Diversity bleibt im Dax noch vielfach Lippenbekenntnis
Der öffentliche Druck auf Unternehmen, ihre Führungsteams vielfältiger zu besetzen, wächst beständig. Doch viele Unternehmen tun sich immer noch schwer damit, für eine höhere Diversität in ihren Führungsetagen zu sorgen. Frauen, Angehörige ethnischer Minderheiten, Menschen mit sichtbaren Behinderungen oder auch Homosexuelle sind nach wie vor unterrepräsentiert.
Die Einführung des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes (FüPoGII) hat Großkonzerne unter Zugzwang gebracht. Börsennotierte Firmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen müssen bei Nachbesetzungen in der Top-Management-Etage mindestens eine Frau wählen. Einige der Dax-Konzerne haben nun auf die Vorgaben reagiert und vermehrt Frauen in den Vorstand geholt.
Dieses Gesetz wurde unter anderem deshalb eingeführt, weil seit 2017 der Frauenanteil unter den Dax-Vorständen um die 13% stagnierte. Aktuell finden sich laut einer Studie des Beratungsunternehmens Simon-Kucher & Partners aus dem September 42 weibliche Vorstandsmitglieder unter den 241 Vorständen der Dax-40-Unternehmen. Dies entspreche einer Quote von 17,4% nach 12,8% im Jahr 2020. 2009 habe der Frauenanteil demzufolge bei gerade einmal 0,5% gelegen; damals befand sich eine einzige Frau unter den seinerzeit 185 Vorständen. Nun gibt es seit Dezember erstmals vier Dax-Unternehmen mit jeweils drei Frauen im Vorstand: Airbus, Allianz, Daimler und Deutsche Telekom.
Weibliche CEOs sind indes immer noch eine Rarität. Ein einziger Dax-Konzern wird von einer Frau geleitet: Das Darmstädter Unternehmen Merck hat seit Juni mit der Spanierin Belén Garijo eine Frau an der Spitze.
Die im September erfolgte Erweiterung des deutschen Leitindex um zehn Konzerne hat auch keinen nennenswerten Schub gebracht, sondern die Männerdominanz in den Vorständen verschärft, so die aktuelle Studie „German Diversity Monitor“ der Initiative Beyond Gender Agenda. Mit diesen Unternehmen kamen zwar weitere 41 Vorstandsmitglieder hinzu, darunter allerdings nur sieben Frauen. Aktuell erfüllen mit Brenntag, Deutsche Wohnen, Hellofresh, MTU Aero Engines sowie Sartorius 5 der 40 Dax-Konzerne die geforderte Frauenquote gemäß FüPoGII nicht.
Linde fällt aufgrund der ausschließlichen Berufung von Männern in den von sechs auf neun Ressorts erweiterten Vorstand in dieser Hinsicht besonders negativ auf. Allerdings sind Delivery Hero, Deutsche Wohnen und Linde von dem Gesetz nicht betroffen, da sie entweder als europäische Aktiengesellschaft (SE) oder unter der britischen Kapitalgesellschaftsform Public Limited Company (PLC) firmieren.
Somit ist die Quote der Diversitätsdimension Gender sehr niedrig. Eine aktuelle Studie der Allbright Stiftung zeigt, dass Deutschland damit im internationalen Vergleich weit abgeschlagen ist: Unter den 30 größten Börsenunternehmen, die den höchsten Frauenanteil haben, liegen die USA vorn (31,1%), gefolgt von Großbritannien (27,4%) und Schweden (27,1%). Mit 18,3% rangiert Deutschland hier weit hinten. Beim Thema Diversität geht es nicht allein um Geschlechtervielfalt, sondern auch um Internationalität und kulturelle Vielfalt. Hier hinkt Deutschland im Vergleich zu angelsächsischen Ländern ebenfalls hinterher.
Immerhin internationaler
Die Erweiterung des Dax hat die erste deutsche Börsenliga zumindest internationaler gemacht: Laut der Simon-Kucher-Erhebung haben 90 der 241 Vorstandsmitglieder einen ausländischen Pass, ein Rekordstand von gut 37%. Doch auf die Forderung nach mehr Chancengerechtigkeit, Diversität und Inklusion reagieren Unternehmen vielfach mit einer Art Diversitäts-Aktionismus. So werden Regenbogenflaggen geschwenkt und Diversity Weeks veranstaltet, doch die konkreten Maßnahmen zur Förderung solcher Personengruppen sind bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Corona-Pandemie hat die Diversitätsanstrengungen deutscher Konzerne zudem verlangsamt. Es gibt viele Einzelmaßnahmen, aber wenig nachhaltige Entwicklungen. Zu diesem Schluss kommt der „German Diversity Monitor 2021“. Bis Werte wie Vielfalt und Chancengleichheit als strategische Unternehmensziele fest verankert sind, ist es noch ein weiter Weg.
Von Anna Perucki, 30.12.2021