Der kleine Unterschied

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 13.3.2018 Wenn festgestellt werden soll, wie es um die Gleichberechtigung von Frauen in der Wirtschaft steht, wird gerne auf den Frauenanteil in Vorständen und Führungsgremien verwiesen. Viel interessanter...

Der kleine Unterschied

Von Andreas Hippin, LondonWenn festgestellt werden soll, wie es um die Gleichberechtigung von Frauen in der Wirtschaft steht, wird gerne auf den Frauenanteil in Vorständen und Führungsgremien verwiesen. Viel interessanter als die Zahl der hyperqualifizierten Akademikerinnen in den Boards von Bergwerksbetreibern und Maschinenbaufirmen ist jedoch der sogenannte Gender Pay Gap, der den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von angestellten Männern und Frauen beschreibt. Anders als die vielzitierte “Glass Ceiling”, die angeblich den Aufstieg von Frauen nach ganz oben begrenzt, ist dieser kleine Unterschied auch für die Facility-Managerin ohne britischen Pass spürbar. Bis zum 4. April müssen britische Firmen mit 250 oder mehr Beschäftigten diesen Abstand berechnen und auf einer Website der Regierung veröffentlichen. Der öffentliche Sektor muss seine Daten schon Ende März abgegeben haben. Der Andrang hält sich in Grenzen. Vor einem Jahr lag der vom Statistikamt festgestellte Gender Pay Gap bei 18,4 %. Zwanzig Jahre davor waren es noch 27,5 %. Betrachtet man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte, reduziert sich der Abstand auf 9,1 %. Wichtig ist, dass es dabei nicht um gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht, denn der ist in Großbritannien seit 47 Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Der Gender Pay Gap zeigt vielmehr, in welchem Maße Führungsrollen Männern vorbehalten sind und Frauen in schlechter bezahlte, weniger qualifizierte Tätigkeiten abgedrängt werden. Viele Frauen nehmen eine Auszeit, weil sie sich um die Kindererziehung oder die Pflege kranker oder alter Familienangehöriger kümmern müssen. Bei der Rückkehr in die Erwerbstätigkeit fehlt ihnen dadurch Erfahrung im Berufsleben, was den Aufstieg in höhere Gehaltssphären erschwert. Nicky Morgan, die Vorsitzende des Finanzausschusses im Unterhaus, warf Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfern vor, ein Schlupfloch zu nutzen, um das Ausmaß des Gender Pay Gap in ihren Firmen zu verschleiern. “Sie halten sich anscheinend an die Buchstaben des Gesetzes, aber nicht an dessen Geist”, sagte Morgan in einem Bloomberg-Interview. Die hoch bezahlten Partner wurden bei der Ermittlung des Gender Pay Gap einfach nicht berücksichtigt, denn schließlich erhalten sie als Eigentümer der Firma kein Gehalt, sondern einen Teil des Gewinns. Und so ergaben sich für die “Big 4” vergleichsweise niedrige Werte. KPMG kam auf 22,3 %, EY auf 19,7 % und Deloitte auf 18,2 %. Bei PwC belief sich der Abstand gar nur auf 13,2 %. Mittlerweile haben einige Prüfer Zahlen herausgegeben, in denen die Bezüge der Partner enthalten sind. Bei EY weitete sich das Gender Pay Gap dadurch auf 38,1 % aus, bei Deloitte auf 43,2 %. Wundern kann man sich über die teils erheblichen Abstände nur, wenn man jeden Bezug zum Berufsalltag der übergroßen Mehrheit der Frauen verloren hat, der sich weder über den Wolken noch in der Welt der Zigarren und Golfschläger abspielt: Im Investment Banking von Barclays liegt der Gender Pay Gap bei 48 %, beim Billigflieger Easyjet bei 51,7 %. —-Der Gender Pay Gap sagt mehr als die Zahl der Frauen im Board. Deshalb wird getrickst.—-