Chaostage bei Thyssenkrupp gehen weiter
Schlammschlacht geht weiter
Neue Vorstände von Thyssenkrupp Steel sollen „zeitnah“ benannt werden – Keine Dialogbereitschaft
Gegenseitige Schuldzuweisungen und Verbalattacken prägen die Diskussion bei Thyssenkrupp, nachdem am Vortag drei Vorstands- und vier Aufsichtsratsmitglieder der Stahltochter ihre Demission angekündigt haben. Die Nachbesetzung der vakanten Vorstandsposten soll „in einem strukturierten Prozess zeitnah“ erfolgen.
ab Köln
Am Tag eins nach den spektakulären Rücktritten in Vorstand und Aufsichtsrat der Stahlsparte von Thyssenkrupp lassen die Beteiligten keinerlei Dialogbereitschaft erkennen. Im Gegenteil: Gegenseitige Vorwürfe beherrschen die in der Öffentlichkeit ausgetragene Debatte, in die sich nun auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, Siegfried Russwurm, einmischt und dabei nicht mit verbalen Ohrfeigen spart.
„Dem Management von Thyssenkrupp Steel ist es trotz aller anerkennenswerten Anstrengungen seit Jahren nicht gelungen, Antworten auf die strukturellen Herausforderungen des Stahlgeschäfts und seine betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten zu geben“, erklärt Russwurm schriftlich. Das Stahl-Management habe die eigenen Pläne immer wieder „deutlich verfehlt. Das gilt bislang auch für das laufende Geschäftsjahr.“ Zudem sei in den vergangenen Jahren „falsch und schlecht investiert“ worden. Das zeige sich auch wieder beim Bau der Direktreduktionsanlage in Duisburg. „Bereits nach kurzer Zeit gibt es hier Mehrkosten.“
Stahlvorstand widerspricht
Dem widerspricht Ex-Stahlvorstandschef Bernhard Osburg, der am Vorabend mit zwei anderen Vorstandskollegen Aufhebungsvereinbarungen unterzeichnet hat, in einer Abschiedsbotschaft an die Belegschaft: „Wir waren mit unserer Arbeit nicht fertig und hatten sehr konkrete und belastbare Ideen, wie wir den gemeinsamen und messbar erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre fortgesetzt und das Unternehmen in eine wirtschaftlich unabhängige Zukunft geführt hätten.“ Das aber sei der Blick zurück.
Politik bezieht Stellung
Weniger zimperlich fällt die Beurteilung durch IG Metall und Betriebsrat aus. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, Tekin Nasikkol, wirft CEO Miguel López „öffentliche Demontage des Stahl-Vorstands“ vor und spricht von einem „historischen Tiefpunkt“, der mit der Demission der drei Vorstandsmitglieder erreicht sei. Zugleich fordert er Bundes- und Landespolitik zum Einschreiten auf. Niemand könne tatenlos zusehen, wie die Transformation gefährdet werde.
„Die Situation bei Thyssenkrupp hat sich auf allen Seiten sehr unversöhnlich zugespitzt. Das ist kein guter Zustand“, zitiert Reuters Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Bund und Land hätten konkrete Unterstützung zur Sicherung des Stahlstandorts Duisburg geliefert. „Die Unternehmensseite muss aber eben auch ihren Teil beitragen, damit die Transformation gelingt und eine zukunftsfähige Stahlproduktion am Wirtschaftsstandort Deutschland gesichert wird.“
Zielsetzung unverändert
Der Thyssenkrupp-Vorstand fasste sich kurz. Erklärtes Ziel bleibe, ein eigenständiges, leistungsstarkes und profitables Unternehmen zu schaffen, das seine Zukunft als nachhaltiger Stahlproduzent aus eigener wirtschaftlicher Kraft gestalten könne. Die Neuausrichtung werde mit dem notwendigen Tempo vorangetrieben.
Seit Monaten streitet sich Thyssenkrupp mit der Stahltochter um die Restrukturierung des Stahlgeschäfts, damit dieses verselbständigt werden kann. Knackpunkt ist die Finanzausstattung, mit der die Stahlsparte in die Eigenständigkeit entlassen werden soll. In der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag, in der zumindest die Finanzierungsvereinbarung für die nächsten zwei Jahre festgezurrt werden sollte, wurde allerdings gar nicht mehr über Inhalte gesprochen.
IG Metall mit Vorschlagsrecht
Bis neue Stahlvorstände ernannt sind, soll Technologievorstand Dennis Grimm die Funktion des Vorstandssprechers sowie die Ressorts von Osburg und des scheidenden Produktionsvorstands ausüben. Finanzchef Philipp Conze wird zusätzlich die Aufgaben von Markus Grolms übernehmen. Die Nachbesetzung der vakanten Positionen soll in einem „strukturierten Prozess zeitnah“ erfolgen.
Schwierig dürfte es bei der Nachbesetzung für Markus Grolms, den bisherigen Arbeitsdirektor werden. Denn in montan mitbestimmten Unternehmen, wie es Thyssenkrupp Steel ist, liegt das Vorschlagsrecht für diesen Vorstandsposten bei der IG Metall. Am Ende müssen sich Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite auf den neuen Arbeitsdirektor einigen. Über die Nachbesetzung der vakanten Aufsichtsratssitze soll kurzfristig entschieden werden, teilte die Stahlgesellschaft mit.