Der Aufsichtsrat als Aschenputtel

Während Managersaläre nach oben streben, bleiben Kontrolleure in Festvergütung stecken

Der Aufsichtsrat als Aschenputtel

Mit dem Trend zur reinen Festvergütung schneiden sich Aufsichtsräte nach Einschätzung von Beratern ins eigene Fleisch. Die Schere zu den Entlohnungen der Vorstände geht auf, obwohl auch die Arbeit der Unternehmenskontrolleure immer anspruchsvoller wird.swa Frankfurt – Das wechselnde Rollenverständnis von Aufsichtsräten spiegelt sich noch nicht in der Entlohnung der Gremien. “Die Vergütungen sind im Durchschnitt nicht angemessen, vor allem im unteren Feld”, unterstreicht Joachim Kayser, Senior Partner der Unternehmensberatung HKP. Die in den zurückliegenden Jahren zu beobachtende “zaghafte Annäherung” von Aufsichtsrats- und Vorstandsvergütung sei gestoppt worden. Das hält Kayser für problematisch, weil die Bezahlung der Aufgabe der Unternehmenskontrolleure damit nicht gerecht werde. Frage der Wertschätzung”Um auf Augenhöhe zu diskutieren, müsste man auch auf Augenhöhe vergüten”, meint der Berater. Das sei auch ein Kriterium, ob man sich gegenseitig ernst nehme. Nachdem die Mehrheit der Dax-Konzerne in den vergangenen Jahren auf reine Festvergütung für den Aufsichtsrat umgestellt hat, stagnieren vielerorts die Bezüge. Immerhin wurden gleichzeitig Ausschusstätigkeiten stärker belohnt.Kayser orientiert sich in seiner Beurteilung an üblichen Stundensätzen vergleichbarer Tätigkeiten. Mit dem 2015 im Dax-Durchschnitt an einen Aufsichtsratschef gezahlten Salär von 356 000 Euro (ohne VW) komme man bei 100 Arbeitstagen im Jahr auf einen Tagessatz von 3 500 Euro und liege deutlich unter Anwälten oder Wirtschaftsprüfern, die von 6000 Euro an aufwärts berechnen. In diesen Höhen bewegen sich in dieser Kalkulation nur die Top-Verdiener im Dax, wie Paul Achleitner bei der Deutschen Bank (808 333 Euro) oder Gerhard Cromme bei Siemens (608 000). Dagegen sind die Kontrolleure am unteren Ende der Gehaltsskala die Aschenputtel. Sie bewegen sich mit Tagessätzen von 1 500 bis 1 800 Euro auf dem Niveau von Führungskräftetrainern, so Kayser.Vorstände sind von solchen Tagessätzen Lichtjahre entfernt. Legt man das durchschnittliche Einkommen der Unternehmenslenker von rund 5 Mill. Euro im Dax zugrunde und unterstellt 365 Arbeitstage, ergibt sich ein Tagessatz von mehr als 13 000 Euro. Dabei, so Kayser, bräuchten viele Aufsichtsratschefs mehr Wissen und Erfahrung als Vorstände. Der Aufstellung von HKP zufolge liegt der Abstand zwischen den durchschnittlichen Bezügen eines Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden beim dem rund 14-Fachen.Nachdem zuletzt auch Infineon, Commerzbank und Fresenius Medical Care auf reine Festvergütung ihrer Aufsichtsräte umstellen wollen, gehören nun 19 Dax-Werte zu dieser Gruppe. BASF, Fresenius und Volkswagen haben zusätzlich zum Fixum eine einjährige variable Vergütung, die bei Fresenius und VW von der Dividende abhängig ist.Mit der reinen Festvergütung wird die Entlohnung zwar krisenfest, aber sie atmet auch weniger mit dem wirtschaftlichen Erfolg, moniert Kayser. Bei gleichzeitiger Tendenz zu höheren variablen Bezahlungen bei Vorständen werde die Schere weiter aufgehen. Da die wesentlichen Dinge in einem Unternehmen nicht ohne Zustimmung des Aufsichtsrats passierten, sollten die Gremienmitglieder aus Sicht des HKP-Experten auch am Ergebnis beteiligt sein.Leicht fortgesetzt hat sich der Trend zu Aktien als Vergütungsbestandteil – was international breit etabliert ist. Auf diesen Zug aufgesprungen sind Linde, RWE und Bayer, wo Aufsichtsräte jährlich einen Teil ihres Einkommens in Aktien des Unternehmens anlegen und diese bis zum Ausscheiden halten müssen.