Immobilienentwickler

Chinas Immobilienbranche steht vor neuen Abgründen

Im chinesischen Immobilienmarkt wachsen die Stress-Symptome. Jüngste Wohnungspreisdaten sprechen gegen eine rasche Erholung. Rekordverluste beim Pleitekandidaten Evergrande sorgen für zusätzliche Verstimmung.

Chinas Immobilienbranche steht vor neuen Abgründen

Neue Wallung bei Chinas Bauträgern

Krisenstimmung verschärft sich – Aktien- und Bondkurse loten weitere Tiefen aus – Evergrande macht Rekordverluste sichtbar

Im chinesischen Immobilienmarkt wachsen die Stress-Symptome. Jüngste Wohnungspreisdaten sprechen gegen eine rasche Erholung. Drei weitere große Immobilienentwickler stehen vor Zahlungsausfällen auf ihre Anleihen. Rekordverluste beim Pleitekandidaten Evergrande sorgen für zusätzliche Verstimmung.

nh Schanghai

Magere Aussichten auf eine rasche Stabilisierung des chinesischen Wohnimmobilienmarktes verschärfen den Druck auf verschuldungsgeplagte Bauträger in China. Sowohl am Aktien- als auch am Bondmarkt kam es am Wochenbeginn zu teilweise scharfen Kursanpassungen. Rund ein Dutzend Immobilienentwickler stehen unmittelbar vor der Gefahr eines Delistings von den Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen, da ihre kümmerlichen Aktienkurse die Mindestschwelle von 1 Yuan längerfristig unterschritten haben.

Am Dienstag rutschten die Bonds der Shui On Land Ltd. um mehr als 10% ab, nachdem die Gesellschaft außer der Reihe Anleiheinvestoren zu kontaktieren versuchte. Dies gilt als Anzeichen für einen bevorstehenden Zahlungsausfall (Default). Sino-Ocean Holding wiederum ließ einen in Kürze fälligen Yuan-Bond vom Handel aussetzen und signalisierte damit einen bevorstehenden Tilgungsausfall. In Reaktion darauf brach die in Hongkong notierte Aktie um weitere 10% auf ein Allzeittief ein. Die Gesellschaft ist ein Beispiel dafür, dass selbst Immobilienentwickler mit partieller Rückendeckung durch staatliche Investoren vor Unheil nicht geschützt sind.

Ein prominenter Wackelkandidat am Bondmarkt ist jetzt auch der Hotel- und Gewerbeimmobilienriese Wanda Group. Hier steht eine zum 23. Juli fällige Anleihe im Feuer, nachdem Wanda die Anleger kürzlich darüber informierte, dass sich in Sachen Tilgungsabdeckung eine Finanzierungslücke über 200 Mill. Dollar auftut. Die Nachrichtenlage ist eine sehr kalte Dusche für die Anleger, weil mit Shui On Land, Sino-Ocean und Wanda drei landesweit bekannte Immobilienkonzerne in akuten Liquiditätsnöten stecken, die von den Anlegern bislang zu den stabileren Branchenwerten gezählt wurden.

Angespannte Märkte

Die Nervosität im Markt ist greifbar. Am Dienstag rutschte der CSI Real Estate Index, der rund 110 auf dem Festland notierte Immobilienfirmen abbildet, um weitere 4% auf 420 Punkte ab. Anfang des Jahres hatten einige Avancen der Regierung mit Erleichterungen für den Finanzierungszugang von Immobilienfirmen eine Hoffnungsrally gezündet, die allerdings sehr rasch wieder verpuffte.

Tatsächlich hat das Barometer 2023 nochmals 30% eingebüßt und rückt in die Nähe des Allzeittiefs vom Oktober 2022. Damals erlebten Chinas Aktienmärkte im Zuge der Verzweiflung über die Null-Covid-Politik eine monumentale Baisse.

Wie es der Zufall will, hat nun just auch das Enfant terrible der Branche, China Evergrande Group, wieder auf sich aufmerksam gemacht. Vor genau zwei Jahren markierte eine schockierende Halbjahresbilanz von Evergrande den Beginn der Krise. Die in einem höchst intransparenten Restrukturierungsverfahren steckende Evergrande hatte nach der verhängnisvollen Zahlenvorlage vom Juli 2021 keine weiteren Abschlüsse mehr vorgelegt. Seitdem ist die Evergrande-Aktie vom Handel ausgesetzt. Nun kam Evergrande nach Ablauf von Gnadenfristen mit den Bilanzen für 2021 und 2022 aus dem Wald. Das Ergebnis kann sich auf makabre Weise sehen lassen.

Im Annus horribilis 2021 ergab sich ein Verlust über 476 Mrd. Yuan (59 Mrd. Euro). Für die beiden Geschäftsjahre summiert sich der Fehlbetrag auf 72 Mrd. Euro. Die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten des weltweit höchstverschuldeten Immobilienkonzerns stieg nochmals um 23% und liegt jetzt bei 2,4 Bill. Yuan (300 Mrd. Euro).

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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