Internet-Regulierung

Chinas Internetwächter bereitet Tech-Firmen neue Kopfschmerzen

Chinas Cyber-Behörde will den Zugang von Jugendlichen zu Online-Unterhaltung zeitlich stark eingrenzen. Auf die Plattformbetreiber kommen Compliance-Risiken zu, die ihre Anleger aufs neue verschrecken.

Chinas Internetwächter bereitet Tech-Firmen neue Kopfschmerzen

Chinas Internetwächter bereitet Tech-Firmen neue Sorgen

Jugendschutzregelung soll Social-Media-Nutzung stark eingrenzen – Neuer Dämpfer für Tencent-Anleger

nh Schanghai

Chinas führende Betreiber von Video- und Social-Media-Plattformen werden von einem neuen Regulierungsvorschlag des Pekinger Internetregulators und Cybersecurity-Wächters überrumpelt. In einem am Mittwoch vorgestellten Kodex will die Cyberspace Administration of China (CAC) dafür sorgen, dass heimische Online-Plattformbetreiber den Smartphone-gestützten Zugang von Minderjährigen zu ihren Unterhaltungsangeboten drastisch senken und auf ein sehr eng begrenztes Zeitfenster limitieren.

Extreme Einschränkung

Die Maßnahmen werden von der Behörde in den Kontext des Jugendschutzes und der Bekämpfung eines Suchtverhaltens von Jugendlichen bei der Nutzung des mobilen Internets via Smartphone gestellt. Der noch nicht rechtsverbindliche Regulierungsvorschlag der CAC sieht vor, dass Jugendlichen unter 18 Jahren zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens grundsätzlich der Zugang zum mobilen Internet verboten wird.

Die Regelung sieht auch tagsüber eine eng begrenzte Nutzung von Online-Plattformen durch Kinder und Jugendliche vor. In der Altersgruppe wischen 16 und 18 Jahren sollen täglich maximal zwei Stunden erlaubt sein. Für Acht- bis 16-Jährige reduziert sich das Zeitfenster auf eine Stunde, und für Kinder unter acht Jahren sind nach den Vorstellungen der Behörde exakt acht Minuten täglich das Höchstmaß.

Ähnliche Regelung für Online-Spiele

Im Rahmen der chinesischen Überwachungsgepflogenheiten sind jegliche Handynutzung und Zugang zu Online-Plattformen an Personalausweisdaten gekoppelt, die eine Durchsetzung der Auflagen ermöglichen. Vor zwei Jahren kam es bereits zu einer vergleichbaren jungendschutzmotivierten Regelung, die die Nutzung von mobilen Online-Spielangeboten betrifft. Dabei wirkt der Staat in erster Linie auf die Plattformbetreiber selber ein und macht sie für “missbräuchliche” Nutzung ihrer Unterhaltungsangebote direkt verantwortlich.

Im Rahmen einer mehr als zweijährigen Pekinger Regulierungskampagne hatte sich der Druck auf chinesische Tech-Firmen auch diesbezüglich wesentlich erhöht, und ihnen massive Compliance-Kosten zur laufenden Einhaltung der Regeln aufgebürdet. Entsprechend ist auch der neue Vorstoß der CAC den Anlegern sauer aufgestoßen und hat am Mittwoch für teilweise empfindliche Kursreaktionen bei einer Reihe börsennotierter Tech-Firmen gesorgt.

Bilibili stark getroffen

Am härtesten getroffen wurde die vor allem auf ein Teenager-Publikum ausgerichtete Videoplattform Bilibili, deren Aktie im Handel an der Hongkonger Börse 7% einbüßte. Der in direkter Konkurrenz zu Tiktok stehende Kurzvideoanbieter Kuaishou verlor in der Spitze 5%, während die Aktie des führenden chinesischen Internetkonzerns und Social-Media-Betreibers Tencent 3% einbüßte. Bytedance, der Betreiber des in China Douyin genannten Tiktok-Dienstes, dürfte von den CAC-Auflagen ebenfalls negativ erfasst werden, ist aber nicht börsennotiert.

Wie Analysten betonen, werden die von der neuen Regelung betroffenen chinesischen Anbieter nicht nur durch reduzierte Nutzungszeiten von Jugendlichen als einem wichtigen Kundenspektrum behindert. Sie werden vor allem auch schwer kalkulierbaren Compliance-Risiken ausgesetzt. Dies erfordere entweder einen erheblichen Kontrollaufwand oder aber gar aktive Schritte, um jugendlichen Nutzern den Zugang zu ihren Diensten sicherheitshalber ganz zu verwehren.

Anlegersentiment in Gefahr

Tencent hatte als weltgrößter Onlinespiele-Anbieter durch eine Reihe von 2021 eingeführten CAC-Regeln für den Gaming-Sektor deutliche Einbußen in seinem zuvor sehr wachstumsstarken heimischen Onlinespiele-Geschäft erfahren. Für den wertvollsten börsennotierten chinesischen Tech-Konzern bedeuten die neuen Auflagen im Zweifel keine größere Beeinträchtigung des operativen Geschäfts. Sie könnten allerdings das zuletzt gestärkte Anlegersentiment im Tech-Sektor neuerlich eintrüben.

In den letzten Wochen hatte die Tencent-Aktie stark davon profitiert, dass die Regierung vor dem Hintergrund einer sehr schwachen Konsumkonjunktur auffallend freundlicher gegenüber den jahrelang politisch regelrecht angefeindeten Tech-Konzernen auftrat. Zur Jahresmitte gab man unterschwellig zu verstehen, dass die Tech-Kampagne als beendet angesehen werde. Dies löste eine breite Rally bei chinesischen Tech-Werten aus. Der jüngste Vorstoß der CAC sorgt entsprechend für Ernüchterung. Er verdeutlicht nämlich, dass Chinas Internetriesen auch ohne förmliche Kampagne einer immer engeren Staatskontrolle unterliegen, die mit hohen Kosten und begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten einhergeht.