Die Ratings der Ölkonzerne stehen unter Druck

Upstream-Unternehmen trifft es am härtesten - Moody's stuft ExxonMobil herab - Negative Perspektive für Shell, BP und Total

Die Ratings der Ölkonzerne stehen unter Druck

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie US-Ratingagentur Moody’s hat an den vergangenen Tagen eine Reihe von Unternehmen aus der Ölindustrie entweder heruntergestuft oder den Ausblick für die Bewertung verschlechtert. Angesichts des kollabierenden Ölmarktes und der sich daraus ergebenden Folgen konnte das niemanden überraschen. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent kostete zum Jahreswechsel knapp 70 Dollar. Am vergangenen Mittwoch lag die Notierung bei 22 Dollar. Ein Minus von 68 %. Selbst am geschundenen Aktienmarkt wäre das ein Verlust, der nur von wenigen Werten übertroffen würde. Indes gibt es einen Silberstreif am Horizont: Just mit Beginn der Herabstufungen setzte am Ölmarkt eine Erholung ein. Zuletzt wurde Brent um die Marke von 33 Dollar gehandelt. Breite Aufstellung von VorteilOb es zu einer Herabstufung kommt, das Rating einer Prüfung unterzogen oder der Ausblick verändert wird, hängt von der Finanzkraft ab – d. h. im Wesentlichen von der Eigenkapitaldecke, dem Cash-flow, den Ergebnissen und der Verschuldung. Dies wiederum ergibt sich u. a. daraus, wie breit die Unternehmen aufgestellt sind bzw. auf welchen Bereich der Wertschöpfungskette sie sich spezialisiert haben.Grundsätzlich gilt, dass die breit aufgestellten Gruppen, die im Extremfall von der Suche nach Öl- und Gasfeldern bis zum Verkauf an der Tankstelle die gesamte Wertschöpfungskette abbilden – deswegen spricht man auch von vertikal oder vollintegrierten Ölkonzernen -, Krisen noch am besten überstehen können. Aufgrund der Vielzahl an Aktivitäten haben sie in der Regel das größte Potenzial, Kosten einzusparen und Investitionen zu kürzen. Zu diesem Segment zählen vor allem Royal Dutch Shell, BP, Total sowie ExxonMobil und Chevron.Unternehmen, die im “Downstream”-Bereich tätig sind (siehe Kasten), werden von fallenden Preisen etwas stärker in Mitleidenschaft gezogen. Im Vergleich zu vertikal integrierten Konzernen ist ihr Sparpotenzial begrenzter. Mit Abstand am härtesten trifft der Nachfrage- und Preiseinbruch die Gesellschaften, die am Anfang der Kette stehen: relativ kleine Firmen, die nach Öl- und Gasvorkommen suchen und Probebohrungen vornehmen (Explorer), reine Förderunternehmen und die Ausrüster bzw. Zulieferer – der sogenannte “Upstream”-Bereich. Denn ist der Ölpreis am Boden und die mittelfristige Entwicklung unklar, werden die Aufträge an Explorer gestoppt, die Bestellungen bei Förderern verringert und nur noch zwingend notwendige Ersatzinvestitionen getätigt. In diese Gruppe gehören z. B. die großen US-Ölfeldausrüster Schlumberger, Halliburton und Baker Hughes oder aus dem deutschsprachigen Raum die österreichische Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO), die u. a. an die drei US-Dienstleister liefert.Allerdings lassen sich die Unternehmen aus der Ölindustrie in den meisten Fällen nicht komplett diesem oder jenem Segment zuordnen. Im Normalfall gibt es jedoch einen Geschäftsschwerpunkt. So ist die deutsche Wintershall Dea, die bislang ihre Börsenpläne für das zweite Halbjahr noch nicht verschoben hat, vor allem im Upstream tätig, also der Suche nach Öl und Gas und deren Förderung. Daneben wird jedoch eine Pipeline-Infrastruktur aufgebaut (Midstream) und Erdgas vertrieben (Downstream).Am Freitag änderte Moody’s den Ausblick für Wintershall Dea von stabil auf negativ; das Rating “Baa2” wurde bestätigt. Damit befindet sich der Börsenkandidat – wie alle größeren Branchenvertreter (siehe Tabelle) – noch im Investment Grade. Die Begründung für den vorsichtigeren Ausblick ähnelt der für andere Herabstufungen und gesenkte Ausblicke. Im Grunde geht es immer darum, dass durch den Ölpreiseinbruch aller Voraussicht nach der Cash-flow und die Ergebnisse signifikant sinken werden und sich dadurch die Finanzkennziffern, die zur Ratingermittlung herangezogen werden – insbesondere die Verhältniszahlen zu den Schulden -, verschlechtern. Dabei geht Moody’s nicht davon aus, dass sich die Öl- und Gaspreise rasch und kräftig erholen werden. Immerhin lobt die Agentur Wintershall Dea dafür, dass der Konzern die Dividende auf Stammaktien ausgesetzt und die geplanten Investitionen in die Produktionsausweitung sowie die Exploration gesenkt hat.Neben Wintershall Dea wurden auch die Ausblicke der Ölfeldausrüster Halliburton, Baker Hughes sowie National Oilwell Varco auf negativ gesenkt. Einen Schritt weiter geht Moody’s bei Sektorprimus Schlumberger – hier wird das Rating “A1” auf eine Herabstufung hin geprüft. Von den Ölmultis müssen nun Shell, BP und Total mit einem negativen Ausblick leben lernen. Schlimmer traf es ExxonMobil: Hier wurde der Ausblick negativ beibehalten, obwohl das Rating von “Aaa2 auf “Aa1” gesenkt wurde. ExxonMobil habe schon vor dem Kollaps der Ölpreise einen negativen Free Cash-flow generiert und deshalb eine schwache Position im “Aaa”-Bereich gehabt, sagte Pete Speer, Senior Vice President von Moody’s. Man erwarte zwar, dass der Konzern nun Investitionen und Kosten reduziere, doch da die Agentur weiterhin negative freie Cash-flows und steigende Verschuldungskennziffern selbst bei einer Erholung des Ölmarktes erwarte, bestehe das Risiko einer weiteren Herabstufung.Lob gab es dagegen von Speer für Chevron: Der Exxon-Rivale habe vor dem beispiellosen Rückgang der Ölpreise und der Unternehmensergebnisse die “stärksten Finanzkennzahlen aller großen Ölkonzerne” aufgewiesen. Zwar dürften sich die Kennziffern verschlechtern, und wahrscheinlich müsse Chevron neue Schulden machen, doch – so Speer – bei einer möglichen Erholung werde der Konzern in der Lage sein, die zuletzt guten Finanzkennziffern wieder zu erreichen.Bei voll integrierten Ölriesen ergibt sich durch eine Baisse eine unternehmensinterne Verschiebung der Ertragslage: Da hier Upstream und Downstream in der Regel als unabhängige Profit Center agieren, belasten den Vertrieb zwar sinkende Verkaufspreise, doch gibt es in der Verarbeitung eine Entlastung durch zurückgehende Einkaufspreise und -mengen aus dem Upstream. Dieses Segment allerdings bleibt ohne Entlastung, sieht man von Kosteneinsparungen ab. Das gilt für den immer noch schwersten Ölmulti ExxonMobil (Marktkapitalisierung umgerechnet 157 Mrd. Euro) ebenso wie für den Zwerg unter den vertikal integrierten Ölkonzernen, die österreichische OMV (9 Mrd. Euro).