Deal zum Atommüll nahezu perfekt

Die vier großen Energiekonzerne sollen schon Ende 2016 für die Entsorgung 26,4 Mrd. Euro in bar an eine öffentliche Stiftung zahlen

Deal zum Atommüll nahezu perfekt

Heerscharen von Ministerialbeamten, Konzernjuristen, Buchhaltern und Ingenieuren feilschen um die Details der milliardenschweren Atommüll-Finanzierung. Jetzt ist der Deal fast perfekt: Eon, RWE, EnBW und Vattenfall zahlen 26,4 Mrd. Euro.cru Frankfurt – Der Deal zwischen der Bundesregierung und den Energiekonzernen zur Atommüll-Finanzierung steht kurz vor dem Abschluss. Ende September soll ein Referentenentwurf für das Atomgesetz ins Kabinett gehen und noch vor Jahresende Gesetzeskraft erlangen. Der grundsätzlichen Einigung zufolge müssen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall schon Ende 2016 insgesamt 26,4 Mrd. Euro in bar an eine öffentlich-rechtliche Stiftung übertragen.Diese übernimmt im Gegenzug von den Konzernen die Verantwortung für die Durchführung und Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls. Das hat die Börsen-Zeitung aus Kreisen der Atomkommission KFK erfahren, die von Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) geleitet wird. Deren Ende Mai vorgelegter Bericht ist die Grundlage für die Pläne der Bundesregierung.Die Summe von 26,4 Mrd. Euro basiert auf den Preisen des Jahres 2016. “Der Betrag soll unmittelbar nach Verabschiedung des Atomgesetzes zum Jahresende an eine in den kommenden Wochen noch zu gründende öffentlich-rechtliche Stiftung überwiesen werden”, sagte ein Kommissionsmitglied. Die Summe setzt sich zusammen aus den Rückstellungen, die die Konzerne für die Entsorgung des Atommülls schon gebildet haben – zuzüglich eines Risikoaufschlags für Kostensteigerungsrisiken.Im Jahr 2014 lagen die Rückstellungen der Energiekonzerne für die Zwischen- und Endlagerung bei 17,9 Mrd. Euro. Dieser Betrag muss für 2015 und 2016 mit einem Zinssatz von 4,58 % verzinst werden. Dieser setzt sich zusammen aus nuklearen Kostensteigerungen (1,97 %) sowie Inflation (1,6 %) und Realverzinsung (1 %). Daraus ergeben sich Rückstellungen von 19,6 Mrd. Euro. Oben drauf kommt der von der Kommission festgelegte und von den Konzernen akzeptierte Risikoaufschlag von 35 %. Das entspricht 6,8 Mrd. Euro. Unter dem Strich steht die Summe von 26,4 Mrd. Euro. Der Satz von 4,58 % war auch zur Diskontierung der bis zum Jahr 2099 insgesamt voraussichtlich anfallenden Atommüllkosten von rund 170 Mrd. Euro angewendet worden. “In geldlicher Form”Die Kommission hat vorgeschlagen, gesetzlich festzulegen, dass die Mittel dem Staat “in geldlicher Form”, sprich: in bar, zugeführt werden. Das soll in einem “Gesetz zur Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung zur Sicherstellung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs” geregelt werden. Eckpunkte sind die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts und die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds bei dieser Stiftung. Eine Satzung für die Stiftung ist derzeit noch in Arbeit.Im Gegenzug für die Enthaftung von der Zwischen- und Endlagerung sollen die Konzerne nicht nur die 26,4 Mrd. Euro zahlen. Darüber hinaus wird von ihnen verlangt, dass sie alle Klagen fallen lassen, die im Zusammenhang mit der Endlagerung des Atommülls stehen. Darauf dringt dem Vernehmen nach vor allem das Bundesfinanzministerium. So solle das finanzielle Risiko der Bundesregierung begrenzt werden, heißt es.Ein weiterer wichtiger Punkt, der noch geklärt werden muss, ist die Frage, wie die Summe von 26,4 Mrd. Euro genau auf Eon, RWE, EnBW und Vattenfall verteilt wird. Eon-Finanzchef Michael Sen hatte kürzlich vorab öffentlich angekündigt, der Konzern werde Rückstellungen von 8 Mrd. Euro sowie einen Risikoaufschlag von 2 Mrd. Euro überweisen, der über eine Kapitalerhöhung finanziert werde. Der von Eon genannte Risikoaufschlag entspricht aber nur 25 % – mit der Begründung, der Konzern habe seine Rückstellungen mit einem “konservativeren Abdiskontierungssatz” gebildet. Das Problem: Entsprechend mehr müssten nun die Wettbewerber zahlen, die darüber nicht erfreut sind.Besonders RWE ringt noch um die genauen Zahlungsmodalitäten. Der Essener Konzern will die von der Atomkommission eingeräumte Option nutzen, in Raten zu zahlen, um so seine auf der Kippe stehende Bonitätsnote am Kapitalmarkt nicht zu gefährden. Das würde nach den geltenden Regeln aber nach sich ziehen, dass RWE weiter anteilig für den Atommüll haftet, solange die Gesamtsumme nicht überwiesen ist. Außerdem müsste das noch ausstehende Geld mit jährlich 4,6 % verzinst werden. Angesichts der Niedrigzinsen am Kreditmarkt erscheint die Stundung damit zu teuer erkauft. RWE versucht deshalb, einen niedrigeren Zins auszuhandeln.Offen ist auch, in welcher Verpackung der Atommüll zur Zwischenlagerung abgeliefert werden muss. Angeblich fehlen klare Vorgaben. Doch die Atomkommission sieht das anders: “Die Genehmigungsbescheide für Schacht Konrad, in dem schon radioaktiver Müll eingelagert wird, enthalten klare Vorgaben für die Verpackung”, sagt ein Kommissionsmitglied.