Einzelhändler in Frankreich im Stress

Ausgangssperre verändert die Konsumgewohnheiten - Amazon schließt Vertriebszentren

Einzelhändler in Frankreich im Stress

Entgegen dem Trend in anderen Ländern gehört Amazon in Frankreich nicht zu den Einzelhändlern, die von der Ausgangssperre profitieren. Der Internetriese will nun seine Vertriebszentren vorübergehend schließen, nachdem ihn ein Gericht verurteilte, nur noch lebensnotwendige Produkte zu liefern. wü Paris – Einkaufen, um dringend benötigte Waren zu besorgen, gehört zu den wenigen Tätigkeiten, für die die Franzosen noch das Haus verlassen dürfen. Deshalb hat die von Präsident Emmanuel Macron verhängte Ausgangssperre auch die Konsumgewohnheiten in dem Land verändert. Und doch gehört Amazon in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone dabei nicht zu den großen Gewinnern. Während der US-Versandhandelsgigant in anderen europäischen Ländern in den letzten Wochen stark zulegen konnte, ist sein Marktanteil laut Angaben von Foxintelligence in Frankreich seit Inkrafttreten der Ausgangssperre am 17. März sogar leicht gesunken. Demnach kamen andere Internethändler in der ersten Aprilwoche den Angaben zufolge auf 64 %, Amazon nur auf 36 %.Ein französisches Gericht ordnete jetzt auch noch an, dass sich der Versandriese auf die Lieferung von essenziellen Gütern wie Lebensmittel und medizinische Produkte beschränken müsse, solange er nicht nachgewiesen habe, dass seine Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus effizient seien. Die Gewerkschaft Sud-Solidaires hatte eine entsprechende Klage eingereicht. Amazon droht nun bei Zuwiderhandlung eine Strafe von 1 Mill. Euro pro Tag. Der Internetriese will nun seine Vertriebszentren in Frankreich deshalb vom 16. bis zum 20. April schließen.Davon profitieren dürften andere Internethändler wie das Kulturkaufhaus Fnac und Cdiscount, die E-Commerce-Tochter von Casino. Zu den großen Gewinnern der Ausgangssperre gehören jedoch vor allem Drive-Supermärkte, Lebensmittelbringdienste, kleinere Supermärkte im Nachbarschaftsformat und Tiefkühlkost. Dagegen machen französische Verbraucher um die meist in Vororten gelegenen riesigen Hypermarché genannten Supermärkte inzwischen einen noch größeren Bogen. In den 80ern und 90ern sehr beliebt, sind sie bereits seit ein paar Jahren weniger gefragt. Angesichts der Coronavirus-Epidemie werden sie nun noch stärker gemieden, da viele Konsumenten fürchten, dort herrsche starkes Gedränge und damit eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Uneinheitliches BildDas zeigt sich auch an den Marktanteilen der Einzelhändler. So mussten sowohl Casino als auch Auchan und Carrefour im März leichte Rückgänge hinnehmen, schätzt das auf Einzelhandel spezialisierte Fachmagazin “LSA Conso”. Dagegen konnte die Mousquetaires-Gruppe mit ihren Ketten Intermarché und Netto ihren Marktanteil auf 15,5 % steigern, genau wie die Kooperative SystèmeU, die nun auf 11,6 % kommt. Marktführer bleibt E.Leclerc mit einem stabilen Marktanteil von 21,3 %.Alle drei Gruppen haben auch von ihren Drive-Supermärkten profitiert, die sich seit Ausbruch der Epidemie einer steigenden Beliebtheit erfreuen. Kamen sie Ende Februar laut dem Marktforschungsinstitut Nielsen noch zusammen mit dem übrigen Lebensmittel-Internethandel auf einen Marktanteil von nur 6,1 %, waren es Anfang April bereits 10,6 %. Laut einer im letzten Jahr von Nielsen veröffentlichten Studie ist Frankreich mit 5 113 Drive-Supermärkten ohnehin führend in Europa. Die Coronavirus-Pandemie scheint diesen Trend noch zu verstärken. Gefüllte VorratskammernWie Verbraucher in anderen Ländern haben Franzosen vor und zu Beginn der Ausgangssperre verstärkt Vorräte angelegt. Entsprechend sind die Verkäufe zwischen dem 24. Februar und dem 22. März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 21,5 % gestiegen. Entsprechend sind Lebensmittel zusammen mit Arzneimitteln laut der Banque de France die einzigen Produktkategorien, die im ersten Quartal zulegen konnten. Laut einer von Yougov für das Nachrichtenmagazin “Nouvel Obs” durchgeführten Umfrage kaufen 43 % der französischen Verbraucher mehr frische Früchte und Gemüse. Gleichzeitig kaufen 23 % der Konsumenten mehr tiefgefrorene Produkte als sonst.