Kapitalmarktkommunikation

Coronakrise schickt Unternehmen auf den Sender

In Unternehmen herrscht oft Unsicherheit, welches Ereignis als Insiderinformation in den Markt gegeben werden muss. In der Coronakrise sind sie um hohe Transparenz bemüht.

Coronakrise schickt Unternehmen auf den Sender

swa Frankfurt

Die Coronakrise hat die Kapitalmarktkommunikation der Dax-Unternehmen erheblich beeinflusst. Die reguläre Finanzberichterstattung wurde durch die Auswirkungen der Pandemie erheblich erschwert, stellt die Kanzlei Glade Michel Wirtz in einer Analyse der Veröffentlichungen fest. Die Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen aus dem Kreis der Dax-30-Unternehmen sei 2020 auf 100 geklettert, nachdem diese Konzerne im Vorjahr 63 kursrelevante Meldungen verschickt hatten.

Geprägt war die Szenerie im ersten Halbjahr 2020 von Anpassungen der Prognose als Reaktion auf Corona. Nahezu jede zweite Ad-hoc-Mitteilung betraf die Rücknahme beziehungsweise Anpassung der Ergebnisvorhersage und/oder die Veröffentlichung von vorläufigen Geschäftsergebnissen. Die Marktaufsicht BaFin hatte einen Frage-Antwort-Katalog veröffentlicht, um die Ad-hoc-Relevanz von pandemiebedingten Einflüssen klarzustellen.

Die Unternehmen waren bemüht, in ihren Ad-hoc-Pflichten auf der sicheren Seite zu bleiben. Fast alle Dax-Unternehmen hätten im ersten Semester 2020 zu den voraussichtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie Stellung genommen, heißt es in der Analyse von Glade Michel Wirtz. Bekanntgegeben wurden Prognoseanpassungen, aber auch vorläufige Konzernzahlen, die pandemiebedingt die Erwartungen verfehlten. Einige Emittenten wiesen auch auf die Aussetzung oder Kürzung der Dividende hin.

Teilweise sei auch die Verschiebung der Hauptversammlung per Ad-hoc-Mitteilung verkündet worden – etwa von der Deutschen Telekom, wobei auf deren Agenda auch eine Umstrukturierungsmaßnahme gestanden habe, so dass das Aktionärstreffen von besonderer Relevanz war. Die überwiegende Anzahl der Dax-Konzerne habe die Verschiebung der Hauptversammlung dagegen mit einer Pressemitteilung bekannt gemacht – was im Einklang mit der BaFin-Verwaltungspraxis gestanden habe.

Deutlich weniger kursrelevante Informationen als im Vorjahr bezogen sich 2020 auf Übernahmen. Diese Entwicklung kann nach Einschätzung der Kanzlei nicht nur mit der Pandemie erklärt werden, habe sich der M&A-Markt doch im Verlauf des Jahres stabilisiert. Die rückläufige Zahl an Meldungen sei vielmehr darin begründet, dass Dax-Unternehmen im Turnus 2020 verhältnismäßig wenig große kursrelevante Transaktionen auf die Schiene gesetzt haben.

Ad-hoc gesendete Veröffentlichungen über personelle Veränderungen in den Unternehmen seien seit Jahren relativ konstant – in inhaltlicher Hinsicht und was die Häufigkeit betrifft. Üblicherweise werden Wechsel an der Vorstandsspitze als kursrelevant eingestuft. So teilte der Zulieferer Continental Ende Oktober über den Ad-hoc-Kanal mit, dass CEO Elmar Degenhart sein Amt niederlegt.

Einzelne Unternehmen stufen auch personelle Aufsichtsratsbeschlüsse als kursrelevant ein. So teilte MTU Aero Engines im Juni ad hoc mit, dass der damals 72-jährige Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Eber­hardt nach einer Entscheidung des Gremiums in der Rolle bleibt. Dafür wurde die Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder auf 75 Jahre heraufgesetzt. Zuvor hatte der Triebwerkshersteller allerdings im Januar 2020 bekanntgegeben, dass Eberhardt altersbedingt ausscheiden würde, als Nachfolger wurde Jürgen Geißinger gehandelt. Wegen der Coronakrise setzte MTU dann auf Kontinuität, so dass der seit 2008 amtierende Aufsichtsratschef bis zum Ablauf seines Mandats im Jahr 2023 weitermachen soll.

Im Ausblick auf 2021 weist die Kanzlei darauf hin, dass die speziellen Vorgaben der BaFin für die Pandemiezeit weiterhin in Kraft sind. Emittenten könnten ihre Ad-hoc-Praxis derzeit nicht nur am Emittentenleitfaden der Behörde ausrichten, sondern auch weiterhin an dem eigens für Corona erstellen Frage-Antwort-Katalog. Vor allem Restrukturierungen dürften in Zukunft Ad-hoc-Berichtspflichten auslösen.

Andreas Merkner, Partner von Glade Michel Wirtz, erinnert daran, dass die europäische Marktaufsicht ESMA vergangenen September ihren Abschlussbericht zur Marktmissbrauchsverordnung vorgelegt hat. Nun müsse man beobachten, wie die EU-Kommission darauf reagiert. Ausgehend von den Empfehlungen der ESMA sei nicht zu erwarten, „dass es zu wesentlichen Änderungen in den Bereichen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität kommen wird“, vermutet der Anwalt.

Neue Leitlinien für Banken

Gerade abgelaufen ist die Konsultationsfrist für neue Leitlinien der BaFin zu Ad-hoc-Publizitätspflichten für Banken und Finanzdienstleister, sofern diese Institute Adressaten aufsichtsrechtlicher Vorgaben und Maßnahmen sind. Dabei wird auch beleuchtet, inwieweit die Veröffentlichung von Insiderinformationen aufgeschoben werden kann, weil zum Beispiel eine News über temporäre Liquiditätsprobleme die finanzielle Stabilität des Emittenten oder des ganzen Finanzsystems untergraben würde.