IM BLICKFELD

Ein Börsencrash lähmt Fondssparer oft über längere Zeit

Von Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 17.3.2020 Die deutschen Fondsgesellschaften gehen in Deckung: Lieber keine Prognose zum Neugeschäft wagen! Union Investment rechnet zwar angesichts des "immer noch herrschenden Anlagenotstandes wieder mit...

Ein Börsencrash lähmt Fondssparer oft über längere Zeit

Von Jan Schrader, FrankfurtDie deutschen Fondsgesellschaften gehen in Deckung: Lieber keine Prognose zum Neugeschäft wagen! Union Investment rechnet zwar angesichts des “immer noch herrschenden Anlagenotstandes wieder mit Nettomittelzuflüssen”, und zwar, “wenn sich die Lage wieder beruhigt hat”. Wegen der “sehr dynamischen Entwicklung” könne das Haus jedoch den Zeitpunkt nicht absehen. Die Kölner Adresse Flossbach von Storch hat nach eigener Aussage noch keine Nettoabflüsse verzeichnet und blickt “vorsichtig optimistisch” auf das Jahr, schränkt aber ein: “Es ist in diesem Umfeld schlicht unmöglich, halbwegs verlässliche Prognosen abzugeben.” Die DekaBank lässt wissen, dass es bisher “weder größere Verkäufe noch Zukäufe” gebe, auf eine Prognose verzichtet das Sparkassenhaus. Allianz Global Investors belässt es beim Allgemeinplatz, dass die Gesellschaft die Marktentwicklung und Portfolios “intensiv” beobachte und im “engen Austausch” mit Kunden stehe. Die börsennotierte DWS äußert sich grundsätzlich nicht zum Absatz im laufenden Quartal.Die Fondsbranche steckt argumentativ in der Zwickmühle. Eine Warnung vor einer anhaltenden Marktmisere kann sie – mit Blick auf das eigene Geschäft – nicht geben, und ein dauerhaft schwächerer Absatz ist ebenfalls keine Prognose, die ein Fondshaus an die Vertriebsstellen senden möchte. Optimismus kann derweil auch schmerzhaft sein, wie die Fondsbranche nach dem Platzen der Dotcom-Blase vor bald zwei Jahrzehnten gezeigt hat. Das Minus vieler Aktienfonds werde langfristig “nur eine kleine Delle im Aufwärtstrend sein”, sagte Horst Zirener, ein damaliger Deka-Manager und Vorstandssprecher der Fondsverbands BVI, Anfang 2001. Er lag weit daneben, auch weil sich der 11. September zur Dotcom-Misere gesellte. Der später amtierende BVI-Präsident Wolfgang Mansfeld zeigte sich in der Finanzkrise ebenfalls optimistisch, ehe er nach dem heftigen Kursrutsch keine Aussage mehr für das Jahr 2009 abgab. Vor wenigen Wochen erst wagte sich der amtierende BVI-Präsident Tobias Pross mit der Prognose vor, die Fondsbranche werde innerhalb eines Jahrzehnts die verwalteten Vermögen mehr als verdoppeln, gerechnet ab 2021. Die Corona-Börsenkrise hat auch er nicht kommen sehen. Vom Kursrutsch geprägtDie Erfahrung legt nahe, dass Sparer verspätet auf Kursaufschwünge reagieren – und einen Crash lange behalten. Die Börsenrally in den neunziger Jahren mündete erst um die Jahrtausendwende in einen starken Publikumsfondsabsatz. Doch nachdem das Neugeschäft nach dem Platzen der Dotcom-Blase und dem 11. September absackte, erholte sich das Geschäft in den Folgejahren kaum, obwohl die Börsen wieder anzogen. In der Finanzkrise 2008 und Staatsschuldenkrise 2011 drehte das Neugeschäft schnell ins Minus. Erst in der zweiten Hälfte des zurückliegenden Jahrzehnts erreichte der Absatz wieder ein höheres Niveau.Ein ähnliches Bild zeigt die Zahl der Aktionäre und Aktienfondssparer: In dem Bärenjahr 2002 sackte die Zahl um 1,3 Millionen ab, während sie in der Finanzkrise 2008 um 1 Million nachgab, schreibt das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das kapitalmarktorientierte Firmen, Banken, Börsen und Investoren vertritt. Seit 2001, als hierzulande rund 12,9 Millionen Menschen Aktien und Aktienfonds hielten, gab die Zahl auf 9,7 Millionen per Ende 2019 nach.Die Fonds- und Aktienkultur hat sich aber verändert: Nicht mehr vermeintlich leichte Gewinne sind Triebfeder des Fondssparens, sondern Null- und Negativzinsen. Sechs von zehn Führungskräften der Branche stufen das Zinsumfeld laut BVI-Umfrage als “großen” oder “sehr großen” Wachstumstreiber ein, übertroffen nur noch von der Nachhaltigkeit. Auch die langweilig anmutende Innovation des Fondssparplans gibt Stabilität: Sowohl die Volks- und Raiffeisenbanken mit Union Investment als auch die Sparkassen mit der DekaBank haben die Zahl der Sparpläne in wenigen Jahren ausgebaut und kommen jeweils auf etwa 5 Millionen Verträge. Direktbanken wiederum zählen insgesamt mehr als 1 Million ETF-Sparpläne.Lernen könnten private Sparer von institutionellen Anlegern: Das Neugeschäft von Spezialfonds, die etwa für Versicherer, Altersvorsorgeeinrichtungen und Unternehmen aufgelegt werden, ist stabiler als das Massengeschäft mit privaten Sparern. “Institutionelle Anleger zeigen sich recht besonnen und halten ihr Pulver trocken”, schreibt Union Investment. “Bei den Privatkunden nimmt die Nervosität mit jedem neuen Kurseinbruch zu und sie suchen nach Rat, was sie nun tun sollen.” Bisher verhalten sich Privatleute demnach aber noch verhältnismäßig gelassen – vielleicht haben sie hinzugelernt.