Digitalisierung soll jetzt auch das Klima retten

Bitkom: Einsparpotenzial von 120 Megatonnen Kohlendioxid bis 2030 - IÖW: Steigender Energiebedarf

Digitalisierung soll jetzt auch das Klima retten

sp Berlin – Die Anforderungen der Digitalisierung und der Klimawandel belegen unter den größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft in den meisten Rankings regelmäßig die vordersten Plätze – sieht man einmal von den Folgen der Corona-Pandemie ab, die derzeit im Vordergrund stehen. Doch während mit Blick auf Corona die Hoffnung auf einen baldigen Impfschutz keimt, werden die Erfordernisse von Digitalisierung und Klimaschutz auch nach dem Ende der Pandemie fortbestehen. Das Ergebnis einer im Auftrag des Digitalverbands Bitkom von Accenture erstellten Studie kommt da wie gerufen. Demnach könnten verbesserte Rahmenbedingungen für die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft nicht nur einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit leisten, sondern auch das Erreichen der Klimaziele bis zum Jahr 2030 erheblich erleichtern. “Je schneller und konsequenter Digitaltechnologien eingesetzt werden, desto mehr CO2 können wir künftig einsparen”, fasste Bitkom-Präsident Achim Berg am Dienstag die Ergebnisse zusammen.Konkret rechnet Accenture vor, dass allein in der industriellen Fertigung, bei Gebäuden, im Verkehr und bei der Arbeit bis 2030 rund 120 Mill. Tonnen CO2 eingespart werden könnten, wenn die Politik eine umfassende Digitalisierung dieser Bereiche jetzt durch mutige und gezielte Anreize beschleunigt. Das entspräche fast der Hälfte der bis 2030 für das Erreichen des Klimaziels der Bundesregierung insgesamt noch erforderlichen Einsparungen von rund 260 Mill. Tonnen CO2, wie Accenture kalkuliert.Bis 2030 will die Bundesregierung im Vergleich zu 1990 insgesamt 55 % der Emissionen einsparen, wobei die Emissionen im vergangenen Jahr mit 805 Mill. Tonnen CO2 bereits knapp 40 % unter dem Basiswert lagen. Im Jahr 2030 sollen es nur noch 543 Mill. Tonnen CO2 sein. Berücksichtigt man die Potenziale weiterer Wirtschaftsbereiche neben den vier genannten Sektoren, könnte eine beschleunigte Digitalisierung insgesamt mehr als die Hälfte der noch erforderlichen Einsparungen bis 2030 beisteuern, ist Bitkom-Chef Berg überzeugt.Nicht überall traut man der Digitalisierung einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu. In einem vor wenigen Wochen publizierten wissenschaftlichen Artikel des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin finden die Autoren keine Belege dafür, dass die Digitalisierung zu einer Verringerung des Energieverbrauchs führt und damit auch zum Klimaschutz hilft. Eher im Gegenteil. Steigender Energiebedarf etwa für die Datenverarbeitung in gigantischen Rechenzentren und ein von der Digitalisierung beschleunigtes Wirtschaftswachstum führten zu steigenden Emissionen, heißt es in dem Artikel “Digitalization and energy consumption”, der im Journal Ecological Economics erschienen ist. “Die Hoffnung, dass die Digitalisierung den Gesamtenergieverbrauch senkt, erfüllt sich derzeit nicht”, fasst Steffen Lange, einer der Autoren, vom IÖW zusammen. Automatisierung der FertigungNach Einschätzung von Accenture liegt das größte Einsatzpotenzial im Bereich der industriellen Fertigung. Bis zu 61 Mill. Tonnen CO2 können bei einer beschleunigten Digitalisierung bis 2030 vermieden werden. Dafür müssten die Produktion automatisiert und die Anlagen, Maschinen, Werkstücke und ihre Bauteile miteinander vernetzt werden, damit die Prozesse selbstständig unter möglichst geringem Material- und Energieeinsatz ablaufen, heißt es in der Studie. Selbst im Falle einer moderaten Digitalisierung, bei der das Tempo der Einführung und Verbreitung digitaler Technologien sich so entwickelt, wie es in den vergangenen fünf bis zehn Jahren in Deutschland der Fall war, würden hier 35 Mill. Tonnen CO2 eingespart.