CFO-InterviewThomas Triska, Vossloh

„Wir sind in sehr geringem Maße konjunktursensitiv“

Der Bahninfrastrukturkonzern Vossloh hat seine Ziele für 2023 zweimal erhöht. CFO Thomas Triska erklärt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung, warum ihn die Sparzwänge im Bundeshaushalt und die Rezession in Deutschland relativ kalt lassen.

„Wir sind in sehr geringem Maße konjunktursensitiv“

Im Interview: Thomas Triska

"Wir sind in sehr geringem Maße konjunktursensitiv"

Der Finanzchef von Vossloh über die lange Verzögerung zwischen der Ankündigung von Investitionen in Bahninfrastruktur und tatsächlichem Mittelfluss

Die Sparzwänge im Bundeshaushalt und die Rezession in Deutschland lassen Thomas Triska relativ kalt. Der Finanzvorstand von Vossloh macht im Interview der Börsen-Zeitung deutlich, dass dies keine spürbaren Wirkungen auf die in Gang gekommenen staatlichen Investitionen in Bahninfrastruktur haben wird.

Das Interview führte Martin Dunzendorfer.

Herr Dr. Triska, Vossloh hat die Veröffentlichung der Jahreszahlen für den 21. März angekündigt. Sollten Anleger bis dahin mit einer Mitteilung rechnen, die vorläufige Geschäftszahlen oder gar korrigierte Ziele enthält?

Unsere vorläufigen Zahlen kennen wir. Daraus ist nicht ableitbar, dass wir außerhalb der von uns zuletzt kommunizierten Zielbandbreiten liegen. Vorläufige Eckdaten geben wir in der Regel nicht bekannt. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns vor dem genannten Termin mit Zahlen zum vergangenen Jahr melden werden, sehr gering.

Wie lauten Ihre Voraussagen?

Unsere Umsatz- und Ergebnis-Guidance haben wir 2023 je zweimal erhöht. Das letzte Mal am 19. Oktober. Seither erwarten wir Erlöse zwischen 1,175 und 1,225 Mrd. Euro. Zuvor betrug die Zielspanne 1,125 bis 1,2 Mrd. Euro und davor 1,05 bis 1,15 Mrd. Euro. 2022 hatten wir 1,05 Mrd. Euro umgesetzt. Im Oktober haben wir auch die Prognose unseres operativen Ergebnisses (Ergebnis vor Zinsen und Steuern, Ebit; die Red.) angehoben: von 87 bis 94 Mill. Euro auf 94 bis 100 Mill. Euro, davor lag die Zielspanne bei 79 bis 88 Mill. Euro. 2022 betrug das Ebit 78 Mill. Euro. Bezogen auf den Mittelwert der aktuellen Umsatzprognose ergibt sich damit eine Bandbreite für die Ebit-Marge 2023 zwischen 7,8 und 8,3%, nach 7,5% im Vorjahr.

Nach Jahren der Tristesse sind Umsatz und Ergebnis zuletzt kräftig gestiegen. Was hat sich geändert?

Wir haben zum richtigen Zeitpunkt unsere Hausaufgaben gemacht. In den vergangenen zehn Jahren haben wir Konzernteile verkauft und uns auf die Bahninfrastruktur fokussiert. Von 2019 an haben wir ein umfassendes Restrukturierungsprogramm durchgeführt und 2020 unsere Strategie grundlegend überarbeitet, sodass wir fortan sehr optimistisch waren, stärker als der Markt wachsen zu können. Darüber hinaus kamen uns natürlich die Veränderungen im Marktumfeld zugute. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts spielt das Thema „Umweltfreundliche Mobilität“ in der öffentlichen Diskussion eine immer größer werdende Rolle. In vielen Ländern hat es eine Weile gedauert, doch inzwischen fließen weltweit große Summen in die Bahninfrastruktur, nachdem man lange Zeit fast überall auf Verschleiß gefahren ist. Der politische Wille, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, ist da.

Der politische Wille, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, ist da.

Thomas Triska

Hätte sich das nicht schon früher in den Zahlen von Vossloh bemerkbar machen müssen? Über umweltfreundlichere Verkehre und Investitionen in die Bahn redet man zumindest in Deutschland doch schon seit einer halben Ewigkeit.

