IM BLICKFELD

Chipkonzerne sind für die Coronakrise gut gewappnet

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 2.4.2020 Die Coronakrise hat die Hoffnung in der Chipindustrie zunichtegemacht, dieses Jahr eine Abschwungphase zu beenden und auf den Pfad robusten Wachstums zurückzukehren. Die Umsatz- und...

Chipkonzerne sind für die Coronakrise gut gewappnet

Von Stefan Kroneck, MünchenDie Coronakrise hat die Hoffnung in der Chipindustrie zunichtegemacht, dieses Jahr eine Abschwungphase zu beenden und auf den Pfad robusten Wachstums zurückzukehren. Die Umsatz- und Gewinnwarnungen von Branchenprimus Intel und Infineon gaben einen Vorgeschmack darauf, was noch folgt: Weitere Halbleiterhersteller werden ihre Prognosen ebenfalls kassieren. Denn die verhängten Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung in vielen Industriestaaten infolge der Coronavirus-Pandemie beeinträchtigen empfindlich die Lieferketten der Produzenten und folglich die Fertigung mikroelektronischer Bauelemente. Die Nachfrage bricht weg. Die großen Abnehmer wie Apple, Samsung, Cisco, Dell, Hewlett-Packard, Panasonic, Bosch, Continental und Amazon – um nur einige zu nennen – können ihre Absatzmärkte nicht mehr voll bedienen.Für die momentan stark gebeutelte Branche zeichnet sich aber ein Licht am Ende des Tunnels ab: In China, wo die Seuche ihren Ursprung hatte, läuft das Wirtschaftsleben wieder an. Vor diesem Hintergrund setzen die Halbleiterproduzenten alle Hebel in Bewegung, das Tief mit Kostensenkungen zu überbrücken. Kürzungen bei Investitionen, ein zeitweiliges Stilllegen von Werken und Kurzarbeit für die Beschäftigten gehören zu den üblichen Instrumenten des Managements, um in einer kritischen Lage gegenzusteuern. Das trägt dazu bei, die Aufwendungen für den Leerstand an den Standorten zu begrenzen und auf diese Weise das Working Capital zu entlasten. Keine Staatshilfe nötigDie großen Adressen in der Branche profitieren von ihren Erfahrungen während der Finanzmarktkrise in den Jahren 2008 bis 2010. Damals waren sie in der tiefen Rezession ebenfalls gezwungen, drastisch an der Kostenschraube zu drehen, um ihren Fortbestand zu sichern. Infineon kämpfte seinerzeit sogar um die Existenz. Nach der Pleite der Speicherchiptochter Qimonda war das Dax-Mitglied Anfang 2009 angezählt. Mit Einschnitten und einer Kapitalerhöhung mit Hilfe des US-Finanzinvestors Apollo gelang es dem früheren Siemens-Ableger, die Notsituation zu bewältigen.In der aktuellen Wirtschaftskrise fällt auf, dass im Gegensatz zu den bedrängten Branchen Luftfahrt und Tourismus (unter anderem Airlines, Boeing und Tui) und manchen stark geschwächten Autozulieferern (darunter Leoni) die großen Häuser der Halbleiterindustrie in Nordamerika und in Europa nicht um direkte Staatshilfen buhlen (müssen). Dazu besteht keine Notwendigkeit. Ein Blick in die Bilanzen von Intel, Infineon, STMicroelectronics und Texas Instruments (TI) zeigt, dass diese Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Ihre Firmenkassen sind mit Milliarden prall gefüllt. Liquidität ist ausreichend vorhanden, um die Krise aus eigener Kraft zu meistern. Ihre Eigenkapitalquoten befinden sich auf einem hohen Niveau, rund 50 % ist das Minimum, wie TI zeigt (vgl. Grafik).Der Hintergrund dieser Solidität: um ein großes Rad im schwankungsanfälligen, kapitalintensiven frühzyklischen Halbleitermarkt zu drehen, sind die Konzerne gezwungen, viel Geld zu bunkern. Das ist die Grundlage ihres Geschäftsmodells. Die Vergangenheit machte deutlich, dass nur jene Unternehmen in Krisenzeiten Gefahr laufen, in eine bedrohliche Schieflage zu geraten, die ohnehin aus eigenem Verschulden ums Überleben ringen.Ist ihre Lage ausweglos, wird der Ruf nach Vater Staat lauter. Das war früher bei Qimonda so, in Asien auch zuvor bei Hynix aus Südkorea und bei Renesas aus Japan. Letztere bekamen Unterstützung mit öffentlichen Geldern, da sie als Hightech-Unternehmen für Seoul und Tokio als schützenswerte Adressen galten und gelten und deshalb im Staatskapitalismus immer noch so schonend behandelt werden, obwohl es ihnen heute besser geht. Dieses nationale Sicherheitsdenken könnten sich auch die Häuser aus Europa und den USA zunutze machen, sollte es für sie – wider Erwarten – doch noch eng werden. In der derzeitigen Krise signalisierten unter anderem Washington und Berlin, im Extremfall einen Rettungsschirm zu spannen. Die Bundesregierung wäre derzeit sogar bereit, bis zu Teilverstaatlichungen zu gehen, um Unternehmen wie Infineon mit einem Streubesitzanteil von 100 % vor dem Zugriff von Wettbewerbern aus dem Ausland zu schützen. Kaum denkbar, dass die Führung von Deutschlands größtem Chipkonzern mit Sitz in Neubiberg bei München mit Begeisterung auf ein solches Szenario blickt, gliche doch ein Einstieg des Staates dem Eingeständnis des eigenen unternehmerischen Versagens.Und die Gläubigerbanken? Was passiert, wenn einer der Big Player in der Krise Darlehensauflagen (Covenants) reißen sollte? Die Wahrscheinlichkeit wäre sehr gering, dass die Kreditinstitute die Reißleine zögen. Denn für sie selbst stände viel auf dem Spiel, befänden sich doch Kreditlinien über mehrere Milliarden im Feuer. Abschreibungen würden sie auf dieser Ebene tunlichst vermeiden wollen, ansonsten könnte das ihre eigene Erfolgsrechnung verhageln. So kann mancher Topmanager der Unternehmen darauf vertrauen, dass ab einer gewissen Größe die Konzerne möglicherweise “too big to fail” sind. Aufgrund ihres Status als hochsensible Schlüsselindustrie könnten es sich Stakeholder nicht erlauben, diese Häuser fallenzulassen. In diese Situation werden Intel & Co. aber sowieso nicht geraten.