Digitalkompetenz in Dax-Aufsichtsräten wächst

Personalberatung Russell Reynolds sieht in neuem Kodex "enorme Sprengkraft" bei strenger Auslegung

Digitalkompetenz in Dax-Aufsichtsräten wächst

ab Düsseldorf – Die Digitalkompetenz in den Aufsichtsräten der Dax-30-Unternehmen hat sich signifikant verbessert. Rückschritte gibt es dagegen beim Wachstum des Frauenanteils in den Kontrollgremien der deutschen Großunternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt die Personalberatung Russell Reynolds in ihrer Analyse zur Zusammensetzung der Aufsichtsräte im Dax.Hatten die Personalberater den großen deutschen Kapitalgesellschaften vor zwei Jahren noch einen immensen Mangel an Digitalkompetenz in ihren Kontrollgremien bescheinigt, kann an dieser Stelle heute Entwarnung gegeben werden. Mehr als zwei Drittel der Dax-Gesellschaften verfügten nun über Digitalkompetenz im Aufsichtsrat. Allein 2019 seien zehn Digitalexperten in die Gremien gewählt worden.Was den Frauenanteil in den Kontrollgremien anbelangt, ist dagegen von Rückschritt die Rede. Zwar liege die Frauenquote ein Jahr nach Einführung der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von 30 % mit 32,3 % leicht über der Vorgabe. Schaue man sich den Anteil der Frauen bei der Neubesetzung von Aufsichtsräten an, sei jedoch ein Rückgang zu konstatieren. Unter den neu gewählten Aufsichtsräten belaufe sich die Quote nämlich nur auf 23 % – der niedrigste Wert seit 2010. Diese Diagnose treffe auch auf die Besetzung der Vorsitzenden von Aufsichtsräten und Ausschüssen mit Frauen zu.An der Spitze der Kontrollgremien werden mit Simone Bagel-Trah (Henkel) und Martina Merz (Thyssenkrupp) nur zwei Frauen gezählt – eine mehr als im Vorjahr. Von den 132 Ausschussvorsitzen sind lediglich 17 mit Frauen besetzt. Das seien zwar sechs mehr als im Vorjahr, fünf dieser Ausschussvorsitze entfielen jedoch auf Martina Merz. “Die Dynamik beim Wachstum des Frauenanteils ist 2019 zum Erliegen gekommen. (. . .) Gemessen in Aufsichtsrats- und Ausschussvorsitzen besteht die ungleiche Machtverteilung zwischen Männern und Frauen weiterhin”, resümiert Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen CEO & Board Praxisgruppe. Gleiches gelte für die Vorstände, zumal es noch immer sieben Dax-Werte mit einer rein männlichen Führungsriege gebe.Auch bei der Internationalisierung des Aufsichtsrats hinkt Deutschland anderen Ländern hinterher. Zwar sei der Anteil der Mitglieder mit nicht-deutschem Pass auf 30 (2018: 28) % gestiegen, die Hälfte der Zunahme gehe jedoch auf die Fusion von Linde mit Praxair zurück, über die vier US-Amerikaner in das Kontrollgremium einzogen. Zum Vergleich: Im Schweizer SMI beläuft sich der Anteil der Nichtschweizer im Verwaltungsrat nach den Angaben auf 57 %.Eine weitere Erkenntnis der Analyse ist, dass die Verflechtung der Dax-30-Aufsichtsräte untereinander stark abgenommen hat. Damit Hand in Hand geht die abnehmende Ämterhäufung im Dax. Die nachweisliche Entflechtung ändert allerdings nichts daran, dass sich die aktuelle Zusammensetzung der Dax-Aufsichtsräte erheblich ändern müsste, um die Empfehlungen des neuen Deutschen Corporate Governance Kodex zu erfüllen: Sieben Aufsichtratsvorsitzende und 14 Aufsichtsräte wären nach der neuen Definition des Kodex nämlich zu lange (mehr als zwölf Jahre) im Amt. Zudem wären 38 Aufsichtsräte “Overboarding-gefährdet”, heißt es. Um dem Kodex zu genügen, müssten Aufsichtsratsvorsitzende 23 Ämter niederlegen, weitere “normale” Aufsichtsräte müssten sich von 59 Mandaten trennen. “Die Einführung und strenge Auslegung des neuen Governance Kodex hätte enorme Sprengkraft”, urteilt Thomas Tomkos, Leiter der deutschen CEO & Board Praxisgruppe bei Russell Reynolds.Bei einer an Schulnoten orientierten Durchschnittsbewertung der Aufsichtsratszusammensetzung verteilt Russell Reynolds für 2019 die Gesamtnote 2,0 (2018: 2,2). Die Klassenbesten mit einer Gesamtnote von 1,5 sind die Aufsichtsräte von Daimler, Lufthansa und SAP. Das schlechteste Zeugnis erhält Heidelberg Cement mit der Note 2,8.