Zum einen vergehen in vielen Ländern in der Regel Jahre von der Ankündigung von Investitionen bis zum tatsächlichen Mittelfluss, auch weil die Planungsprozesse in unserer Branche äußerst langwierig sind. Umsatz und Auslastung steigen daher mit gehöriger Verzögerung gegenüber den Investitionsankündigungen. Ich nehme das Beispiel Deutschland: Hier sorgte erst die dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung dafür, dass die Investitionsplanungen spürbar in Schwung kamen und nun mehr und mehr Aufträge erteilt werden, um die Versäumnisse der Vergangenheit zu beseitigen.

Erläutern Sie bitte diese Vereinbarung.

Die Anfang 2020 unterzeichnete dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) ist ein Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Bahn über die Instandhaltung und den Ersatz der Infrastruktur der Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn. Die Vereinbarung regelt Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsaufwendungen. Sie sieht in einer Zeitspanne von zehn Jahren bis 2030 Investitionen von insgesamt 86 Mrd. Euro vor.

Die lange Zeit, die zwischen der Ankündigung von Investitionen und der Auftragsvergabe vergeht – ist das ein typisch deutsches Problem?

Nein. Das gilt für fast alle Länder. Doch es kommt Bewegung in die Auftragserteilungen. In der EU spielt da sicherlich der Green Deal eine wesentliche Rolle, also das Konzept der Europäischen Kommission, mit dem Ziel, bis 2050 in der EU die Nettoemissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren. Auch in den USA setzt sich inzwischen ein Trend in Bewegung, dass die Bahn als unbestritten klimafreundlichstes Verkehrsmedium nachhaltig gestärkt werden soll. Das stimmt uns für die nächsten Jahre zuversichtlich.

Kommen die Aufträge einmal in Gang, bleibt das über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren so.

Thomas Triska

Lässt sich sagen, wie lange es dauern wird, bis der Investitionsstau im Bereich Bahn behoben sein wird?

Das wird nicht von heute auf morgen passieren. Doch kommen die Aufträge einmal in Gang, bleibt das über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren so. Das ist ganz typisch für unsere Branche.

Wie hoch ist der Inlandsanteil am Gesamtumsatz von Vossloh?

2022 hatten wir in Deutschland Erlöse in der Größenordnung von 100 Mill. Euro bei einem Konzernumsatz von etwas über 1 Mrd. Euro. Auch wenn die finalen Zahlen für 2023 noch nicht vorliegen, gehen wir davon aus, dass wir den Umsatz hierzulande um knapp 40% gesteigert haben – was in weiten Teilen der LuFV III zu verdanken ist. Endkunde war in vielen Fällen die Deutsche Bahn, auch wenn teilweise ihre Zulieferer unsere Kunden sind. So gehen unsere Schienenbefestigungen an die Schwellenhersteller, die dann an die Deutsche Bahn weiterliefern.

Um die deutsche Wirtschaft ist es nicht gut bestellt. Auch der Staat muss sparen. Wird das Vossloh treffen?

Sie spielen auf die 60 Mrd. Euro an Kreditaufnahmen an, die in der Corona-Pandemie nicht ausgeschöpft worden waren und die durch den zweiten Nachtragshaushalt 2021 in den Klima- und Transformationsfonds übertragen werden sollten, was das Bundesverfassungsgericht letztendlich für verfassungswidrig erklärt hat? Damit fehlen in der Tat viele Milliarden für Klimaschutzvorhaben. Doch wir sehen momentan nicht, dass sich die Einsparungen und Umschichtungen im Staathaushalt spürbar auf Vossloh auswirken.

Wieso nicht?

Wenn man sich die Umweltbilanzen ansieht, ist die Bahn der mit Abstand umweltfreundlichste Verkehrsträger. Und es gibt überall die Absicht, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Da sich auch die Politik bewusst ist, dass lange Zeit auf Verschleiß gefahren wurde, bleibt es nicht nur bei den beschlossenen Investitionen. Ich würde sogar eher sagen, dass die Mittel für die Bahn aufgestockt werden könnten, so wie es vor dem Urteil aus Karlsruhe auch angedacht war. Zu den 86 Mrd. Euro, die die LuFV III vorsieht, könnten in Summe noch bis zu 35 Mrd. Euro hinzukommen. So rechnen wir fest damit, dass trotz der Sparzwänge im In- und Ausland umweltfreundliche Mobilität zunehmend gefördert wird.

