Coronakrise trifft Textilindustrie in Europa hart

Euler Hermes erwartet starke Branchenbereinigung bis Ende 2021 - 158 000 Stellen gefährdet

Coronakrise trifft Textilindustrie in Europa hart

ste Hamburg – Die Folgen der Covid-19-Pandemie treffen die europäische Textil- und Bekleidungsindustrie hart. Die wohl beispiellose Unterbrechung des Handels, der Produktion und des Einzelhandels sowie die Rezession in der Eurozone werden im laufenden Jahr nach Einschätzung von Euler Hermes nicht nur den Branchenumsatz um voraussichtlich 19 % schrumpfen lassen. Der Kreditversicherer rechnet auch mit einer Bereinigung in der Industrie infolge der Coronakrise. 13 000 Unternehmen bedroht”Wir gehen davon aus, dass trotz der zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen etwa 13 000 Unternehmen in Europa bis Ende 2021 verschwinden und damit rund 158 000 Jobs in der europäischen Textilindustrie in Gefahr sein dürften”, sagte Ron van het Hof, Euler-Hermes-Chef in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bei der Vorlage einer Branchenanalyse. Die Pandemie wirke sich auch in der Herstellung aus, im textilen Einzelhandel habe sie mit Insolvenzen bereits im ersten Halbjahr ihren Tribut gefordert.Die erwartete Bereinigung würde laut Euler Hermes 6 % der Unternehmen in Europa und etwa 8 % der Gesamtbeschäftigung betreffen. Anfällig sieht der Kreditversicherer vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, deren Anteil am Gesamtumsatz der europäischen Textilindustrie doppelt so hoch sei wie der Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes. Euler-Hermes-Branchenexperte Aurélien Duthoit geht davon aus, dass sich der Umsatz der Branche im kommenden Jahr etwas erholen und um rund 15 % zulegen wird. Unter der Voraussetzung, dass eine zweite Pandemiewelle ausbleibe und die Wirtschaft weiter finanziell und monetär erheblich unterstützt werde, dürften die Erlöse das Vorkrisenniveau jedoch nicht vor 2023 erreichen. Hohe Einbußen in ItalienIn Deutschland rechnet der Kreditversicherer 2020 mit geringeren Umsatzeinbußen (- 12 %) in der Textilbranche als in anderen europäischen Ländern wie Italien (- 22 %) oder Frankreich (- 17 %), was unter anderem auf einen kürzeren und weniger strikten Lockdown sowie eine schnellere Wiedereröffnung textiler Einzelhandelsgeschäfte zurückgeführt wird. Auch spiele der höhere Anteil an industrieller Textilherstellung eine Rolle. Durch eine stärkere Diversifizierung und zahlreiche Nischenhersteller sei die Abhängigkeit vom textilen Einzelhandel in Deutschland etwas geringer.Die Coronakrise hat aber auch in der deutschen Textilbranche bereits deutliche Spuren hinterlassen. Im Juni stellte die Hamburger Tom Tailor Holding einen Insolvenzantrag. Während die Problemtochter Bonita ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung durchlaufen soll, wird die vom chinesischen Mehrheitsaktionär übernommene Konzernmarke Tom Tailor mit rund 3 400 Beschäftigten nach einer Bürgschaftszusage des Bundes sowie der Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen für eine zusätzliche Finanzierung über 100 Mill. Euro weitergeführt (vgl. BZ vom 10. Juni). Das Amtsgericht Hamburg eröffnete am 15. Juli das Insolvenzverfahren für die Holding, zum Insolvenzverwalter wurde Ecovis-Rechtsanwalt Nils Krause ernannt. Über den Fortgang des Verfahrens soll in einer Gläubigerversammlung am 10. September entschieden werden.