Chat-Plattform Discord spricht Microsoft an
scd Frankfurt
Microsoft erwägt nach gescheiterten Versuchen bei Tiktok und Pinterest offenbar erneut die Übernahme eines Online-Kommunikationsdienstes. Der weltgrößte Softwarekonzern verhandelt laut Bloomberg mit Discord, die eine Chat-Plattform für Videospieler betreibt, über eine Kaufofferte. Dem Vernehmen nach geht es um ein Volumen von mehr als 10 Mrd. Dollar. Discord sei auf potenzielle Käufer zugegangen – darunter auch Microsoft, hieß es. Das bedeutet allerdings auch, dass ein Abschluss noch längst nicht sicher ist. Offenbar fährt Discord zweigleisig und erwägt als Alternative zu einem Deal mit Microsoft einen Börsengang. Das Unternehmen mit Sitz in San Francisco hatte die Zahl seiner monatlich aktiven Nutzer im vergangenen Jahr auf 140 Millionen in etwa verdoppelt.
Microsoft ist im Videospielemarkt mit der „Xbox“-Konsole bereits einer der weltweit drei großen Player neben den japanischen Wettbewerbern Nintendo („Switch“) und Sony („Playstation“). Im vergangenen Jahr hatte der Videospielemarkt angesichts der globalen Coronavirus-Pandemie und der damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen einen regelrechten Boom erlebt. Der Umsatz zog dem Marktforschungsunternehmen IDC zufolge um nahezu 30 Mrd. auf knapp 180 Mrd. Dollar an. Das ist fast der dreifache Zuwachs des Vorjahres. Hierzulande stieg der Umsatz mit Hard- und Software für das Gaming sowie dazugehörigen Online-Diensten um knapp ein Drittel auf 8,5 Mrd. Euro, wie der Branchenverband Game mitteilte.
Microsoft hat überproportional an dem Wachstum partizipiert und berichtete einen 65-prozentigen Anstieg mit Inhalten für die Xbox-Videospieleplattform. Der US-Softwarekonzern könnte allerdings auch Pläne mit Discord haben, die über den Videospielemarkt hinausgehen. Das Start-up hatte im vergangenen Juli mitgeteilt, seinen Fokus nicht mehr exklusiv auf Gaming-Chats auszurichten. Das einstige Motto „Chat for Gamers“ (Plaudern für Videospieler) wurde in „Your Place to Talk“ (Dein Ort zum Reden) umbenannt. Die Weiterentwicklung zu einem sozialen Netzwerk dürfte Microsoft gefallen. Zuletzt war das Unternehmen mit Übernahmeversuchen bei den sozialen Netzwerken Pinterest und Tiktok gescheitert.
Personell hat sich Discord zuletzt professioneller aufgestellt. Mit Tom Marcinkowski wurde diesen Monat erstmals ein Finanzvorstand engagiert. Marcinkowski kommt von Pinterest, wo er ebenfalls als CFO fungierte, und dürfte daher bereits Bekanntschaft mit dem M&A-Team von Microsoft gemacht haben. Im Februar hatten US-Medien berichtet, der Softwarekonzern aus Redmond habe Gespräche zu einer Übernahme von Pinterest abgebrochen. Ein Kauf des an der Börse mit knapp 45 Mrd. Dollar bewerteten sozialen Netzwerks wäre für Microsoft die mit Abstand teuerste Akquisition der Unternehmensgeschichte gewesen. Aber auch ein Kauf von Discord würde nach der Linkedin-Übernahme 2016 für 26 Mrd. Dollar die wohl zweitgrößte M&A-Transaktion des Unternehmens. Wie bei Linkedin, wo dies hervorragend glückte, wäre Microsoft auch bei Discord gefordert, ein Monetarisierungsmodell zu finden. Derzeit ist der Chat-Service noch nicht kostenpflichtig.
Wertberichtigt Seite 6