Und die Rezession in Deutschland macht Vossloh nicht zu schaffen?

Wir sind ein Unternehmen, das nur in sehr geringem Maße konjunktursensitiv ist. Es gibt in unserer Branche – wie dargestellt – sehr langfristige Investitionszyklen; darauf haben kurzfristige BIP-Veränderungen, etwa in Quartalen, keinen erkennbaren Einfluss.

Core Components ist der Bereich, in dem wir unsere Massenprodukte herstellen.

Thomas Triska

Die Konzernaktivitäten von Vossloh sind in die drei Geschäftsbereiche Core Components, Customized Modules und Lifecycle Solutions gegliedert. Diese Bezeichnungen sind für einen Außenstehenden wenig aussagekräftig. Würden Sie die Bereiche etwas griffiger, auch anhand von Produktbeispielen, beschreiben?

Gern. Core Components ist der Bereich, in dem wir unsere Massenprodukte herstellen. Sie sind technisch anspruchsvoll, aber diese Produkte werden nur selten für einen Kunden weiterentwickelt. In dem Bereich gibt es zwei Geschäftsfelder: zum einen Schienenbefestigungen, die u.a. in unserem großen Werk in Werdohl – dem Sitz unseres Unternehmens – gefertigt werden und den Löwenanteil des Bereichsumsatzes liefern; bei Schienenbefestigungen sind wir Weltmarktführer. Das andere Geschäftsfeld sind Betonschwellen; hier sind wir zurzeit ausschließlich in Nordamerika – USA, Kanada und Mexiko – und Australien unterwegs. Auf beiden Märkten haben wir Anteile von mehr als 70%. In Core Components haben wir derzeit die höchste operative Marge; sie ist deutlich zweistellig und 2023 signifikant höher ausgefallen als im Vorjahr. Dieses Niveau werden wir dieses Jahr voraussichtlich nicht ganz halten können; das Gleiche gilt für den Bereichsumsatz. Das hängt mit einem Basiseffekt zusammen: Im vergangenen Jahr kamen große Projekte in Mexiko zum Tragen, die dieses Jahr nicht anfallen. Gleiches gilt für China, wo es zu volumenstarken Auslieferungen kam, die unseren dortigen Marktanteil von durchschnittlich etwa 20% bei Schienenbefestigungen kurzzeitig in die Höhe trieben.

Als Nächstes wäre dann Customized Modules dran.

Das ist unser Weichengeschäft. Hier nehmen wir im Kundenauftrag vielfältige Anpassungen vor. Weichen haben immer einen hohen Anteil an Engineering-Aufwendungen; sie müssen genau zur Strecke passen. Bei Weichen sind wir global die Nummer 2 hinter der österreichischen Voestalpine Railway Systems. In diesem Bereich haben wir in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten gesehen. 2023 wird der Umsatz deutlich die 500-Mill.-Euro-Grenze überschritten haben. Was die Profitabilität angeht, hatten wir 2022 eine Ebit-Marge von etwa 8%. 2023 wird sie voraussichtlich nicht wesentlich davon abweichen, aber wir sind zuversichtlich, dass wir uns 2024 unserem Mittelfristziel – eine zweistellige Ebit-Marge in jedem Geschäftsbereich – annähern werden. Auch die Qualität der Auftragseingänge spricht dafür, dass wir bei der Marge künftig zulegen werden.

Bliebe noch Lifecycle Solutions.

Das ist unser Service-Geschäft für alles „rund um die Schiene“. Hier profitieren wir insbesondere von einer höheren Nachfrage der Deutschen Bahn, denn in diesem Bereich spielt sich rund die Hälfte des Geschäftes in Deutschland ab. Wir erbringen hier ganz unterschiedliche Dienstleistungen, die vom Schienenschweißen und deren Transport an die Baustelle bis hin zu Leistungen reichen, die der Verlängerung der Lebensdauer der Schiene dienen, etwa Schienenfräsen oder Hochgeschwindigkeitsschleifen für das hochbelastete Netz in Deutschland. Durch die vielfältigen Dienste ist der Bereich sehr fragmentiert. Es ist aber der am stärksten wachsende Bereich im Konzern, und wir sind auch hier zuversichtlich, dass wir uns 2024 einer zweistelligen Ebit-Marge nähern werden.

