Studie

Einkäufer setzen auf Altbewährtes

In der aktuellen Beschaffungskrise versuchen Einkaufsabteilungen vor allem mit klassischen Methoden, Engpässe zu vermeiden. Digitale Hilfsmittel, mit denen das Problem zum Teil schon an der Wurzel gepackt werden kann, kommen dagegen noch selten zum Einsatz.

Einkäufer setzen auf Altbewährtes

kro Frankfurt

Unternehmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie im Vereinigten Königreich und in den Benelux-Ländern tun sich trotz aller momentanen Probleme in der Beschaffung laut einer Studie noch schwer mit dem Einsatz digitaler Tools zum Risikomanagement. Zwar stellen Versorgungsengpässe derzeit mit Abstand das größte Risiko dar, wie eine Umfrage der auf den strategischen Einkauf und Supply Chain Management spezialisierten Unternehmensberatung Inverto aus Köln unter 83 Firmen ergeben hat. Allerdings ist der Anteil jener, die sich überhaupt mit dem systematischen Erfassen und Bewerten von Risiken beschäftigen, im Vergleich zum Vorjahr von 61 % auf 55 % gesunken.

Von denen, die ein systematisches Risikomanagement betreiben, nutzen nur 16 % digitale Tools in hohem Maße. Bei 55 % kommen die Anwendungen zudem nur teilweise zum Einsatz. Hier gebe es noch Luft nach oben, wie es in der Studie heißt. „Seit dem Beginn der Pandemie sind viele Einkäufer bildlich gesprochen mehr damit beschäftigt, Feuer zu löschen, als in Brandschutz zu investieren“, sagte Philipp Mall, Managing Director bei Inverto, der Börsen-Zeitung. Dabei müsse der Brandschutz − also proaktives Risikomanagement und Digitalisierung − strategisch angegangen werden, um wirklich erfolgreich zu sein. „Wenn Einkaufsabteilungen aber ständig neue Lösungen finden müssen, um die Versorgung mit wichtigen Materialien zu sichern, haben sie dafür weder die Zeit noch den gedanklichen Freiraum“, so Mall. Entsprechend würden viele dann doch auf die bewährten klassischen Maßnahmen zurückgreifen.

Zu den klassischen Maßnahmen gehören laut der Inverto-Studie etwa das Abschließen langfristiger Rahmenverträge, die Umsetzung einer Zweilieferantenstrategie oder der Aufbau von Sicherheitsbeständen. Dabei ist der Anteil jener befragten Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr für Letzteres entschieden haben, im Vergleich zum Vorjahr besonders stark auf 60 % gestiegen. Auf Big-Data-Technologie und künstliche Intelligenz zur Überwachung der Lieferanten greifen dagegen nur 8 % aller Teilnehmer zurück.

„Unserer Erfahrung nach ist das Problem häufig, dass vorhandene Daten nicht zusammengeführt werden, um daraus Erkenntnisse zu ziehen“, erklärt Mall. Dazu würden Unternehmen noch zu wenig auf externe Daten wie zum Beispiel Analysen von Kreditversicherern zurückgreifen. Diese könnten den Firmen jedoch helfen, Insolvenzrisiken bei den Lieferanten zu erkennen.

„Indizes von Rohstoffbörsen wiederum können Hinweise darauf geben, wie sich Preise und Verfügbarkeiten wichtiger Rohmaterialien entwickeln“, fügt Mall hinzu. Denn darum, die Preise im Auge zu behalten und im Zweifelsfall mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern, gehe es beim Risikomanagement schließlich auch. Hier hatten die befragten Unternehmen zuletzt jedoch noch weit größere Schwierigkeiten als bei der Versorgungssicherung. Durch die Corona-Pandemie sehen 85 % der Firmen weiterhin große oder sehr große Auswirkungen auf die Einkaufspreise. 71 % rechnen infolgedessen mit einem zunehmenden Kostendruck.

Je nach Branche und Größe schaffen es manche Unternehmen zwar, die gestiegenen Preise an ihre Kunden weiterzureichen. Wem es im Einkauf jedoch gelingt, die Preise auszubalancieren und dadurch geringere Aufschläge zu fordern, der erziele in der Situation Wettbewerbsvorteile, sagt Mall.