Autoindustrie

Chipmangel bremst Volks­wagen kräftig ab

Der Chipmangel hat Volkswagen im dritten Quartal deutlich gebremst. Nach einem Rekordergebnis im ersten Halbjahr legt Europas größter Fahrzeugbauer die Latte für Auslieferungen und Erlöse tiefer.

Chipmangel bremst Volks­wagen kräftig ab

ste Hamburg

Der Volkswagen-Konzern hat infolge der im dritten Quartal branchenweit verschärften Engpässe bei der Versorgung mit Halbleiterkomponenten und eines damit einhergehenden Rückgangs des operativen Gewinns vor Sondereinflüssen aus dem Dieselskandal um 12,1% auf 2,8 Mrd. Euro seine Ziele für die Fahrzeugauslieferungen und Erlöse im laufenden Jahr reduziert. Die nach dem Rekordergebnis im ersten Halbjahr um einen halben Prozentpunkt auf 6,0 bis 7,5% erhöhte Prognose für die operative Rendite ließ Europas größter Fahrzeugbauer allerdings unverändert. Nach den ersten neun Monaten stehen 7,6 (i.V. 1,5)% zu Buche – im dritten Quartal waren es 4,9 (5,4)%.

Wie die Wolfsburger anlässlich der Vorlage ihres Zahlenwerks zum dritten Quartal mitteilten, sollen die Auslieferungen 2021 nur noch das Vorjahresniveau von 9,3 Mill. Euro erreichen. Ende Juli hatte VW den Ausblick bereits revidiert und statt einer deutlichen (plus etwa 15%) eine spürbare (plus etwa 10%) Steigerung in Aussicht gestellt. Den Umsatz erwartet der Konzern in diesem Jahr inzwischen deutlich und nicht mehr signifikant über dem letztjährigen Wert. Im Coronakrisenjahr 2020 waren die Erlöse um 11,8% auf 222,9 Mrd. Euro gesunken, während der operative Gewinn vor Sondereinflüssen um 45% auf 10,6 Mrd. Euro nachgegeben hatte.

Auch den Ausblick für den um M&A-Transaktionen (z.B. Navistar) und Mittelabflüsse im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bereinigten Netto-Cash-flow im Konzernbereich Automobile justierte der Konzern infolge der Auswirkungen des Chipmangels im dritten Quartal neu und geht nun von rund 15 (i.V. 10) Mrd. Euro in diesem Jahr aus. Bei einem noch leicht positiven bereinigten Netto-Cash-flow von 33 Mill. Euro im dritten Quartal stehen für die ersten neun Monate 12,4 (4,5) Mrd. Euro zu Buche. Analysten meinten, die Zahlen des dritten Quartals, etwa des freien Cash-flows, seien besser ausgefallen als befürchtet. Verwiesen wurde aber auch auf die Herausforderung, gerade bei den Volumenmarken, die Fixkosten zu reduzieren. Die VW-Vorzüge sanken am Donnerstag um bis zu 4,8% auf 194,18 Euro.

Im Berichtsquartal verringerten sich infolge des Chipmangels zwar die Fahrzeugauslieferungen aller Automarken des Konzerns, doch lieferten die Volumenmarken VW Pkw, Skoda und Seat sowie die Kleinlastermarke VW Nutzfahrzeuge trotz gut gefüllter Auftragsbücher auch negative operative Ergebnisse ab. Die Resultate unterstrichen die Notwendigkeit für weitere Verbesserungen der Produktivität und der Fixkostenreduzierung in der Volumengruppe, um wettbewerbsfähig zu bleiben, erklärte Konzernchef Herbert Diess in einer Telefonkonferenz. Die Kernmarke VW Pkw etwa, auf die in den ersten neun Monaten mit 3,8 (i.V. 3,7) Millionen rund 55% der weltweit 6,95 Millionen ausgelieferten Konzernfahrzeuge (+6,9%) entfielen, rechnet nach einem von Produktionsunterbrechungen verursachten operativen Verlust von 184 Mill. Euro im dritten Quartal noch mit einer Umsatzrendite von bis zu 3% in diesem Jahr – nach bislang 3 bis 4%.

Der Chipmangel führte auch im dritten Quartal dazu, dass die Komponenten im Konzern margenorientiert vor allem an die mit deutlichen Gewinnsteigerungen aufwartenden Premium- und Sport- und Luxusmarken vergeben wurden. Die auf endgültige Fertigung wartenden Hoffahrzeuge belasteten vor allem die von hohen Volumina abhängigen und gegen Auslastungsschwankungen nicht ausreichend widerstandsfähigen Marken. Wie Konzern-Finanzchef Arno Antlitz mitteilte, wurden im dritten Quartal insgesamt 800000 Fahrzeuge weniger produziert als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Für die ersten neun Monate stehen wie im Vorjahr 6,1 Millionen gefertigte Fahrzeuge zu Buche – das sind 1,9 Millionen weniger als im Vorcoronakrisenjahr 2019. Man sehe, so Antlitz, Anzeichen für eine Stabilisierung in der Chipversorgung, was auf Verbesserungen der wesentlichen Konzernkennzahlen im vierten Quartal hoffen lasse.

Der CFO unterstrich Fortschritte auf dem Weg, die Fixkostenbasis bis 2023 um 5 % zu reduzieren. Nach einem Abbau um 4 Mrd. Euro verglichen mit 2019 sei man gut unterwegs, das Ziel zu erreichen. Pläne für eine Ausweitung gebe es derzeit nicht, die Vorgaben müssten aber 100-prozentig umgesetzt werden. Der Konzern sieht sich weiterhin in der Lage, den Wandel zum softwareorientierten Mobilitätsanbieter aus eigener Kraft zu stemmen. Er bereitet sich darauf vor, sein Stammwerk in Wolfsburg für den Wettbewerb mit dem im Bau befindlichen Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin fit zu machen. Für Produktivitätsverbesserungen zieht er Vorstandschef Diess zufolge auch einen Personalabbau in Betracht. Für den Plan zum Aufbau der geplanten Gigafabriken zur Batterieproduktion für Elektroautos sollen allerdings zusätzliche Investoren gewonnen werden. Über die Investitionen der diesjährigen Planungsrunde wird der Aufsichtsrat, wie am Donnerstag bekannt wurde, später als erwartet beschließen – am 9. De­zem­ber anstatt am 12. November.

Volkswagen
Konzernzahlen nach IFRS
9 Monate
in Mill. Euro20212020
Umsatz186599155486
Operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen       14157       2380
Umsatzrendite vor Sondereinflüssen (%)       7,6       1,5
Sondereinflüsse−203−687
Operatives Ergebnis139531693
Umsatzrendite (%)7,51,1
Ergebnis vor Steuern142322254
Ergebnis nach Steuern113571731
F&E-Quote 1 (%)7,58,1
Operativer Cash-flow2270313171
Sachinvest.quote1 (%)3,95,1
Netto Cash-flow172201418
Nettoliquidität12564224848
Mitarbeiterzahl (tsd.)674,8662,62
1) Konzernbereich Automobile; 2) zum 31.12.2020 Börsen-Zeitung
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