IM BLICKFELD

Der schwierige Schulterschluss auf kleinem Terrain

Von Heidi Rohde, Frankfurt Börsen-Zeitung, 25.9.2012 Keine Branche in Europa ist so reich an Milliardengräbern wie die Telekommunikation. Das liegt nicht nur am teuren Kaufrausch um die Jahrtausendwende, als die Unternehmen sich durch zahlreiche...

Der schwierige Schulterschluss auf kleinem Terrain

Von Heidi Rohde, Frankfurt Keine Branche in Europa ist so reich an Milliardengräbern wie die Telekommunikation. Das liegt nicht nur am teuren Kaufrausch um die Jahrtausendwende, als die Unternehmen sich durch zahlreiche Akquisitionen in Europa ausbreiteten, ohne dass sie die horrenden Investitionen je wieder hätten hereinholen können. Neugründungen von Töchtern oder Beteiligungen erwiesen sich meist als ebenso wenig rentabel. Das gilt insbesondere für kleine Märkte wie Österreich, Schweiz und die Niederlande. Dort tummelten sich mitunter fünf Netzbetreiber, die etwa in den beiden Alpenländern um jeweils rund 8 Millionen Einwohner buhlten. In Deutschland versorgen vier Netzbetreiber 80 Millionen. Bizarre KombinationZwar muss in den Flächenstaaten naturgemäß ein weitaus größeres Netz gespannt werden, jedoch sind die relativen Kosten für den Bau und Betrieb insbesondere von Mobilfunknetzen nirgendwo so hoch wie in den alpinen Regionen. Österreich kombiniert in diesem Fall auf bizarre Weise die höchsten Infrastrukturaufwendungen mit den niedrigsten Mobilfunktarifen. Nachdem 2005 die Deutsche Telekom in einem ersten Konsolidierungsschritt den Wettbewerber Telering übernommen hat, konkurrieren noch vier Netzbetreiber. Nun sucht France Télécom für ihre dortige Tochter Orange Anschluss an die Hutchison-Division 3 Austria. Denn beide Konzerne können angesichts der Umsatz- und Ertragslage weitere Investitionen in den Markt – also in die Infrastruktur – nicht mehr rechtfertigen. Lausige RenditenFrance Télécom weist die Ergebnisse für die österreichische Tochter nicht getrennt aus, jedoch lehrt ein Blick auf das Zahlenwerk der Telekom, die dort nach der Telekom Austria die fast gleichstarke Nummer 2 im Markt ist, dass die Ertragslage in Österreich unbefriedigend ist. T-Mobile Austria erzielte im ersten Halbjahr aus Umsätzen von 444 Mill. Euro operativ vor Abschreibungen ein Ergebnis (Ebitda) von 113 Mill. Euro, entsprechend einer Marge von 25,3 %. Im Quartalsvergleich klappte die Rendite gegenüber Vorjahr von 30 % auf 24,4 % zusammen. Als Faustformel in der Branche gilt, dass damit die Kapitalkosten nicht verdient werden können. Vom Ebitda gingen noch 43 Mill. Euro nur für Investitionen ab, hinzu kommen Zinsen und Steuern.Der angepeilte Schulterschluss zwischen Orange Austria und der Hutchison-Tochter hängt seit Juli in der Warteschleife der EU-Wettbewerbshüter, die den 1,3 Mrd. Euro schweren Deal einer eingehenden Prüfung unterziehen. Inzwischen hat der zuständige Kommissar Joaquín Almunia angedeutet, dass die EU die von Hutchison gemachten Zugeständnisse als nicht ausreichend ansieht. Der Deal steht vor dem Aus. Die Kartellwächter fürchten, dass bei einer Reduzierung von vier auf drei Netzbetreiber in Österreich die Preise für die Konsumenten steigen könnten. Bereits die Übernahme von Telering war seinerzeit ein zähes Ringen zwischen Deutscher Telekom und EU über eineinhalb Jahre. Am Ende waren die Auflagen zur Abgabe von Assets so hoch, dass Analysten den Wert der verbleibenden Transaktion zu Recht anzweifelten. 2010 hat die Kommission den versuchten Zusammenschluss von Sunrise, der Nummer 3 in der Schweiz, mit Orange CH untersagt. TDC verkaufte Sunrise daraufhin im selben Jahr an CVC, France Télécom gelang der Exit mit dem Verkauf ihrer Tochter an Apax. Die Marktkonsolidierung blieb aus, und die Wertsteigerung der Assets bleibt der Fantasie von Private Equity überlassen. Preise unter DruckDabei hat sich die Sorge der EU um steigende Preise für die Kunden in der Telekommunikationsbranche bisher als reichlich unbegründet erwiesen, auch in jenen Märkten, wo wie in Holland oder Großbritannien eine Konsolidierung stattgefunden hat. Brüssel selbst bzw. die Regulierungsbehörden haben durch administrative Preissenkungen – für Gesprächsterminierung oder Roaming – bereits das ihrige getan, um die Preise für Mobilfunkleistungen zu drücken.Überdies sorgen Mobilfunk-Service-Provider (mit geringem Kapitalbedarf) sowie teilweise auch Newcomer (wie Free in Frankreich) im Markt und vor allem die Dienste von Drittanbietern via Internet (Apps erodieren die Erlöse aus SMS) für eine stetig fallende Wertschöpfung in der gesamten Branche. Daher verwundert es nicht, dass sich die Ertragslage der Unternehmen kaum bessert. So tritt die Telekom bei ihrem Joint Venture mit der Ebitda-Marge bei kümmerlichen 20 % im Halbjahr auf der Stelle. In den Niederlanden stehen die Erlöse unter Druck, die Telekom hat die Investitionen halbiert.Milliardenschwere Sparprogramme sind ebenso wie solche Investitionen ein Kennzeichen der Telekombranche. Sie zeigen, dass die Unternehmen in der Steigerung der Ertragskraft noch Spielräume haben. Dennoch steht die Branche angesichts der explodierenden Datenverkehre vor hohen Investitionen in Netztechnik – vor allem teure Glasfaser, deren Rendite schwerlich darstellbar ist, wenn die Netze nicht ausgelastet oder netzbasierte Dienste zu billig sind. Beides bleibt der Fall, solange insbesondere die Zahl der Mobilfunknetze in Europa insgesamt zu hoch ist; ein Umstand, der nur durch eine Konsolidierung der Branche behoben werden kann.Die Investoren sind bereits durch eine Reihe von Dividendenkürzungen gewarnt, dass operative Sparprogramme allein nicht mehr ausreichen, um den Cash-flow zu stabilisieren. Investitionen müssen kritischer denn je geprüft werden. Die Frage, was mit unrentablen Netzen wird, ist drängender denn je.——Konsolidierung in der Telekom-BrancheDie Konsolidierung in der europäischen Telekom-Branche ist ein zähes Ringen. Bisher sind erst wenige Deals gelungen:- 2003: Die schwedische Telia fusioniert mit der finnischen Sonera- 2005: Die Telekom-Tochter T-Mobile Austria schluckt Telering- 2005: KPN kauft Telfort in den Niederlanden- 2006: Vodafone gibt ihre 25-prozentige Beteiligung an Swisscom Mobile zurück- 2007: T-Mobile Niederlande kauft die dortige France Télécom-Tochter Orange- 2009: Telekom und France Télécom führen ihre britischen Töchter in einem Joint Venture zusammen- 2011: Vodafone verkauft in Frankreich ihren SFR-Anteil an Vivendi——