RECHT UND KAPITALMARKT

Countdown vor der PRIIP-Verordnung

Einheitliche Informationsverpflichtung für bestimmte Anlageprodukte erfordert umfangreiche Vorbereitung - Viele Unwägbarkeiten

Countdown vor der PRIIP-Verordnung

Von Michael Dröge und Sven Johannsen *)Zum 1. Januar 2018 tritt die PRIIP-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1286/2014) in Kraft. Ihr Ziel ist es, innerhalb der EU für bestimmte Anlageprodukte eine standardisierte und einheitliche Informationsverpflichtung zu schaffen. Hierbei sind umfangreiche regulatorische Vorgaben zu beachten.Die PRIIP-Verordnung – PRIIP steht für Packaged Retail and Insurance-Based Investment Products, also verpackte Anlageprodukte, die an Kleinanleger vertrieben werden und Versicherungsanlageprodukte – sieht unter anderem vor, dass mit ihrem Inkrafttreten alternative Investmentfonds (AIF) und bestimmte Anbieter von Vermögensanlagen für ihre Anlageprodukte ein Basisinformationsblatt (BIB) erstellen müssen. Oder anders formuliert: Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungsunternehmen, Banken und Anbieter von Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz haben noch rund drei Monate Zeit, die Anforderungen der PRIIP-Verordnung zu erfüllen bzw. ihre Betroffenheit zu analysieren.Eine Betroffenheitsanalyse ist insbesondere für die Anbieter von Vermögensanlagen erforderlich, da nur nach einer Einzelfallprüfung beantwortet werden kann, ob für sie die PRIIP-Verordnung greift oder nicht.Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, für welche Anlageprodukte überhaupt ein BIB erstellt werden muss. Als verpackt im Sinne der PRIIP-Verordnung gelten allgemein alle Anlageprodukte und -verträge, bei denen unabhängig von der Rechtsform der Anlage der dem Kleinanleger rückzuzahlende Betrag Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten oder von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte, die nicht direkt vom Kleinanleger erworben werden, unterliegt (Artikel 4 Nr. 1 PRIIP-Verordnung).Dazu gehören strukturierte Finanzprodukte wie Zertifikate, Derivate, kapitalbildende Lebensversicherungen und Investmentvermögen. Übergangsvorschriften bestehen für OGAW-Fonds (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) sowie bestimmte AIFs und deren Vertriebsbeauftragte (Artikel 32 Abs. 1 und 2 PRIIP-Verordnung). Sie müssen erst ab Ende 2019 BIB erstellen. Versicherungsverträge ohne Anlageelemente wie Risikolebensversicherungen oder Schaden- und Unfallversicherungen sowie Aktien sind hingegen von der PRIIP-Verordnung ausgenommen. Unklare RechtslageUnklar ist, ob die PRIIP-Verordnung auch für Altfonds gilt, die sich ab dem 1. Januar 2018 nicht mehr im Vertrieb befinden und sich daher nicht auf die einschlägigen Übergangsvorschriften berufen können. Bei diesen Anlageprodukten stellt sich die Frage, ob ein BIB für Zweitmarktgeschäfte erforderlich ist. Nach Erwägungsgrund 12 der PRIIP-Verordnung soll die Pflicht zur Erstellung bzw. Aktualisierung von BIB solange gelten, wie das Produkt am Zweitmarkt gehandelt wird. Es ist allerdings unklar, welche Form von Zweitmarktgeschäften hiervon erfasst sein soll. Nicht sachgerecht erscheint es, dass ein Produkthersteller ein BIB erstellen muss, wenn ohne seinen Beitrag ein Zweitmarktgeschäft zwischen Privatanlegern vorgenommen wird. Klarheit bezüglich der Betroffenheit von Altfonds durch die PRIIP-Verordnung soll ein Auslegungsschreiben der BaFin bringen, das zeitnah veröffentlicht werden soll.In Deutschland ist die BaFin dafür zuständig, die notwendigen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorschriften der PRIIP-Verordnung zu erlassen. Verstöße gegen die PRIIP-Verordnung kann die BaFin mit einer Vertriebsuntersagung ahnden, oder sie kann auf ihrer Internetseite den verantwortlichen Anbieter nennen und vor ihm warnen.Ausdrücklich geregelt sind die Veröffentlichungs- und Vorlagepflichten, die im Zusammenhang mit dem BIB gelten. Hierbei hat der PRIIP-Hersteller schon vor Angebot seines Anlageproduktes an den Privatanleger das BIB auf seiner Webseite zu veröffentlichen. Weiterhin sind Anlageberater und Anlagevermittler dazu verpflichtet, den Anlegern das BIB “rechtzeitig” vor der Anlageentscheidung vorzulegen. Bei der Frage “Welcher Zeitraum ist mit rechtzeitig vorzulegen gemeint?” sind die Kenntnisse und Erfahrungen des Kleinanlegers und die Komplexität des PRIIP zu berücksichtigen.