Mittelfristig wollen wir in jedem unserer drei Bereiche eine operative Marge von mindestens 10% erreichen.

Thomas Triska

Welche Finanzziele strebt Vossloh an?

Wir unterscheiden zwischen mittel- und langfristigen Zielen. Mittelfristig wollen wir in jedem unserer drei Bereiche eine operative Marge von mindestens 10% erreichen – bei Core Components haben wir das schon erreicht. In den anderen beiden Bereichen soll das 2025, spätestens aber 2026 der Fall sein. Langfristig schwebt uns eine zweistellige Marge auch für den Konzern vor. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass wir einige Services in der Holding erbringen, so dass es für den Konzern nicht reicht, wenn alle drei Geschäftsbereiche zweistellige Renditen erwirtschaften. Das wird dann noch einige Jahre länger dauern.

Nach neun Monaten lag der freie Cashflow – trotz im Jahresvergleich höherer Investitionen – bei 48,0 Mill. Euro, nach minus 46,5 Mill. in der Vorjahreszeit. Woher rührt der Vorzeichenwechsel?

Das negative Vorzeichen beim freien Cashflow 2022 lässt sich auf drei Ursachen zurückführen: Zum einen war das Jahr nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar geprägt von Verwerfungen auf vielen Beschaffungsmärkten, etwa für Metalle und Energie. Als Folge haben wir Vorräte aufgebaut, um produktions- und lieferfähig zu bleiben. Dadurch stieg das Working Capital, was den freien Cashflow belastete. Natürlich trägt auch die Steigerung unseres operativen Ergebnisses zu einem besseren freien Mittelzufluss bei. Schließlich haben wir im zweiten Quartal 2023 ein Programm zur Optimierung des Umlaufvermögens – Cash 4 Growth – aufgesetzt, das dem Cashflow ebenfalls Schwung verliehen hat.

Wie entwickelte sich der Free Cashflow im vierten Quartal?

Wir gehen davon aus, dass wir auch für das Schlussviertel 2023 einen positiven Free Cashflow ausweisen werden, zumal das vierte Quartal in unserer Branche cashseitig grundsätzlich eines der besseren ist.

Umsatz und Ergebnis sollen weiter zulegen. Wird das ohne steigendes Umlaufvermögen möglich sein?

Wir haben das zugegebenermaßen sehr anspruchsvolle Ziel, in den nächsten Jahren bei stabilem oder sogar sinkendem Working Capital profitabel zu wachsen. Auch deswegen rechnen wir trotz relativ hoher Investitionen 2024 und 2025 in den nächsten Jahren mit einem wachsenden Free Cashflow.

Wo im Konzern fallen absehbar Investitionen an?

In unserem Weichenbereich ist die Auslastung an vielen Standorten sehr hoch, so dass wir uns entschlossen haben, hier die Kapazitäten zu erweitern.

Der Schuldenabbau ist auf den Free Cashflow angewiesen. Ist dieser womöglich durch die hohen Investitionen gefährdet?

Nein. Das unterscheidet Vossloh heute maßgeblich vom Zustand des Unternehmens von vor einigen Jahren. Heute sind wir in der Lage, trotz verhältnismäßig hoher Investitionen nachhaltig die Schulden abzubauen, während früher zwar auch positive Cashflows anfielen, doch nach Abzug von Zins-, Leasing- und Dividendenzahlungen ist am Ende wenig zur Schuldentilgung übriggeblieben. Ohne zu übertreiben: Da sind wir nun in einer neuen Unternehmensphase.

Alle großen Themen sind durch. Jetzt geht es darum, das Wachstum zu managen.

Thomas Triska

Vossloh hat schwierige Jahre und eine umfangreiche Transformation hinter sich. Ich nenne exemplarisch die Trennung von der Lokomotiven-Produktion am Standort Kiel und damit verbunden hohe Wertberichtigungen. Ist der Umbau nun abgeschlossen?

Wenn Sie wissen wollen, ob nun alles ideal ist im Unternehmen ­– das mit Sicherheit nicht. Natürlich haben wir Bereiche, in denen wir uns noch verbessern wollen. Aber die schwierige Phase im Jahr 2019, in der wir ein umfassendes Restrukturierungsprogramm aufsetzen mussten, ist vorbei. Ich kann guten Gewissens sagen: Alle großen Themen sind durch. Jetzt geht es darum, das Wachstum zu managen.

