Daimler verspricht schnellere Elektrifizierung
Von Sebastian Schmid, Frankfurt
Der Autohersteller Daimler geht nach dem starken Abschluss des Jahres 2020 und einer Fortsetzung des positiven Trends im ersten Quartal die Beschleunigung der Elektrifizierung seines Fahrzeugportfolios an. Trotz der Chip-Flaute sieht sich Daimler auch gut aufgestellt, die Jahresziele zu erreichen. In Bezug auf das vor zwei Jahren formulierte Ziel, bis 2039 eine CO2-neutrale Pkw-Neuwagenflotte zu haben, habe Daimler den Ehrgeiz, „dieses selbst gesteckte Ziel früher zu erreichen“, versprach CEO Ola Källenius den Aktionären in der virtuellen Hauptversammlung. Daimler habe bereits heute das breiteste Elektro-Angebot aller Hersteller – „vom Stadtauto zum Schwer-Lkw“.
Allerdings klaffen zwischen den genannten Extremen Lücken im Fahrzeug-Portfolio. Diese will Daimler zeitnah schließen. „Wir wollen die Elektrifizierung unseres Angebots beschleunigen“, kündigte Källenius an. Auf den unlängst in den Markt eingeführten Kompakt-SUV EQA, der auf einer Verbrennerplattform basiert, sollen der ebenfalls verbrennerbasierte EQB sowie die auf Daimlers erster reiner Elektroplattform konstruierten Limousinen EQS und EQE noch in diesem Jahr folgen.
Schweigen zum EQC
Neue Ziele zu den Anteilen elektrifizierter Modelle – wie von Audi und BMW unlängst formuliert – nannte Källenius allerdings nicht. Eine Indikation, dass die Elektrifizierung kein Selbstläufer wird, gab der Schwede allerdings auch. So erwähnte er in der Auflistung der elektrifizierten Fahrzeuge gegenüber den Aktionären das Debüt-Auto EQC nicht. Der US-Start für das mittelgroße SUV auf Verbrennerbasis war von Mercedes zunächst ein Jahr geschoben und dann „vorerst“ komplett gestrichen worden. Im Vergleich zu neueren Modellen, wie dem hauseigenen EQS, der auf einer rein batterieelektrischen Plattform basiert, kann er etwa in Bezug auf Reichweite, Ladegeschwindigkeit oder Platzangebot nicht mithalten. Mercedes plant allerdings mit zwei neuen SUVs auf der gleichen Plattform wie EQS und EQE, hat aber noch keine Details vorgestellt.
Aktionärsvertreter sehen das Daimler-Management, das in den vergangenen Jahren viel Kritik hören musste, auf dem richtigen Weg. „Endlich einmal blicken die Aktionäre auf ein erfreuliches Jahr zurück“, lobte Ingo Speich von Deka Investment. „Die Ära Zetsche ist Geschichte, Daimlers chronisches Effizienzproblem wird jetzt endlich angepackt“, versetzte Janine Werning von Union Investment dem Vorgänger von Källenius noch einen Seitenhieb. Mit dem Aufsichtsrat zeigte sich Speich unzufrieden. „Dort ist die Chance auf einen Generationenwechsel und einen Neuanfang leider vertan worden“, sagte er mit Blick auf die Ablösung des Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Bischoff durch Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder. Speich und Corporate-Governance-Experte Christian Strenger sprachen zudem Aufsichtsrat Clemens Börsig, der Prüf- und Rechtsausschuss vorsitzt, die nötige Unabhängigkeit schon vor der virtuellen HV ab und kündigten an, gegen die Entlastung des Aufsichtsrats zu votieren.
Der scheidende Aufsichtsratschef Bischoff übte in der letzten Hauptversammlung unter seiner Leitung auch ein wenig Selbstkritik. Zwar sei es gelungen, Daimler im Boom nicht nur zum profitabelsten, sondern auch zum größten Premiumhersteller weltweit zu machen. Allerdings habe der Konzern auf die Abschwächung des Automarktes, die sich 2018 andeutete, im Rückblick zu langsam reagiert. „Mit dem Kenntnisstand von heute hätten wir sicher einiges anders gemacht.“ Den Fokus nicht nur auf Umsatz und Absatz zu konzentrieren, sondern stärker auch auf Ergebnis und Cash-flow sei heute richtig, „weil es das Unternehmen weniger angreifbar macht“.
Unterschiedliche Kritikpunkte mit Blick auf die Anhebung der Dividende um 50% auf 1,35 Euro je Aktie wiesen der Aufsichtsratsvorsitzende und CFO Harald Wilhelm zurück. „Dividende und Investitionen in die Zukunft widersprechen sich nicht“, sagte Wilhelm auf die Frage, ob der Konzern, statt Dividende zu zahlen, nicht besser mehr investieren sollte. Bischoff verteidigte die höhere Ausschüttung trotz Kurzarbeitergeld für Daimler-Angestellte in Höhe von 700 Mill. Euro. Das Kurzarbeitergeld sei keine staatliche Hilfe, sondern eine Versicherungsleistung.
Viel Kritik hatte es vor dem Aktionärstreffen auch zur Anhebung der Bezüge im Ausschuss für Rechtsangelegenheiten gegeben. Die Aufgaben und der Arbeitsaufwand im Rechtsausschuss seien deutlich gestiegen, verteidigte Bischoff die Verdopplung. Der Corporate Governance Kodex sehe überdies vor, die Vergütung bei steigendem Aufwand anzupassen. Die Anhebung basiere nicht auf der Erwartung neuer künftiger Rechtsstreitigkeiten, versicherte der Aufsichtsratsvorsitzende. Strenger und Werning votierten gegen die Vergütungsanpassung, waren damit aber klar in der Minderheit. Praktisch alle Tagesordnungspunkte fanden bei einer Präsenz von 57,1% des Kapitals Zustimmungsquoten von mehr als 95%.