Überhaupt lässt die PRIIP-Verordnung bei der inhaltlichen Gestaltung der BIB nur wenig Spielraum. Um die Produkte miteinander vergleichbar und die mit den Produkten verbundenen Kosten und Risiken transparent zu machen, gelten für Inhalt, Layout und Reihenfolge standardisierte Vorgaben, von denen nur in bestimmten Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Diese inhaltlichen Vorgaben hat die EU durch technische Regulierungsstandards festgelegt. Die Regulierungsstandards umfassen insbesondere mathematisch-technische und methodische Vorgaben zur Berechnung und Darstellung der Kernelemente der BIB. Hierzu zählt beispielsweise, dass ein Gesamtrisikoindikator dargestellt werden muss, der sich aus dem Markt- und Kreditrisiko des PRIIP zusammensetzt.Mit dem Gesamtrisikoindikator müssen sich vor allem die geschlossenen AIFs intensiv befassen. Die PRIIP-Verordnung ordnet nämlich allen PRIIP die Marktrisikoklasse 6 zu – insgesamt gibt es 7 – deren Preise nicht mindestens monatlich festgelegt werden oder die keine geeignete Benchmark oder geeigneten Stellvertreter haben. Das ist bei vielen geschlossenen AIFs der Fall. Anlageprodukte, bei denen der Anleger mehr als den Anlagebetrag verlieren kann, werden sogar der höchsten Risikoklasse 7 zugeordnet. Automatische EinstufungDa die Verordnung außerdem vorsieht, dass alle Produkte mit der Marktrisikoklasse 6 automatisch den Gesamtrisikoindikator 6 ausweisen müssen, droht vielen geschlossenen AIFs die automatische Einstufung in die Gesamtrisikoklasse 6. Diese Einstufung kann zum Beispiel vermieden werden, wenn anhand eines geeigneten und mit der BaFin abgestimmten Simulationsmodells ein Vergleichsportfolio abgebildet werden kann, das die erforderlichen Preisberechnungen für die Einordnung in eine andere Risikoklasse ermöglicht.In den Regulierungsstandards finden sich weiterhin Vorgaben für die Performance-Szenarien, die in die BIB aufgenommen werden müssen. PRIIP-Hersteller sind demnach verpflichtet, ein sogenanntes “Stressszenario” abzubilden, welches über das pessimistische Szenario hinaus erheblich ungünstige Auswirkungen auf das Anlageprodukt darstellen muss. Schließlich enthält der Anhang der Regulierungsstandards detaillierte Angaben zu den Einzelheiten der offenzulegenden Kosten. Dazu gehören alle einmaligen und laufenden, expliziten und impliziten Kosten – also zum Beispiel Transaktionskosten. Weitere Einzelheiten zur Erstellung der BIB hat der gemeinsame Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden in Form einer Q&A-Liste am 18. August 2017 veröffentlicht. Noch viel zu tunFakt ist: Bis die PRIIP-Verordnung in rund drei Monaten in Kraft tritt, gibt es noch viel zu tun. Doch auch nach ihrem Inkrafttreten wird die Erstellung der BIB PRIIP-Hersteller kontinuierlich beschäftigen. Und das nicht nur, weil es noch viele Unwägbarkeiten gibt. Sowohl die Verordnung als auch die technischen Regulierungsstandards schreiben eine laufende – mindestens aber jährliche – Überprüfung der Faktoren vor, die geeignet oder wahrscheinlich geeignet sind, die Informationen in den BIB zu beeinflussen. Hierbei ist zum Beispiel zu prüfen, ob sich die durchschnittliche Rendite für das mittlere Performance-Szenario des PRIIP, als annualisierte prozentuale Rendite ausgedrückt, um mehr als fünf Prozentpunkte verändert hat.Um den durch die PRIIP-Verordnung veranlassten organisatorischen Mehraufwand langfristig zu bewältigen und Sanktionsmaßnahmen und Haftungsfälle zu vermeiden, empfiehlt es sich für PRIIP-Hersteller, Unterstützung von unabhängigen Beratern und Experten einzuholen.—-*) Dr. Michael Dröge ist Partner, Sven Johannsen Senior Associate bei Heuking Kühn Lüer Wojtek.