DSW erwartet lebhaftere Hauptversammlungen

Schleppender Zuwachs an Frauen in Aufsichtsräten

DSW erwartet lebhaftere Hauptversammlungen

ge Berlin – Angesichts einer wachsenden Zahl von Dax-Konzernen mit Problemen geht die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) davon aus, dass die nächste Hauptversammlungssaison lebhafter wird als in diesem Frühjahr. “Wir werden in Deutschland mehr lautere Investoren sehen”, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler bei der Vorstellung einer Corporate-Governance-Studie in Berlin. Mit den beiden angeschlagenen Banken Deutsche und Commerzbank, den unter der Energiewende leidenden Versorgern Eon und RWE, mit K+S, Adidas und jüngst VW reize ein Viertel aller Dax-Werte zum Widerspruch oder (bei Volkswagen) zu einer Änderung der bisherigen Governance-Regeln. Auf die Frage, ob der jetzt öffentlich gewordene Betrug bei dem Autokonzern zumindest zum Teil auf die in Wolfsburg gelebte eigene Corporate Governance zurückzuführen sei, sagte Tüngler: “Ich würde im Endeffekt sagen, ja.” Die Liste der Verstöße gegen die Regeln guter Unternehmensführung sei bei VW “sehr lang”. Keine leeren StühleIn der Untersuchung zur Frauenquote in den Aufsichtsräten (AR) wird laut Tüngler deutlich, dass der Trend hin zu einem höheren Anteil weiblicher Kontrolleure zwar anhält, “die Geschwindigkeit aber wohl noch zu wünschen übrig lässt”. Immerhin würden von den 248 Anteilseignermandaten aktuell 60 (24,2 %) von Frauen gehalten. Auf der Arbeitnehmerseite seien 71 von 239 Posten (29,7 %) von weiblichen Mandatsträgern besetzt. Der Frauenanteil auf der Anteilseignerseite ist seit 2006 deutlich schneller gestiegen als bei den Arbeitnehmern (siehe Grafik). Mit durchschnittlich 26,9 % nähern sich die 30 größten deutschen Aktiengesellschaften der ab 2016 gesetzlich vorgeschriebenen 30-Prozent-Marke an, die dann bei Neuwahlen für AR-Positionen gilt.Den höchsten Frauenanteil in ihren Kontrollgremien haben Henkel (43,8 % ), Münchner Rück (40,0) sowie Merck und Infineon mit je 37,5 %. Keine Frauen – nicht einmal auf der Arbeitnehmerseite – sind in den Kontrollorganen von Fresenius und Fresenius Medical Care (FMC) vertreten, listet die DSW auf. Insgesamt erfüllten von den 28 Dax-Unternehmen, die der 30 %-Quote unterliegen, derzeit nur 13 diese Vorgabe.Noch schlechter sieht es bei den wichtigsten Mandatsfunktionen aus. Lediglich bei Henkel wurde die Familienvertreterin Simone Bagel-Trah zur AR-Vorsitzenden gewählt – alle 29 anderen AR-Chefs im Dax sind Männer. Auch in den wichtigsten Ausschüssen (allen voran das Präsidium, der Prüfungsausschuss, Personal- bzw. Vergütungsausschuss und der Nominierungsausschuss) spielen Frauen mit lediglich 16,3 % der insgesamt 418 Positionen nur eine untergeordnete Rolle – wobei ihr Anteil binnen Jahresfrist um nicht einmal ein Zehntelprozentpunkt stieg.Dagegen geht Tüngler davon aus, dass es genügend qualifizierte Frauen für alle gesetzlichen Vorgaben gibt. Daher ist er sich sicher, dass es den sogenannten “leeren Stuhl” nicht geben wird. Laut Gesetz ist ab 2016 die Wahl eines AR-Kandidaten nichtig, wenn die dann gültige 30-Prozent-Quote nicht erfüllt wird. Neben Haftungsproblemen für den AR-Chef könne sich die Kapitalseite den damit verbundenen Einflussverlust “aus Machtgründen nicht leisten”. Viel Sitzfleisch bei FMCBeim Blick auf die Altersstruktur zeigt die Untersuchung, dass ein Anteilseignervertreter in einem Dax-Aufsichtsrat im Schnitt 61 Jahre alt ist – wobei Frauen mit durchschnittliche 56 Jahren deutlich jünger sind als ihre männlichen Kollegen mit 63 Jahren. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren die Dax-Aufsichtsräte im Schnitt sechs Jahre im Kontrollgremium. Fast die Hälfte von ihnen befindet sich in der ersten Amtsperiode, jede(r) Dritte absolviert den zweiten Turnus, 7 % gehören dem Gremium seit vier oder mehr Perioden an. Die längste durchschnittliche Zugehörigkeit gibt es mit 14 Jahren bei Fresenius Medical Care, die kürzeste mit nur drei Jahren bei der Lufthansa. Den “rheinischen Kapitalismus” der Bonner Republik verfechten heute noch Manfred Schoch und Wilhelm Haarmann, die seit 1988 in den Aufsichtsräten von BMW bzw. SAP ausharren. In solchen Fällen muss sich inzwischen der AR erklären. Beim Nominierungsprozess besteht nach Ansicht von NRW-Geschäftsführerin Christiane Hölz Nachholbedarf. “Halten sich die Unternehmen hier weiterhin zu bedeckt, steht zu erwarten, dass von außen über die Eigentümer oder gar den Regulator eingegriffen wird.”