China will Didi die US-Börsenpräsenz verleiden
nh Schanghai
In der von sicherheitspolitischen Spannungen überlagerten Debatte um die Börsenpräsenz chinesischer Tech-Firmen an der Wall Street deutet sich eine wichtige Weichenstellung an. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg wird die Geschäftsführung des Anfang Juli unter kontroversen Umständen an die New Yorker Börse gegangenen chinesischen Techkonzerns und Fahrdienstvermittlers Didi Global von Peking unter massiven Druck gesetzt, das Listing an der New York Stock Exchange (Nyse) wieder aufzugeben.
Derzeit ist noch nicht klar, mit welcher Vehemenz und Dringlichkeit die Pekinger Behörden einen Rückzug Didis von der Wall Street zu erzwingen versuchen. Analysten betonen, dass sich zwei mögliche Verfahrenswege abzeichnen. Denkbar wäre, dass Didi wegen regulatorischer Unsicherheiten im Zusammenhang mit Cybersecurity-Aspekten sich als gegenwärtig nicht mehr kapitalmarktfähig deklariert und entsprechend ein Going Private mit einem Angebot an die Aktionäre anstrengt. In diesem Fall müsste Didi allerdings ein Rückkaufsangebot in mindestens der Höhe des Emissionspreises machen, um nicht mit einer Welle von Aktionärsklagen in den USA überschwappt zu werden. Gegenwärtig notiert die Didi-Aktie rund 45% unter dem Emissionspreis bei 14 Dollar (siehe Chart).
Als Alternative zum Going Private und anschließendem Delisting gilt eine „sanftere Variante“, bei der Didi ähnlich wie Alibaba und eine Reihe anderer chinesischer Techunternehmen ein Zweitlisting an der Hongkonger Börse angehen würde. Danach könnte Didi dann mit einer gesicherten Kapitalmarktpräsenz im chinesischen Raum den Rückzug aus New York angehen. Dort scheinen die Anleger die neuen Gerüchte um Didi einigermaßen gelassen aufzunehmen. Die Didi-Aktie sackte am Freitag zwar zunächst um 7% ab, erholte sich dann aber trotz eines insgesamt baissierenden Marktes wieder und schloss in New York 2,8% unter Vortag.
In jedem Fall scheinen die Avancen gegen Didi zu belegen, dass die laufende chinesische Regulierungskampagne gegen heimische Techunternehmen immer stärker politische Züge annimmt. Didi war im Juli wenige Tage nach dem Handelsdebüt in New York von Chinas Internetüberwachungsbehörde Cyberspace Administration of China (CAC) mit einem aufsehenerregenden Verfahren wegen der Verletzung von Datenschutzbestimmungen im Zusammenhang mit „nationalen Sicherheitsaspekten“ konfrontiert worden. Dabei wurde ein bis dato nie genau erklärtes Risiko bezüglich der Weitergabe von sensiblen chinabezogenen Daten an US-Instanzen angedeutet, das sich mit dem Eintritt von US-Aktionären und der Unterwerfung unter US-Publizitätsbestimmungen ergeben soll.
Dem Vernehmen nach hatte Didi ihren lange Zeit aufgeschobenen Börsengang im Sommer unerwartet rasch und gegen den Willen der Pekinger Regierung durchgezogen. Angeblich wurde Didi gewarnt, dass neue Datenschutzregularien mit Blick auf nationale Sicherheit im Raum stehen, die das Initial Public Offering (IPO) in den USA berühren, allerdings gab es keine rechtliche Handhabe für das Verbot eines chinesischen IPO an einer ausländischen und damit im Zweifelsfall amerikanischen Börse.
Peking hat den Fall Didi dann zum Anlass genommen, neue Verordnungen zu erlassen, die IPOs von chinesischen Internet- und Tech-Firmen im Ausland unter politischen Aspekten genehmigungspflichtig machen und gesonderten Prüfungsverfahren der CAC unterstellen Danach haben Dutzende von chinesischen Anwärtern für ein US-IPO ihre Pläne wieder zurückgestellt. Seit dem Didi-Debakel ist kein weiteres chinesisches Unternehmen mehr an die New Yorker Börse gegangen und auch das IPO-Geschäft in Hongkong wegen regulatorischer Unsicherheiten praktisch zum Erliegen gekommen.