InterviewSebastian Schulte, Deutz AG

Deutz setzt große Hoffnung auf Infrastrukturprogramme

Der Motorenbauer Deutz hat die Transformation vergleichsweise spät in Angriff genommen. Doch Vorstandschef Sebastian Schulte ist in dieser Hinsicht guter Dinge. Mehr Kopfzerbrechen bereiten die angedrohten US-Zölle.

Deutz setzt große Hoffnung auf Infrastrukturprogramme

Im Interview: Sebastian Schulte

Deutz setzt große Stücke auf Infrastrukturprogramme

CEO: Bisher sehen wir noch keine Erholung – Rüstungsgeschäft steckt noch in Kinderschuhen – Bekenntnis zu klassischem Verbrennermotor

Der Kölner Motorenbauer Deutz hat die Transformation vergleichsweise spät in Angriff genommen. Doch Vorstandschef Sebastian Schulte ist in dieser Hinsicht guter Dinge. Mehr Kopfzerbrechen bereiten die angedrohten US-Zölle. Große Hoffnung verbindet Schulte mit den Infrastrukturprogrammen der Bundesregierung.

Herr Schulte, alles dreht sich derzeit um die Zollpolitik der Trump-Administration. Was bedeuten die angedrohten Zölle für Deutz?

Der US-Markt ist aus verschiedenen Perspektiven enorm wichtig für uns. Auf der einen Seite produzieren wir seit vielen, vielen Jahren Motoren in Deutschland, die wir in die USA liefern. Da hätten Zölle natürlich einen erheblichen Einfluss. Zum anderen haben wir unser Service- und Wartungsgeschäft in den USA in den letzten Jahren schon erheblich ausgebaut. Das beschleunigen wir jetzt noch. Außerdem bauen wir das Geschäft mit Stromgeneratoren über die Akquisition von Blue Star Power Systems aus.

Wären Sie von den Zöllen auch indirekt betroffen? In den Motoren werden ja sicher auch Teile verbaut, die beispielsweise aus China kommen.

Das ist überschaubar. Aber im Motorengeschäft gibt es ganz grundsätzlich inflationäre Effekte. Die Margen sind nicht so hoch, als dass man die Zölle ignorieren könnte. Das zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette.

Überlegen Sie, Produktion in die USA zu verlagern? Der US-Markt steht bei Deutz für fast 30% des Umsatzes.

Unabhängig von Zöllen prüfen wir so etwas immer. Doch mit den aktuellen Volumina, wir sprechen von bis zu 35.000 Motoren, ließe sich keine eigene Montagelinie rechtfertigen. Das wäre nicht wirtschaftlich.

Bisher sehen wir keine Erholung.

Sebastian Schulte

In Ihrer Prognose für 2025 haben Sie das Zollthema explizit ausgeklammert. Können Sie vier Wochen später eine Einschätzung abgeben?

Wir sehen momentan keine nennenswerten Auswirkungen. Die Zusatzzölle sind aktuell für 90 Tage ausgesetzt. Wenn wir Effekte sehen, werden wir mit unseren Kunden Regelungen finden müssen. In der Regel erhöhen sich die Preise und das führt übergreifend zur Frage nach den konjunkturellen Folgen.

Sie haben für das zweite Halbjahr das Einsetzen der konjunkturellen Erholung unterstellt. Wackelt das jetzt?

Bisher sehen wir keine Erholung, rechnen aber weiter damit. Die Stimmung auf der Fachmesse Bauma vor drei Wochen war gut, alle sind optimistisch. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass noch keiner bestellt. Die Erwartungen an die Infrastrukturprojekte der neuen Bundesregierung sind hoch.

Erhoffen Sie sich daraus auch Impulse?

Auf jeden Fall. Infrastrukturprogramme beleben die Geschäftstätigkeit im Bau und das ist unser größter Sektor.

Sie haben mittelfristige Ziele für die Jahre 2028 und 2030 ausgegeben. Halten Sie daran trotz der deutlich veränderten geopolitischen Lage fest?

Auf jeden Fall. Wir setzen alles daran, dass wir diese Ziele erreichen – dazu gehört, den Umsatz bis 2030 zu verdoppeln. Die geopolitische Lage wird sich immer wieder ändern. Strukturveränderungen bringen auch immer Chancen mit sich. Da muss man manchmal ein bisschen mutiger sein und manchmal ein bisschen schneller in den Entscheidungen als die Wettbewerber. Dann kann ein Unternehmen vielleicht sogar von solchen Störungen im System profitieren.


