Gehaltsreduktion eines CEO wurde in den USA am 10. März registriert, als Oscar Munoz, der Chef der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft United Airlines, den Verzicht von 100 % seines Festgehalts bis mindestens Ende Juni bekannt gab. Das ist bezeichnend, gehören Airlines doch zu den am schlimmsten von der Pandemie betroffenen Unternehmen. Der Studie zufolge waren neben den Fluggesellschaften auch CEOs in Einzelhandelsunternehmen und im verarbeitenden Gewerbe stark von Gehaltsverzicht betroffen, während Nahrungsmittel- und Tabakproduzenten sowie Energieversorger kaum tangiert waren.Auch in Deutschland ist der CEO-Gehaltsverzicht gekoppelt an Branchenzugehörigkeit und gesellschaftlichen Druck oder gar Zwang. Die höchsten Wellen hierzulande schlug der Fall Adidas. Der Sportartikelhersteller hatte sich einen Imageschaden eingehandelt, als er für seine Läden die Miete aussetzen wollte, wofür er sich nach heftiger öffentlicher Kritik Anfang April entschuldigte. Adidas-Chef Kasper Rorsted ließ sich seitdem “bis auf Weiteres” die Hälfte seines Festgehaltes nicht auszahlen. Gestrichen wurden auch seine kurz- und langfristigen Boni für 2020. Das war eine Auflage für die 3 Mrd. Euro Staatshilfe, die Adidas bekommt.Der Chef des Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart, kündigte im April einen Verzicht auf 10 % seines Grundgehalts an – was als vergleichsweise bescheidene Geste gewertet wurde, nachdem Conti Tausende von Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt hatte. Daimler-Boss Ola Källenius nimmt seit April bis zum Ende des Jahres eine Reduktion von 20 % seines Grundgehalts hin. Bei dem Autobauer war durch Corona der Gewinn drastisch eingebrochen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr kündigte bereits im März an, auf ein Fünftel seines Grundgehalts zu verzichten. Wegen der Staatshilfe für die Lufthansa sind auch Spohrs variable Zahlungen gestrichen. Freiwillig statt gezwungenDass es einem Chef gut zu Gesicht stehen kann, ohne unmittelbaren gesellschaftlichen Druck auf Gehalt zu verzichten, bewies Christian Klein, CEO des auch in der Coronakrise florierenden Softwareherstellers SAP. Klein kündigte im April an, im laufenden Jahr ein Fünftel seines Fixgehalts für wohltätige Zwecke spenden zu wollen. Damit dürfte SAP frühzeitig und geschickt möglichen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen haben, die angesichts anhaltender gesellschaftlicher Belastungen durch die Coronakrise die Zeit für Solidaritäts- oder Neiddebatten gekommen sehen – auch in der zweiten Welle.