De-Spac als Alternative zum Börsengang
In den vergangenen Monaten hat sich auch in Deutschland für Wachstums- und Technologieunternehmen, die einen Zugang zum Kapitalmarkt suchen, eine in den USA seit vielen Jahren gängige Alternative zum traditionellen Börsengang eröffnet: der sogenannte De-Spac. Dabei geht es im Wesentlichen um den Erwerb des den Börsengang anstrebenden Unternehmens durch eine bereits börsennotierte Mantelgesellschaft (sog. Special Purpose Acquisition Company, oder Spac) ohne operative Geschäftstätigkeit, deren Emissionserlös treuhänderisch verwahrt wird, um zu einem späteren Zeitpunkt als Liquidität für den Erwerb einer geeigneten Zielgesellschaft zur Verfügung zu stehen.
Der Erwerb der Zielgesellschaft durch einen Spac wird als De-Spac-Transaktion bezeichnet, da durch diesen Vorgang der Spac zu einem operativ tätigen Unternehmen wird und die Zielgesellschaft nach Durchführung der Akquisition börsennotiert ist, ohne dass diese einen traditionellen IPO-Prozess durchlaufen musste.
Zusätzlich zu der Akquisition der Zielgesellschaft findet zeitgleich eine Privatplatzierung von neuen Aktien an institutionelle Investoren zur Validierung der Bewertung und Sicherung zusätzlicher Investorennachfrage bei Durchführung der Transaktion statt, was De-Spac-Transaktionen besonders komplex und in der Regel auch kostspieliger als traditionelle Börsengänge macht.
De-Spac-Transaktionen eignen sich besonders für Wachstums- und Technologieunternehmen, die nach Durchführung des Zusammenschlusses die Verwendung der im Spac vorhandenen liquiden Mittel für Wachstum und/oder Konsolidierungen auf Basis einer belastbaren strategischen Ausrichtung gewährleisten können.
Vor dem Hintergrund der zeitlichen Begrenzung des ‚Lebenszyklus‘ eines typischen US-Spac auf 24 Monate, beginnen dessen Sponsoren in der Regel bereits unmittelbar nach dem Spac-IPO mit der Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten.
Sobald der Spac eine geeignete Zielgesellschaft identifiziert und eine vorläufige Unternehmensprüfung (Due Diligence) durchgeführt hat, wird zunächst ein Vorvertrag (Letter of Intent) abgeschlossen und eine gegenseitige Exklusivität vereinbart. Bei der Auswahl eines Spac durch die einen Börsengang anstrebende Zielgesellschaft muss insbesondere die geeignete Größe des Spac (d.h. die im Spac vorhandenen Emissionserlöse) erwogen und mit dem Business Plan der Zielgesellschaft abgeglichen werden, da dies eine Auswirkung auf die Beteiligungsverhältnisse nach der De-Spac-Transaktion hat und – um eine adäquate Bewertung der Zielgesellschaft zu erreichen – auch eine glaubwürdige und wertsteigernde Mittelverwendung nach der De-Spac-Transaktion sichergestellt sein muss.
Nach Unterzeichnung des Letter of Intent wird seitens des Spac eine vertiefte Unternehmensprüfung durchgeführt, und es beginnen die detaillierten Verhandlungen über die Bedingungen des Vertrags über den Unternehmenszusammenschluss (Business Combination Agreement, BCA). Wirtschaftlich geht es dabei im Kern um die Einigung auf die Bewertung des Zielunternehmens und die sich daraus ergebenden Beteiligungs- und Finanzierungsstrukturen des dann mit dem Spac zusammengeführten Unternehmens.
Europäische Zielgesellschaften müssen vor allen Dingen die steuerrechtlichen Konsequenzen der De-Spac-Transaktionsstruktur – in der Regel entweder Einbringung in, Verschmelzung mit oder Erwerb der Zielgesellschaft durch den Spac – sowie deren gesellschaftsrechtliche Umsetzbarkeit frühzeitig prüfen.
Parallel zu den Vertragsverhandlungen mit dem Zielunternehmen über ein BCA wirbt der Spac zusätzliche Gelder von institutionellen Investoren ein (sog. Private Investments in Public Equity oder Pipe), um die Vorstellungen der Vertragsparteien über die Unternehmensbewertung der Zielgesellschaft zu validieren und durch den Abschluss von Zeichnungsvereinbarungen (Subscription Agreements) eine stabile Aktionärsbasis nach der De-Spac-Transaktion auch für den Fall sicherzustellen, dass einige der anfänglichen Spac-Investoren von ihren Rückverkaufsrechten (sog. Redemption Rights) Gebrauch machen.
