"Deutsche Mitbestimmung ist mit EU-Recht vereinbar"

Generalanwalt stärkt im Fall Tui die Konzernführung

"Deutsche Mitbestimmung ist mit EU-Recht vereinbar"

swa Frankfurt – Das deutsche Mitbestimmungsgesetz ist mit Unionsrecht vereinbar. Dass nur in Deutschland beschäftigte Mitarbeiter in den Aufsichtsrat gewählt werden dürfen und nur dieser Kreis ein Wahlrecht hat, führt nicht zur Diskriminierung der Kollegen im EU-Ausland. Diese Einschätzung hat der Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Union, Henrik Saugmandsgaard Oe, in seinen Schlussanträgen geäußert. Die Richter am EuGH folgen in der Regel diesen Argumenten.In dem Fall hatte ein Aktionär der Tui geklagt und vorgebracht, dass die deutsche Mitbestimmung gegen Unionsrecht verstoße, weil nur in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer das aktive und passive Wahlrecht für die Besetzung des Aufsichtsrats haben. Das Kammergericht Berlin legte die Frage dem EuGH vor.Ein anderes Verfahren betrifft die Deutsche Börse, wo es darum geht, ob im EU-Ausland beschäftigte Arbeitnehmer bei der Ermittlung von Schwellenwerten mitgezählt werden müssen. Das ist entscheidend dafür, ob ein paritätischer oder ein drittelbeteiligter Aufsichtsrat zu bilden ist. Das Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt wurde bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Wenn der EuGH dem Schlussantrag folgt, dürfte das OLG Frankfurt das Urteil des Landgerichts kippen.Nach Ansicht von Generalanwalt Saugmandsgaard Oe verstößt die Mitbestimmung weder gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dies gelte auch, wenn ein Arbeitnehmer, der Deutschland verlässt, sein aktives und passives Wahlrecht verliere, heißt es in der Mitteilung des EuGH. Die EU-Mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet, Arbeitnehmern im Ausland dieselben Mitwirkungsrechte einzuräumen wie im Inland. “Die deutschen Unternehmen können erstmal aufatmen”, sagt die Arbeitsrechtlerin Anja Lingscheid, Of Counsel der Kanzlei Norton Rose Fulbright.Auch politisch würde ein anderes Urteil nicht ins Bild passen, erklärt Hans-Peter Löw, Leiter der deutschen Arbeitsrechtspraxis von Allen & Overy. Die EU-Kommission habe eine umfangreiche Initiative zu “Establishing a Pillar of Social Rights” gestartet und dem Europäischen Parlament am 26. April 2017 gerade einen finalen Vorschlag dazu zugeleitet. “Dieses Projekt, das von Herrn Juncker persönlich gestützt wird, hat zum Ziel, den Bürgern der EU neue und effektivere Rechte einzuräumen. Dazu passt es nun gar nicht, wenn das deutsche Mitbestimmungsrecht, das ein Leuchtturm an Teilhabe und Mitwirkung für die Bürger ist, für EU-rechtswidrig erklärt würde”, meint Löw.