Zur Person

Deutz-Chef Sebastian Schulte ist ein Mann der klaren Worte. Ja, Deutz sei ein bisschen spät auf den Transformationssprung aufgesprungen, räumt der Manager, der seit Februar 2022 an der Spitze des Kölner Motorenbauers steht, unumwunden ein. Dabei kommt ihm natürlich zupass, dass er erst 2021 bei Deutz anheuerte. Davor hat der 46-Jährige zwölf Jahre lang für Thyssenkrupp in verschiedenen Positionen gearbeitet. Das befeuerte im vorigen Jahr Spekulationen, auch Deutz sei an der Übernahme der Marinesparte von Thyssenkrupp interessiert. Schulte will das zwar nicht kommentieren, relativiert jedoch den Hype rund um das eigene Rüstungsgeschäft.


Sie haben 2024 in den USA Blue Star Power, Systems einen Hersteller von Stromgeneratoren, erworben. Ist das jetzt für Sie von Vorteil?

Das spielt in diesem Zusammenhang keine große Rolle. Die Alternative wäre ja nicht gewesen, dass wir Stromgeneratoren in Deutschland produzieren und in die USA verschiffen. Die Märkte sind regional, das liegt an der Größe der Generatoren.

Ist das der Grund, warum Blue Star keine Deutz-Motoren verbauen muss?

Blue Star macht einen Jahresumsatz von 150 Mill. Euro und verkauft dafür knapp 1.200 Stromgeneratoren. Die Stückpreise sind also sehr hoch. Deutz kann etwa 200.000 Motoren im Jahr produzieren. Selbst wenn alle Motoren von uns kämen, wäre die Auswirkung überschaubar. Wir haben Blue Star nicht als Vertriebskanal für Deutz-Motoren gekauft, sondern weil es ein spannendes Geschäftsmodell ist, das auch zu unseren technologischen Kompetenzen und unserem Vertriebsnetzwerk passt.

Die Akquisition war das erste sichtbare Signal für ihre „Dual+“-Strategie. Energie ist ein völlig anderes Geschäft als Fahrzeugbau. Müssen Sie nicht befürchten, sich zu verzetteln?

Zur Diversifikation gehört, dass man sich in neue Geschäftsfelder bewegt. Wir wollen das aktuelle Geschäft nicht aufgeben. Aber es reicht nicht aus, um erfolgreich zu wachsen. Daher gehen wir jetzt in Geschäftsfelder, die eine hohe Überlappung mit unseren Fähigkeiten haben, beispielsweise Stromgeneratoren.

Das ist kein Geschäftsmodell für all unsere Sparten, denn auch der Last Man Standing fällt irgendwann um.

Sebastian Schulte

Zugleich ist Ihr klassisches Geschäft mit Dieselmotoren endlich.

Es ist ein endliches Geschäft. Die Frage ist nur, wann. Es ist sicherlich nicht so endlich, wie man das vor 3, 4 oder 5 Jahren erwartet hätte. Nach unseren Prognosen wird der Markt in den 30er Jahren kleiner werden. Zugleich wird aber auch die Wettbewerbslandschaft kleiner werden. Unser Classic Geschäft läuft unter der Überschrift Last Man Standing. Aber das ist kein Geschäftsmodell für all unsere Sparten, denn auch der Last Man Standing fällt irgendwann um.

Sind Sie mit dem Umbau nicht ein bisschen spät dran?

Ja, wir sind etwas spät, aber besser spät als nie. Man muss konstatieren, dass Deutz vor 2021 nicht viel strategische Fantasie entwickelt hat. Aber jetzt sind wir auf einem guten Weg.

Momentan ist das (Rüstungs-)Geschäft aber noch ein reines Projektgeschäft in den Startlöchern.

Sebastian Schulte

Seit etwa einem Jahr fällt im Zusammenhang mit Deutz immer das Schlagwort Rüstung. Ist das mehr als ein Impulsgeber für die Aktie?

Aktuell ist das Geschäft noch klein. Wir rechnen im laufenden Geschäftsjahr mit einem Umsatz im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Vor 2022 war das für uns wie für viele Industrieunternehmen gar kein Feld. Wir vermarkten im Classic Geschäft hochleistungsfähige Motoren, die in schwierigsten Anwendungsbereichen, ob unter Tage, bei Hitze oder –20 Grad funktionieren. Diese Produkte lassen sich natürlich auch in Verteidigungsanwendungen perfekt einsetzen. Momentan ist das Geschäft aber noch ein reines Projektgeschäft in den Startlöchern.

Sollten Sie sich entscheiden, stärker in den Bereich hineinzugehen, müssten sie dann etwas akquirieren oder kann Deutz das organisch aufbauen?

