Diesel-Käufer könnten Ersatz bei illegaler Abschalteinrichtung verlangen
ahe Brüssel
Käufer von Diesel-Autos, die eine illegale Abschalteinrichtung haben, könnten einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller haben. Für einen solchen Anspruch sprach sich jetzt in seinem Schlussantrag der Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Union, Athanasios Rantos, in einem Verfahren gegen Mercedes-Benz aus. Insbesondere sei das Interesse von Autokäufern geschützt, „kein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu erwerben“, hieß es am Donnerstag.
Wie hoch dieser Anspruch ausfallen sollte, liegt nach Ansicht von Rantos in der Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten. Diese müssten festlegen, mit welchen Methoden der Ersatzanspruch berechnet werde. Voraussetzung sei, dass der Ersatz „dem erlittenen Schaden angemessen“ sei, hieß es in dem Gutachten des Generalanwalts.
Das Urteil des Luxemburger Gerichts in dem Fall steht noch aus. In vielen Fällen folgen die Richter allerdings den jeweiligen Schlussanträgen des Generalanwalts. Mercedes-Benz erklärte am Donnerstag lediglich, das Urteil bleibe abzuwarten. Das Unternehmen wolle über den Ausgang des Verfahrens nicht spekulieren.
„Klagewelle“ erwartet
Klägeranwälte sehen dagegen nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters gute Chancen, Schadenersatz durchzusetzen, wenn das Gericht dem Generalanwalt folgt. „Mercedes-Benz muss nun mit einer weiteren Klagewelle rechnen“, erklärte Rechtsanwalt Claus Goldenstein, der nach eigenen Angaben mehr als 42500 Mandanten in der Sache vertritt. Der Schlussantrag setze die gesamte Autoindustrie unter Druck und stärke die Rechte der Verbraucher.
In dem vorliegenden Fall hatte ursprünglich der Käufer einer gebrauchten C-Klasse von Mercedes, deren Abgasrückführungssystem ein sogenanntes Thermofenster vorsieht, vor dem Landgericht Ravensburg auf Schadenersatz geklagt. Der Käufer verlangte von Mercedes die Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung bei Rückgabe des Pkw. Das Landgericht hatte die Frage nach Ersatzansprüchen an den Gerichtshof der EU weitergereicht.
Bei der temperaturgesteuerten Abgasreinigung – dem Thermofenster – geht es um eine Software, die bei bestimmten Außentemperaturen einen erhöhten Schadstoffausstoß zulässt. Autohersteller argumentieren, diese sei notwendig, um den Motor zu schützen. Die Hersteller hatten einen Passus im EU-Gesetz, wonach die Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen zum Schutz des Motors gedrosselt werden darf, sehr weit ausgelegt. Bei Volkswagen dagegen handelte es sich in erster Linie nicht um das Thermofenster, sondern um Betrug mit einer anderen Software.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte der Thermofenster-Technologie mit einem Urteil im Dezember 2020 sehr enge Grenzen gesetzt. Generalanwalt Rantos erklärte bereits in einem noch laufenden Verfahren gegen Volkswagen im vergangenen September, das Thermofenster sei seiner Ansicht nach gesetzeswidrig.
Viele Verfahren gewonnen
Mercedes wurde bislang höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht zu Schadenersatz verurteilt. Auch Landgerichte und Oberlandesgerichte wiesen Klagen gegen den Stuttgarter Autobauer bei mehr als 20000 Urteilen bisher weit überwiegend zurück.
Der BGH hatte entschieden, dass selbst bei Illegalität der Technik kein Schadenersatzanspruch gegen Mercedes besteht. Denn der Autobauer habe den Käufer nicht vorsätzlich geschädigt, die EU-Rechtslage sei unklar gewesen.