IM BLICKFELD

China für ausländische Einzelhändler ein holpriger Markt

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 25.10.2012 Der chinesische Markt gilt als idealer Tummelplatz für große internationale Handelsketten und Supermarktbetreiber, die - bei oft weitgehend gesättigten Heimatmärkten - die...

China für ausländische Einzelhändler ein holpriger Markt

Von Norbert Hellmann, SchanghaiDer chinesische Markt gilt als idealer Tummelplatz für große internationale Handelsketten und Supermarktbetreiber, die – bei oft weitgehend gesättigten Heimatmärkten – die wachstumsträchtigen Schwellenländermärkte bearbeiten, um die Umsatzdynamik zu beleben. Die Konjunkturabkühlung im Reich der Mitte beginnt aber ihren Tribut zu fordern. Gleichzeitig stellen namhafte Adressen wie amerikanische Wal-Mart, die französische Carrefour oder die britische Tesco fest, dass hochtrabende Expansionspläne revidiert werden müssen, weil sie gegenüber chinesischen Konkurrenten an Boden verlieren. In der SackgasseMarktexperten führen dies in erster Linie auf eine zu langsame Anpassung an die sich zum Teil rasch wandelnden Konsumtrends zurück, aber auch auf eine mangelhafte regionale Differenzierung von Warenangebotskonzepten in einem riesenhaften Land. Und dann ist da noch der bisweilen gefährlich in die Irre führende Versuch der Übertragung von Erfolgskonzepten aus westlichen Verbrauchermärkten auf den chinesischen Markt, der sich als teuere Sackgasse erweisen kann.Als besonders beredtes Beispiel gilt das Scheitern der US-Baumarktkette Home Depot, die vor sechs Jahren in den chinesischen Markt vorgestoßen ist und jüngst eine Schließung ihrer noch verbliebenen sieben chinesischen Großmärkte verkündet hat, um sich künftig auf einen Online-Vertrieb zusammen mit einem chinesischen Partner zu beschränken. “Do it for me”Home Depot konzediert, bei der Chinastrategie das Potenzial des Heimwerkermarkts völlig überschätzt zu haben. China sei wohl doch eher ein Fall von “Do it for me” als für “Do it yourself”. Niedrige Arbeitskosten und ein endloses Reservoir von allzeit bereiten Handwerkern lassen die wenigsten Verbraucher, die es sich leisten können, Geld in mehr Wohnlichkeit zu stecken, auf die Idee kommen, selber Hand anzulegen. Ikea, die in China recht erfolgreich unterwegs ist, hat sich geschmeidiger den Landesgegebenheiten anzupassen vermocht und den Möbelverkauf mit einem Service gepaart, der dem Kunden das Zusammenschrauben von Billy-Regalen erspart.Bei den westlichen Supermarkt- und Kaufhausketten, die bereits Mitte der neunziger Jahre damit begonnen hatten, den chinesischen Markt aufzurollen, sind es andere Faktoren, die ein Zurechtbiegen der Chinastrategie erfordern.Das in den vergangenen Jahren verlässlich zwischen 17 und 20 % liegende Wachstum der Einzelhandelsumsätze hat sich mittlerweile auf 13 bis 14 % reduziert. Zudem gestaltet sich die Expansion von den bislang bevorzugten Megametropolen hin zu den mehr entlegenen Großstädten der sogenannten zweiten und dritten Kategorie und strukturschwächeren Gebieten als problematisch. Dort haben einheimische Branchengrößen wie Yonghui Superstores und China Resources Enterprise den Markt fest im Griff und profitieren von einem regional angepassten Lieferkettenmanagement, das sich von den westlichen Großketten nur schwer replizieren lässt.Beim weltgrößten Einzelhändler Wal-Mart, der bereits mit über 380 Ladeneinheiten in China vertreten ist, heißt es, man werde im kommenden Jahr eine moderatere Expansion fahren und Neueröffnungen selektiver betreiben.Passend dazu hat sich Tesco, die weltweite Nummer 2, dazu durchgerungen, eine Reihe von Ladenschließungen vorzunehmen. Man habe festgestellt, dass sich eine aggressive Neuflächenerschließung bei den wenigsten Adressen in profitables Wachstums umsetzen lasse. Gerüchte, dass die erst 2004 nach China gegangene Tesco einen kompletten Rückzug aus dem chinesischen Markt erwägt, werden zwar heftig dementiert, von Sektoranalysten aber für möglich gehalten.Bei Tesco sollen die direkten Umsätze auf direkt vergleichbarer Basis, sprich unter Vernachlässigung von Neueröffnungen, im zweiten wie auch dritten Quartal stagniert haben, während die französische Carrefour in dieser Rechnung zuletzt gar deutliche Umsatzeinbußen um über 6 % verzeichnete.Beim Branchenverband China Chain Store & Franchise Association heißt es, dass sich große Handelsketten gezwungen sehen werden, ihr Flächenwachstum zu begrenzen und den Fokus stärker auf die kostenorientierte Kontrolle von Lieferketten und Vertriebskanälen zu setzen. Die Gewinnmargen für ausländische Retailer hätten sich in den letzten fünf Jahren von rund 12 % auf typischer 6 % halbiert. Die mit der Eröffnung von neuen Läden verbundenen Anlaufkosten rücken damit immer stärker in den Vordergrund. Letzteres dürfte im Prinzip auf einen verstärkten Online-Vertrieb hinauslaufen.Neben Home Depot hat auch die US-Kette Best Buy ihren Marktauftritt in China stark umgekrempelt und sattelt nun in Partnerschaft mit Jiangsu Five Star von gehobenen Einrichtungsgegenständen stärker auf Gebrauchsgüter wie Waschmaschinen und Klimaanlagen um. Gleichzeitig wird die Eröffnung von Mobilfunkläden und die Aufnahme eines Online-Vertriebs erwogen. Ausweichen auf OnlineNun setzt auch Wal-Mart im großen Stil auf eine E-Commerce-Plattform und steht zu diesem Zweck kurz vor der Übernahme einer Mehrheitsbeteiligung am Schanghaier Online-Händler Yihaodian. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass Wal-Mart Yihaodian als Basis für einen groß angelegten Online-Auftritt unter der Marke Wal-Mart China verwenden wird.Die Entscheidung gibt einen Fingerzeig auf die bestimmenden Trends im chinesischen Warenretailing für Ausländer: Mehr Rückgriff auf chinesische Partnerschaften und eine Redimensionierung des Flächenauftritts zugunsten von virtuellen Absatzkanälen.