IM GESPRÄCH: MICHAEL ZIESEMER

Elektroindustrie rechnet 2017 mit Erlösrekord

Präsident des Branchenverbands ZVEI optimistisch nach regem Ordereingang im Halbjahr - Bedeutung der Autoindustrie wird betont

Elektroindustrie rechnet 2017 mit Erlösrekord

Von Sebastian Schmid, FrankfurtDas Geschäft der deutschen Elektroindustrie brummt wie lange nicht. “Wahrscheinlich wird die Elektroindustrie in diesem Jahr einen Umsatzrekord aufstellen”, prognostiziert Michael Ziesemer, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI). Der bisherige Rekord von 182 Mrd. Euro stammt noch aus der Zeit vor der Finanzkrise. “Den Wert haben wir bislang noch nicht übertreffen können. Allerdings sind wir in den ersten sechs Monaten auf 92,5 Mrd. Euro gekommen. Wenn man das hochrechnet, sollten wir eine neue Bestmarke setzen können”, befindet der 66-jährige Vizepräsident des Verwaltungsrats der Schweizer Endress + Hauser AG, der erst im Mai vom Vorstand des ZVEI für seine zweite dreijährige Amtsperiode bestätigt worden war. Nachholbedarf in Südeuropa”Der Umsatz hat im ersten Halbjahr um 6,8 % zugelegt, der Auftragseingang sogar um 8,7 %. Die Stimmung in der Branche ist sehr gut”, befindet Ziesemer. Das liege vor allem daran, dass sich endlich auch in den südlichen Ländern Europas der Nachholbedarf zeige. “Bemerkenswert finde ich, dass die Auslandsauftragseingänge aus der Eurozone um 13,6 % gewachsen sind. Das ist eine sehr gute Nachricht für Europa” – und damit für die deutsche Elektroindustrie (siehe Grafik).”China und USA nehmen jeweils fast ein Zehntel der Branchenausfuhren ab. Europa kommt derweil auf fast zwei Drittel. Daran lässt sich leicht ablesen, welche Bedeutung der Heimatkontinent weiter hat”, befindet Ziesemer. Der europäische Binnenmarkt sei für die Branche die wichtigste wirtschaftspolitische Errungenschaft, “die wir jetzt zum digitalen Binnenmarkt ausbauen müssen”. Die in Deutschland gemessene Exportschwäche im Juni werde aus seiner Sicht viel zu hoch gehängt. “Bei uns ist zwar auch die Produktion um 2,7 % geschrumpft. Allerdings hatte der Monat auch zwei Arbeitstage weniger als im Vorjahr, so dass man den Rückgang um diesen Effekt bereinigen müsste.”Gar nicht hoch genug einschätzen könne man die Bedeutung der Autobranche. Die Automobilindustrie habe zwar nur einen direkten Umsatzanteil bei den Elektrofirmen von rund 5 %. “Allerdings macht dieser Wert nicht ganz deutlich, welche Bedeutung die Branche als Cluster für uns und die deutsche Volkswirtschaft insgesamt hat: Der Autosektor ist ein bedeutender Hauptabnehmer der chemischen Industrie, ein wichtiger Kunde der Werkzeugmaschinenbauer, Stahlindustrie usw. Das heißt, das Wohl der Automobilbranche ist bedeutend für zahlreiche Unternehmen und Branchen”, springt Ziesemer den derzeit wegen des Diesel-Skandals viel kritisierten Branchenvertretern bei. Mit einem stetig steigenden Anteil von Elektronik in Personenkraftwagen ist die Autoindustrie zudem ein wichtiger Wachstumstreiber für viele Mitgliedsunternehmen. Ziesemer glaubt zwar, dass die Zukunft mittelfristig der E-Mobilität gehören wird, die dann noch höhere Wertschöpfungsanteile für die Elektroindustrie als bisher schon bedeuten könnte. Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg. Von der nötigen Tankinfrastruktur sei man etwa noch weit entfernt, urteilt der Fahrer eines “Autos mit Hybridantrieb” aus eigener Erfahrung.Die Digitalisierung in praktisch allen Industrien sorge derweil dafür, dass die Elektroindustrieunternehmen zunehmend in Software investieren. Zwar habe die Branche schon immer in Software – sogenannte eingebettete Systemsoftware – investiert und sei hier stark aufgestellt. In zunehmend wichtigen Bereichen wie der Datenanalyse sei man derweil in einer wachsenden Konkurrenzsituation mit großen IT-Firmen, die ganz ohne Branchenexpertise daherkommen. Dieser Wettbewerb sei noch völlig offen.Neben dem Wettbewerb um Kunden stehe man auch in einem Wettbewerb um Talente. Aber auch da stehe man gut da. Besonders freut sich Ziesemer über 7 000 neue Arbeitsplätze, die die Branche im ersten Halbjahr in Deutschland geschaffen habe.