Die Modebranche entdeckt allmählich das Thema Nachhaltigkeit
Von Gerhard Bläske, MailandDie Modekonzerne haben ökologische Themen lange Zeit nicht ernst genommen. Mit einer Ausnahme: Calvin Klein hat schon vor Jahrzehnten auf Echtpelze verzichtet. Andere wie Ralph Lauren folgten später. Gucci, Burberry, Armani, Versace und Furla sind dagegen erst in den vergangenen Jahren auf diesen Kurs eingeschwenkt, und nun hat auch Prada reagiert. “Geholfen” haben bei den diversen Strategieänderungen sicher auch der Druck bzw. Aktionen von Tier- und Umweltschützern. Impuls von MacronSonst tat sich lange Zeit wenig bis nichts. Ein wichtiger Impuls in Richtung Nachhaltigkeit kam im Frühjahr von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er hatte im April François-Henri Pinault, Chef des Luxusgüterriesen Kering, zu dem auch mehrere italienische Luxusgütermarken wie Gucci gehören, beauftragt, zusammen mit anderen Unternehmen der Branche einen Maßnahmenplan zur Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes in der Modeindustrie zu erarbeiten.Der “Fashion Pact”, der kurz vor dem G7-Gipfeltreffen in Biarritz vorgestellt wurde, ist von 32 Unternehmen unterzeichnet worden. Darunter sind Textilproduzenten, Modelabels und Handelsunternehmen – unter anderem Chanel, Burberry, Hermès und Ralph Lauren, italienische Namen wie Salvatore Ferragamo, Moncler, Giorgio Armani, Prada und Ermenegildo Zegna, aber auch große Konzerne wie H&M und Inditex. Der Pakt enthält im Wesentlichen allgemein formulierte Absichtserklärungen. Aber immerhin: Es ist ein Anfang. Denn in Sachen Nachhaltigkeit haben nicht nur die Großen des Fast-Fashion-Segments, die aufgrund der mehrfach im Jahr wechselnden Kollektionen riesige Mengen produzieren, Nachholbedarf. Auch die Luxuslabels haben das Thema lange vernachlässigt und beispielsweise überschüssige Ware häufig schon aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet. Das aber ist umweltpolitisch nicht verantwortbar.”Jedes Jahr werden mehr als 100 Mill. Tonnen synthetische und natürliche Textilen produziert. Der Anteil, der wiederverwertet wird, ist extrem niedrig, kaum messbar”, sagt Giulio Bonazzi, CEO und Mehrheitsaktionär der börsennotierten italienischen Aquafil-Gruppe, die aus alten Fischernetzen das Kunststoffgarn Econyl erzeugt, aus dem hochwertige Textilien produziert werden. Zu den Kunden aus der Modebranche, die recyceltes Nylon von Aquafil beziehen, gehören der Sportartikelkonzern Adidas, der italienische Dessous-Hersteller La Perla, Gucci und Prada. Das Mailänder Modelabel ist eine Kooperation mit dem Mittelständler eingegangen. Aquafil sammelt die Abfälle ein, sortiert und reinigt sie, zerlegt sie in ihre Polymer-Bausteine und fügt sie dann zu neuen Garnen zusammen. Im Rahmen der “Prada Re-Nylon”-Kollektion werden inzwischen sechs Taschen aus recycelten Garnen produziert. Bis Ende 2021 soll schrittweise die gesamte Nylonfertigung von Prada auf Econyl umgestellt werden. Zweitgrößter Verschmutzer Die Textilindustrie ist nach der Ölbranche der weltweit zweitgrößte Umweltverschmutzer. Nicht zuletzt auf Druck der ökologischen Bewegungen kommt es allmählich zu einem Bewusstseinswandel, wie verschiedene Schwerpunktthemen auf Messen sowie von Mode- und Designwochen zeigen. “Es tut sich etwas in den letzten Monaten”, beobachtet Aquafil-Chef Bonazzi. “Auf Druck des Marktes, aus Angst vor strengeren gesetzlichen Regelungen, aber auch um vielleicht Einsparungen zu erzielen”, vermutet er. Nach einer Studie von Boston Consulting ist für 75 % der Käufer Nachhaltigkeit “sehr wichtig”. Dass sie beim Einkauf aber danach handeln, darf meist bezweifelt werden.Gucci verwendet kein PVC mehr für die Canvas-Handtaschen. Chanel hat sich an einem Start-up beteiligt, das mit Seidenproteinen als Chemieersatz bei der Behandlung von Textilien experimentiert. Die britische Burberry kooperiert mit einem Unternehmen, das aus Lederresten der Burberry-Fertigung Taschen, Geldbörsen und Home-Deko produziert. Und Prada will den Plastikanteil bei Verpackungen reduzieren und – wenn möglich – bald ganz darauf verzichten.Elia Maramotti, Markenchef des zum Kering-Konzern gehörenden italienischen Luxusmodelabels Max Mara und Enkel von Firmengründer Achille, hat kürzlich angekündigt, von 2020 an nur noch mit erneuerbarer Energie produzieren zu wollen und den Einsatz von Wasser und chemischen Produkten drastisch zu reduzieren. Auch Gucci will nur noch mit erneuerbaren Energien fertigen. Neue Wege der FinanzierungSelbst bei der Finanzierung gehen einige Unternehmen neue Wege. Prada etwa hat kürzlich beim Crédit Agricole einen 50-Mill.-Euro-Kredit aufgenommen, dessen Zinssatz an ökologische Ziele geknüpft ist. Je größer das Engagement für die Umwelt, desto niedriger soll er ausfallen. Die Finanzierungsbedingungen sind u. a. an die Zahl der Prada-Läden geknüpft, die das Nachhaltigkeitslabel LEED erhalten, an Trainingsstunden für die Mitarbeiter und an die Höhe des Einsatzes des recycelten Nylonmaterials Econyl. Hersteller Aquafil will den Umsatzanteil, der aus wiedergewonnenen Rohstoffen erzielt wird, “in fünf bis sieben Jahren” von heute 55 auf 100 % steigern. So weit sind die Modekonzerne noch lange nicht.