Im Motorenbereich werden wir es organisch aufbauen. Aber natürlich schauen wir zudem links und rechts, ob es sinnvolle Ergänzungen gibt. Wir haben vor drei Wochen eine kleine, aber strategisch wichtige Akquisition im Bereich neuer Antriebstechnologien vereinbart. Praktisch als Beifang erwerben wir damit auch eine Feasability-Studie, die zeigt, wie die Firma UMS ein Panzerfahrzeug mit einem hybriden Antriebsstrang ausrüstet. Wir wären auch ohne diesen Rüstungsflavor von UMS sehr überzeugt gewesen. Das zeigt aber, dass wir Technologien haben, die auch im Rüstungsbereich eingesetzt werden können. Wir sprechen ja nicht über Waffensysteme, sondern über Antriebssysteme.

Wir bringen Industrialisierungskompetenz mit

Blue Star Power Systems führen Sie an der langen Leine. Gehen Sie bei UMS vergleichbar vor?

Das ist ein bisschen anders gelagert. Die Logik hinter dem Erwerb ist ganz klar, dass diese Firma mit unter 100 Mitarbeitern Technologie entwickelt und über Prototypen Kundenzugang generiert hat. Das Unternehmen stand jetzt vor der Frage, wie stelle ich die Skalierbarkeit meines Geschäfts sicher? Es gab zwei Optionen, entweder man errichtet selbst eine Fabrik, um batterieelektrische Systeme zu bauen oder man sucht einen Partner, der die Industrialisierungskompetenz besitzt. Da waren wir der ideale Partner.

Deutz-CEO Schulte treibt die Transformation voran.
Deutz

Aber Deutz hat doch selbst keine Produktion für solche Systeme. Ist das nicht viel zu klein?

Ja, noch. Es gibt vielversprechende Auftragsperspektiven, die dann in kleine oder mittlere Serien gehen. An dieser Stelle funktioniert Handmontage nicht mehr. Wir haben die Fähigkeit, kleine Serien passgenau zu fertigen und planen, eine kleine Serienproduktion an einem der deutschen Standorte aufzubauen.

Heißt das, Sie rüsten ein bestehendes Werk um?

Ich würde es ergänzen nennen, weil das Geschäft mit den Verbrennermotoren ja nicht so schnell wegfällt.

Wir haben einen Wasserstoffverbrennungsmotor zur Serienreife gebracht. Mehr als vereinzelte Pilotanwendungen ist daraus bisher jedoch nicht geworden.

Sebastian Schulte

Gleichwohl hat die konjunkturelle Schwäche dazu geführt, dass ihre Kapazitäten nicht ausgelastet sind und Sie jetzt 300 Stellen abbauen.

Das sind zwei verschiedene Dinge. Die konjunkturelle Lage beeinflusst die Auslastung der Fabriken. Wir haben im Konzern eine Kapazität von etwa 200.000 Motoren im Jahr. 2023 haben wir 187.000 Motoren produziert, 2024 waren es nur gut 140.000 Motoren. Ich glaube nicht, dass es noch weiter runtergeht. Der Personalabbau ist völlig getrennt davon zu sehen. Das Restrukturierungsprogramm betrifft im Wesentlichen Forschung und Entwicklung. Das ist nicht vom Konjunkturzyklus abhängig, sondern hängt am technologischen Wandel. Daran müssen wir unsere Entwicklungskapazitäten anpassen.

Mehr als die Hälfte des Kostensenkungsprogramms entfällt auf Forschung und Entwicklung (F&E). Dabei erstaunt, dass Sie auch im Bereich der neuen Technologien (New Tech) einsparen. Zugleich sagen Sie, das Geschäft ausbauen zu wollen. Können Sie den Widerspruch auflösen?

Da muss man genauer hinschauen. In den letzten Jahren ist gut die Hälfte der F&E-Gelder in New Tech geflossen, hälftig in batterieelektrische Systeme und hälftig in den Wasserstoffverbrennungsmotor. Wir haben einen Wasserstoffverbrennungsmotor zur Serienreife gebracht. Mehr als vereinzelte Pilotanwendungen ist daraus bisher jedoch nicht geworden. Das liegt an der fehlenden Wasserstoffinfrastruktur, steuergesetzlichen Hürden und den hohen Kosten. Für uns stellt sich die Frage, sollen wir trotzdem den nächsten Wasserstoffmotor entwickeln? Wir haben uns dagegen entschieden, denn wir können nicht ohne Kundenperspektive investieren. Sobald die Nachfrage da ist, entwickeln wir weiter.

Das Interview führte Annette Becker.

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