Halbjahresbilanz

Chemieindustrie auf Rekordkurs

Die Anbieter von Kunststoffen, Fasern und Pigmenten im deutschen Markt lassen die Coronakrise mit großen Schritten hinter sich und wollen 2021 im Umsatz die Bestmarke von 200 Mrd. Euro knacken.

Chemieindustrie auf Rekordkurs

swa Frankfurt

 Die deutsche Chemiebranche lässt die Coronakrise mit hoher Dynamik hinter sich. Der Umsatz kam im ersten Halbjahr mit kräftiger Nachfrage im In- und Ausland sowie kräftig anziehenden Preisen um 12% auf 111 Mrd. Euro voran. Dabei zeigt sich zweistelliges Wachstum im Inland und auch im Exportgeschäft. Im zweiten Quartal sprang der Umsatz um 23% im Vergleich zur Vorjahreszeit und um 7,1% im Vergleich zum ersten Vierteljahr im laufenden Turnus. Die Anbieter haben nach Angaben des Branchenverbands VCI als Zulieferer für viele Sektoren davon profitiert, dass die Industrieproduktion auf allen Kontinenten ihren Erholungskurs fortgesetzt hat. Dadurch habe sich die Nachfrage nach Chemikalien dynamisch entwickelt.

Die Produktion hat Deutschlands drittgrößter Industriezweig hinter der Automobilbranche und dem Maschinenbau von Januar bis Juni um 5,9% erhöht. Die Auslastung der Kapazitäten in den Werken sei auf mehr als 86% geklettert und liege damit deutlich oberhalb des für die Branche üblichen Niveaus. „Jedes fünfte Unternehmen stößt bei der Produktion an seine Kapazitätsgrenzen“, sagt Christian Kullmann, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie.

Probleme bereiten allerdings Engpässe in der Logistik und Knappheit von Vorprodukten. „Die Lieferketten sind bis zum Äußersten angespannt und werden das auch über das Jahr hinweg bleiben“, erklärt Kullmann. Davon seien nahezu alle Unternehmen betroffen, mehr als die Hälfte sogar schwer. Teilweise hätten Firmen die Produktion wegen mangelnder Vorprodukte drosseln müssen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten eine ähnliche Situation schon mal hatten“, ergänzt der Manager, der im Hauptberuf CEO des Spezialchemiekonzerns Evonik ist.

Ungeachtet der Schwierigkeiten in den internationalen Lieferketten zeigt sich die Chemieindustrie auch für die zweite Jahreshälfte zuversichtlich und verweist in dieser Einschätzung auf den „ großen Nachfrageüberhang“ ihrer Kunden. In der Prognose rechnet der VCI für das Jahr weiterhin mit einem Anstieg der Produktion um 4,5%. Die Vorhersage für mögliche Preiserhöhungen der Erzeuger wird nach oben gesetzt. Die Branche rechnet nun mit Teuerungen von 6,5% nach bislang geschätzten 3,5%. Damit erhöht sich die Erwartung für das Umsatzwachstum 2021 von bislang 8% auf 11%. „Zum zweiten Mal nach 2018 wird unsere Industrie in diesem Jahr die Schallmauer von 200 Mrd. Euro durchbrechen und mit einem Umsatzrekord das Vorkrisenniveau deutlich übertreffen“, hebt Kullmann hervor und verweist auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Branche:  „Das ist ein kraftvolles Comeback. Es zeigt eindrucksvoll, wie wichtig eine international wettbewerbsfähige Chemie- und Pharmaindustrie als Stabilitätsanker für unser Land ist.“

Nachholeffekte

Eine Rekordzahl erwartet der Branchenverband VCI auch für die Investitionen der Unternehmen im Inland. Der Chemieverband geht davon aus, dass die Investitionen für Sachanlagen im laufenden Jahr von 8,4 Mrd. auf knapp 9 Mrd. Euro steigen. Hier spiegelt sich wider, dass aufgeschobene Projekte aus dem Vorjahr nachgeholt und Kapazitäten ausgeweitet werden.

Vom schwungvollen Wachstum in den vergangenen Monaten profitierten nach Angaben des VCI nahezu alle Segmente. Die stärkste Dynamik zeigt die Grundstoffchemie. Die Produktion von Polymeren für die Herstellung von Kunststoffen legte um mehr als ein Fünftel zu (siehe Grafik). Auch die Anbieter von Spezialchemikalien haben ihr Produktionsniveau um fast 9% ausgeweitet. Die Produktion von Pharmazeutika verzeichnete im Vergleich dazu ein moderates Plus von 1,4%. Schlusslicht sind Konsumchemikalien mit Inhaltsstoffen für Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel. Sie verbuchten einen Mengenrückgang von 1,8%.