Sobald die Bedingungen des Unternehmenszusammenschlusses ausverhandelt und Pipe-Investoren vertraglich gebunden wurden, wird die De-Spac Transaktion öffentlich angekündigt. In dieser zeitlichen Abfolge liegt einer der Vorteile einer De-Spac-Transaktion im Vergleich zu einem traditionellen Börsengang. Während bei Letzterem die Investorensuche letztendlich und rechtsverbindlich erst nach Bekanntgabe des Börsengangs (sog. Intention to Float, oder ITF) durch ein öffentlich bekanntgegebenes Bookbuilding Verfahren stattfindet, werden die Pipe-Investoren vor der öffentlichen Bekanntgabe der De-Spac-Transaktion angesprochen und vertraglich gebunden. Scheitert also die De-Spac-Transaktion an mangelnder Nachfrage der Pipe-Investoren zu der zwischen den Spac-Sponsoren und der Zielgesellschaft gewünschten Bewertung, dann erfolgt dies noch in einem vertraulichen Stadium der Transaktion.
Im Anschluss an Vertragsunterzeichnung und Veröffentlichung der De-Spac Transaktion liegt der Schwerpunkt der Arbeiten auf der Erstellung einer einem Wertpapierprospekt nicht unähnlichen Angebotsunterlage (Proxy Statement oder anderes Registrierungsdokument, abhängig von der Strukturierung der De-Spac-Transaktion als Einbringung, Verschmelzung oder Übernahme), das in der Regel in einem etwa zwei- bis dreimonatigen Verfahren von der US-Wertpapieraufsicht SEC geprüft wird. Auf der Grundlage dieser Angebotsunterlage müssen die Spac-Aktionäre dem Unternehmenszusammenschluss in einer Hauptversammlung zustimmen.
Höhere Kosten
Nach Zustimmung durch die Spac-Aktionäre wird die De-Spac-Transaktion vollzogen, das heißt, der Spac erwirbt die Anteile an der Zielgesellschaft oder wird mit dieser verschmolzen. Je nach Herkunft der Zielgesellschaft kann es auch zu einer Sitzverlegung bzw. zu einem Umzug der Gesellschaft in eine – z.B. aus steuerlicher Sicht – für die Zielgesellschaft vorteilhaftere Jurisdiktion kommen. In den meisten Fällen ist das Zielunternehmen nach Durchführung der De-Spac-Transaktion und Zusammenführung mit dem Spac eine US-börsennotierte Gesellschaft, die vom Management der Zielgesellschaft zusammen mit Mitgliedern des zumeist erfahrenen Managements des Spac (häufig Vertreter von dessen Sponsoren) geführt wird. Der Zeitplan für die Durchführung einer De-Spac-Transaktion ist grundsätzlich mit dem eines Börsengangs vergleichbar und erfordert eine intensive Vorbereitungszeit von mindestens vier bis sechs Monaten. Die Kosten liegen wegen der erhöhten Komplexität der Transaktion teilweise deutlich über den Kosten eines traditionellen Börsengangs.
Spac- und De-Spac-Transaktionen sind im Jahr 2021 zu einer ernstzunehmenden Alternative für Wachstums- und Technologieunternehmen geworden, die den Kapitalmarkt beschreiten und dies nicht auf Basis eines traditionellen Börsengangs tun wollen. Ob eine deutsche Zielgesellschaft für eine De-Spac-Transaktion geeignet ist und ob der De-Spac-Prozess einen besseren und schnelleren Weg an den Kapitalmarkt ermöglicht, als dies durch einen traditionellen Börsengang der Fall wäre, muss im Einzelfall durch Abwägung aller Vor- und Nachteile sehr genau geprüft werden.
US-amerikanische Spielregeln
Wie bei vielen innovativen Kapitalmarktentwicklungen in der Vergangenheit orientiert sich auch bei Spac- und De-Spac-Transaktionen die Marktpraxis weitgehend an US-rechtlichen Strukturen sowie Gepflogenheiten des US-amerikanischen Kapitalmarkts, was auch eine Folge der großen Nachfrage US-amerikanischer institutioneller Investoren nach diesen Produkten ist. Und deutsche Unternehmen werden gut beraten sein, sich von vornherein damit abzufinden, dass für eine erfolgreiche De-Spac Transaktion im Wesentlichen US-amerikanische Spielregeln gelten.