Die Nettofinanzschulden wurden in den ersten neun Monaten 2023 im Vorjahresvergleich deutlich von 293 auf 239 Mill. Euro zurückgeführt. Hat sich diese Entwicklung im Schlussquartal fortgesetzt? Streben Sie eine bestimmte Quote an?

Hier muss ich die Erwartungen bremsen. Im Gesamtjahr werden wir die Nettofinanzschulden nur leicht zurückgeführt haben. Wir beachten das Verhältnis der Nettofinanzverschuldung zum Ebitda, den sogenannten Net Leverage. Hier hatten wir früher so hohe Werte, dass ein Rating im Investment Grade fraglich gewesen wäre. Dieser Wert hat sich 2023 dank des weiter steigenden Ebitda spürbar verbessert. Er dürfte bei 1,5 oder leicht darunter liegen. Das gibt uns die Option, wenn interessante Targets zu haben wären, über größere, teils fremdfinanzierte Akquisitionen nachzudenken, solange der Net Leverage 2,75 nicht nachhaltig übersteigt. Auf diesem Niveau ist man auch unstrittig noch im Investment Grade.

Nach neun Monaten war die Eigenkapitalquote von 43,6 auf 45,0% gestiegen. Gibt es eine bestimmte Quote oder einen Korridor, den Sie hier anstreben?

Nein. Allerdings gilt es hier eines zu beachten: Wir haben 2021 eine Hybridanleihe über 150 Mill. Euro ausgegeben, die nach IFRS als Eigenkapital zu bilanzieren ist. Der Bond kann erstmals 2026 zurückgezahlt werden. Wenn wir die Hybridanleihe über Fremdkapital refinanzieren, würde das die Eigenkapitalquote natürlich drücken.

Priorität hat bei uns die Langfristigkeit der Fremdfinanzierung.

Thomas Triska

Können Sie skizzieren, wie die Fremdfinanzierung von Vossloh aussieht?

Priorität hat bei uns die Langfristigkeit der Fremdfinanzierung. Wir verhandeln gerade mit unseren acht Hausbanken über einen neuen Konsortialkredit. Konkret sind das BayernLB, BNP Paribas, Commerzbank, Deutsche Bank, Helaba, HSBC, LBBW und SEB. Da laufen jetzt die finalen Verhandlungen; die Verträge sind so gut wie unterschriftsreif. Unser bisheriger Konsortialkredit läuft noch bis November 2024. Von daher wollten wir rechtzeitig diese Finanzierung auf ein neues Fundament stellen. Darüber hinaus sind wir am Schuldscheinmarkt ein etablierter Spieler. Wir haben verschiedene Schuldscheine mit verschiedenen Laufzeiten ausstehen.

Planen Sie für 2024 mit größeren Investitionen?

Das Investitionsvolumen vor Leasingmaßnahmen wird 2024 um rund 10 Mill. Euro höher liegen als im Vorjahr. Das hängt überwiegend mit zwei Projekten zusammen: zum einen ein Werksneubau in Schweden, der in den Bereich Customized Modules fällt, und zum anderen ein Werksneubau in Australien, der bereits Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen soll und ebenfalls zum Bereich Customized Modules gehört. Im Bereich Core Components haben wir dagegen noch ausreichend Kapazitäten, so dass wir hier zurzeit nicht über Erweiterungsinvestitionen nachdenken.

Allerorten ist vom Fachkräftemangel die Rede. Wie ist es darum bei Vossloh bestellt? Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen den über 40 Standorten? Der Unternehmenssitz, Werdohl im östlichen Sauerland, dürfte z.B. für viele, insbesondere junge Menschen keine große Anziehungskraft ausüben. Dortmund, die nächstgelegene Großstadt, ist mit dem Auto knapp 60 Kilometer entfernt. Wie sieht es da mit der Gewinnung von Arbeits- bzw. Nachwuchskräften aus?

Da gibt es ganz spannende und erfreuliche Entwicklungen. Natürlich teilen wir das Schicksal anderer Unternehmen und müssen feststellen, dass es zurzeit schwierig ist, qualifizierte Leute zu finden, insbesondere im Service-Geschäft. Doch viele junge Leute entscheiden sich für Vossloh, weil wir für grüne Mobilität stehen. Aber es stimmt, die Situation in Werdohl ist nicht einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass wegen einer Brückensprengung auf der A45 vor zwei Jahren die Fahrt von und nach Dortmund zurzeit noch eine halbe Stunde länger dauert als sonst. Es ist aber nicht so, dass wir kritische Positionen nicht besetzt bekommen. Das dauert nur mitunter länger als früher, und es gibt auch weniger Bewerber als früher pro Stelle.

