Dominanz digitaler Autos nicht vor 2040 zu erwarten

Deutsche Bank: Debatte braucht mehr Nüchternheit

Dominanz digitaler Autos nicht vor 2040 zu erwarten

Von Carsten Steevens, HamburgBis zum Jahr 2050 soll es auf den Europas Straßen so gut wie keine Verkehrstoten mehr geben. So lautet eine Vorstellung der EU-Kommission (“Vision Zero”). Bei rund 26 000 Verkehrstoten in der EU im Jahr 2015 – und laut Statistischem Bundesamt gut 3 200 in Deutschland im vergangenen Jahr (-7,1 % verglichen mit 2015) – liegt das Ziel noch in weiter Ferne. Laut dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat ließen sich durch eine größere Verbreitung von Fahrerassistenzsystemen die Folgen von etwa der Hälfte der Verkehrsunfälle verringern. Die Aufklärung über die Funktionsweise dieser Systeme werde “somit zu einem wichtigen Baustein der ,Vision Zero”`. Zwei Drittel der Neuwagenkäufer hielten die Assistenzsysteme nach wie vor für nicht notwendig.Wie schnell es Fortschritte geben wird, ist unklar. In einer neuen Studie dämpft die Deutsche Bank Erwartungen an einen schnellen Durchbruch des “digitalen” Autos in seiner Idealform. Es dürften noch mehrere Jahrzehnte vergehen, bis solche Fahrzeuge, die dank Fahrerassistenzsystemen und anderer Technologien ein vernetztes, autonomes, stau- und unfallfreies Fahren ermöglichen, “den Pkw-Bestand weitgehend durchdrungen” haben. Vor 2040 sei damit wohl nicht zu rechnen, heißt es in der Studie.Die Autoren betonen, dass angesichts technologischer, wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher und sonstiger Unsicherheiten eine Prognose der künftigen Entwicklungen rund um das digitale Auto derzeit einem Blick in die Glaskugel gleichkomme. Die Diskussionen um autonomes Fahren, Carsharing, Fahrdienste und andere digitale Mobilitätsdienstleistungen sowie um neue Konkurrenten der Autoindustrie erinnerten allerdings an die euphorischen Einschätzungen zur Elektromobilität vor knapp zehn Jahren. Einige Marktbeobachter erweckten wieder den Eindruck, als bliebe in der Branche kurzfristig, das heißt in den kommenden fünf Jahren, kein Stein auf dem anderen.Die Studie der Deutschen Bank geht indes davon aus, dass der Weg zum digitalen Auto “einer Evolution statt einer Revolution gleichen” werde. “Aus unserer Sicht ist mehr Nüchternheit angezeigt.” Dafür sprächen Faktoren auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite, etwa die langen Entwicklungszeiten in der Branche und die Langlebigkeit des Produkts Auto, aber auch seit Jahrzehnten gewachsene Konsumpräferenzen, die sich nur langsam ändern dürften. Zudem sei der Automarkt weniger anfällig für kurzfristige technologische Revolutionen als etwa der Markt für elektronische Konsumgüter. Trendsetter AutoherstellerDen Vorwurf, gerade die deutsche Autoindustrie verschlafe wichtige Entscheidungen auf dem Weg zum digitalen Auto, halten die Autoren der Deutsche-Bank-Studie in ihrer Pauschalität für “schlicht falsch”. Es gebe kein Unternehmen aus der IT-Welt, das über Wissensvorsprünge in Teilbereichen des digitalen Autos hinaus gegenüber der traditionellen deutschen Autobranche uneinholbar vorn liege. Zudem sei die Beherrschung der gesamten automobilen Wertschöpfungskette in einem Massenmarkt eine “beachtliche Marktzutrittsbarriere” für Newcomer. Die Bank kommt zu dem Schluss, dass es dank des Beherrschens der gesamten automobilen Wertschöpfungskette nicht überraschend wäre, wenn viele der heute aktiven Autohersteller nicht nur aus Deutschland sowie ihre Zulieferer auch in 15 bis 20 Jahren die technologischen Trends beim digitalen Auto maßgeblich mitbestimmen.