CO2-Ziele setzen Autokonzernen zu
Die Automobilindustrie erhält aus Brüssel deutlich verschärfte Grenzwerte für den CO2-Ausstoß. Die EU-Gesetzgeber einigten sich darauf, dass die Emissionen für Neuwagen bis 2030 im Schnitt um 37,5% sinken müssen. Die Autobranche übte heftige Kritik an den Vorgaben und hält diese für “völlig unrealistisch”.ahe Brüssel – Nach monatelangem Ringen haben sich das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten auf neue CO2-Ziele für die Automobilindustrie verständigt. Dem Kompromiss zufolge sollen Pkw-Hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotte bis 2030 um 37,5 % senken. Für leichte Nutzfahrzeuge werden 31 % verlangt. Bis 2025 soll sowohl bei Pkw als auch bei Transportern schon das verbindliche Zwischenziel einer Reduktion von 15 % im Vergleich zum Jahr 2021 erreicht werden.Die Ziele liegen deutlich über den ursprünglich diskutierten Grenzwerten. Die EU-Kommission hatte zunächst lediglich eine Senkung um 30 % vorgeschlagen. Das Europaparlament ging dagegen mit einer Forderung nach minus 40 % in die Verhandlungen. Die EU-Staaten hatten sich Anfang Oktober auf eine Senkung um durchschnittlich 35 % geeinigt. Deutschland wollte ursprünglich nur 30 % Minderung, trug den Beschluss aber mit.Nach Angaben des CDU-Europaabgeordneten Jens Gieseke, der zu den Verhandlungsführern zählte, gehört zum nun beschlossenen Regelwerk auch eine Überprüfung der Machbarkeit der Ziele im Jahr 2023. Man wisse heute noch nicht, wie sich der Automarkt bis dahin entwickele. Eine Elektromodelloffensive der Hersteller reiche nicht aus. Gleichzeitig müssten auch die Preise deutlich sinken.Nach Ansicht der Automobilindustrie ist eine Überprüfung auch mehr als gerechtfertigt. Der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) erklärte, eine CO2-Minderung von 37,5 % möge sich vielleicht plausibel anhören – aber gemessen am heutigen Stand sei das Ziel “völlig unrealistisch”. “Diese Ziele werden die europäische Autoindustrie extrem fordern. “Sie werden eine viel stärkere Markteinführung von Elektro- und anderen alternativ angetriebenen Fahrzeugen erfordern, als dies derzeit möglich ist”, warnte Generalsekretär Erik Jonnaert. VW reagiert schnellVom deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) kamen ähnliche Töne. Der in Brüssel gefundene Kompromiss setze scharfe Ziele und schafft zu wenig Impulse für neue Technologien, monierte VDA-Präsident Bernhard Mattes. “Diese Regulierung fordert zu viel und fördert zu wenig.” Niemand wisse heute, wie die beschlossenen Grenzwerte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden könnten. Zudem gebe es weltweit keine vergleichbar scharfen Grenzwerte. “Damit wird die europäische Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb stark belastet.”Der Freiburger Think-Tank Centrum für europäische Politik (Cep) bezeichnete die neuen Ziele schlicht als “Unfug”. Sie erzeugten hohe CO2-Vermeidungskosten und böten keine Gewähr dafür, dass sich die Emissionen im Straßenverkehr im gewünschten Ausmaß verringerten, erklärte Verkehrsexperte Martin Menner. Besser als strengere Grenzwerte sei ein Emissionshandel, der auch Kraftfahrzeuge einbeziehe. Volkswagen erklärte, die jetzt verabschiedete Verschärfung beim Flottenziel von 37,5 % werde im Konzern bis 2030 in Europa zu einem Anteil der E-Fahrzeuge von über 40 % am Gesamtabsatz führen. “Das heißt, unser beschlossenes Umbauprogramm, das für diesen Systemwechsel erforderlich ist, reicht noch nicht aus”, teilte Vorstandschef Herbert Diess mit.Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger, die das Paket mitverhandelt hatte, wies die Einwände ab. Die Ziele seien “ambitioniert, aber machbar”. Die Unternehmen hätten schließlich noch elf Jahre Zeit, um sie zu erreichen.In der Bundesregierung stieß der Kompromiss auf ein geteiltes Echo. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte in Berlin, der Beschluss sei ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Die EU-Standards würden dazu führen, “dass die Hersteller nicht nur in China, sondern auch bei uns in Elektromobilität und Zukunftsjobs investieren”. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich dagegen skeptisch und sprach von “sehr ambitionierten” Werten. “Wir waren von Anfang an für realistische Grenzwerte, die man auch erreichen kann.”