Sind Übernahmen ein Thema?

Wir schauen, in welchen Produktbereichen oder Regionen wir noch Lücken haben. Das wären keine großen Akquisitionen, sondern eher Arrondierungen. Und dann gilt es noch, unsere Marktposition zu berücksichtigen: Im Schienen- und Weichenbereich sind wir jeweils die Nummer 1 oder 2 auf dem Markt. Da eine große Übernahme zu tätigen, ist schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nahezu unmöglich. Im Bereich Betonschwellen sind wir derzeit nur in Nordamerika und Australien aktiv; da könnte sich die Frage stellen, ob wir nicht auch in andere Regionen vorstoßen sollten. Das größte Potenzial sehe ich bei Services, also im Bereich Lifecycle Solutions. Hier ist einerseits der Markt sehr fragmentiert, andererseits sind die Dienstleistungen rund um die Schiene sehr vielfältig, so dass wir wohl am ehesten in diesem Bereich zukaufen würden.

Seit November 2022 schwankt der Kurs der Vossloh-Aktie in der für heutige Verhältnisse engen Spanne zwischen gut 36 und knapp 45 Euro. Sehen Sie das positiv, wegen der bei institutionellen Investoren beliebten geringen Volatilität, oder negativ, wegen mangelnder Kursgewinne trotz des günstigen Marktumfeldes für Verkehrsinfrastrukturunternehmen?

Ich würde sogar noch weiter gehen: Unser Aktienkurs schwankt seit ungefähr drei Jahren um die Marke von 40 Euro, obwohl wir in dieser Zeit beim Ebitda etwa 50 Mill. Euro und beim Ebit etwa 40 Mill. Euro operativ draufgesattelt haben. Allerdings muss man sehen, dass in den vergangenen zwei Jahren MDax und SDax stark nachgegeben haben, während der Dax zugelegt hat. Angesichts dessen hat sich die Vossloh-Aktie noch ganz gut gehalten. Und noch eine Anmerkung zu den durchschnittlichen Ebitda-Multiples in der Bahnbranche: Die lagen historisch im Schnitt zwischen 9 und 10. Derzeit liegt Vossloh – dank der im Schnitt sehr positiven Gewinnentwicklung der vergangenen Jahre – deutlich unter diesem Wert.

Ich wage die These, dass die etwas enttäuschende Aktienkursentwicklung auch mit der immer noch nicht abschließend geklärten Nachlassfrage Ihres ehemaligen Hauptaktionärs zusammenhängt. Heinz Hermann Thiele, der 50,1% an Vossloh hielt, ist im Februar 2021 verstorben. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Im April 2023 wurde die Heinz Hermann Thiele Familienstiftung gegründet; sie wird künftig den 50,1%-Anteil an Vossloh halten. Vorstandsvorsitzender der Stiftung ist Stephan Sturm, der von Juli 2016 bis Ende September 2022 Vorstandschef von Fresenius war. Mit der Stiftung sind wir im Austausch. Wir haben unter anderem unsere grundsätzliche strategische Ausrichtung diskutiert, die wir erstmals Ende 2020 im Rahmen eines Kapitalmarkttages kommuniziert hatten, und diese wird von der Stiftung mitgetragen. Natürlich nehmen wir wahr, dass es im Hintergrund Rechtsstreitigkeiten um das Erbe gibt, doch darüber weiß ich auch nicht mehr als das, was in der Presse steht. Wichtig für uns als Vossloh ist, dass diese Auseinandersetzungen unsere operative Entwicklung nicht beeinträchtigen. Klar ist auch, dass wir bei der Weitergabe sensibler Informationen an ein Nicht-Aufsichtsratsmitglied die aktienrechtlichen Grenzen beachten müssen, auch wenn der Aktionär mehr als die Hälfte der Anteile an Vossloh hält. Im Grunde bekommt die Familienstiftung Updates über die Lage des Unternehmens, wie sie jeder andere größere Investor bekommt.

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