Empörung über Kohleausstiegsgesetz

Konzernmanager: Entwurf muss dringend umgeschrieben werden - "Sonst ziehen wir vor Gericht"

Empörung über Kohleausstiegsgesetz

Der Entwurf für das Steinkohleausstiegsgesetz enthält Sprengstoff: Sollten sich bei einer Ausschreibungsrunde zu wenige Betreiber finden, die ihre Anlagen stilllegen, greift Zwang. Ab 2023 werden zusätzlich die ältesten Meiler abgeschaltet, bis die Zielgröße erreicht ist – eine Enteignung ohne Entschädigung.cru Frankfurt – Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für das Steinkohleausstiegsgesetz stößt in Kreisen großer Kohlekonzerne wie Steag und RWE auf heftige Ablehnung. Es geht um die milliardenschweren Entschädigungen für die beschleunigte Abschaltung von 21 Gigawatt Steinkohlekraftwerken bis 2038, davon 13 Gigawatt bis 2030 und 6 Gigawatt bis 2022. Unter bestimmten Umständen sollen Schließungen auch ohne Entschädigung erfolgen können, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, der der Börsen-Zeitung vorliegt.”Das ist, als ob Sie mit jemand verhandeln und dabei liegt die Pistole auf dem Tisch. Die Pistole ist in diesem Fall das Ordnungsrecht, das nach den gegenwärtigen Plänen im Gesetz im Zweifel eingesetzt würde, um Kraftwerke ohne Entschädigung abzuschalten”, sagt ein hochrangiger Konzernmanager, verantwortlich für Beziehungen zur Politik.Der Gesetzentwurf müsse dringend umgeschrieben werden, bevor er Ende September in die Ressortabstimmung gehe. Das Wirtschaftsministerium habe die vorher eingeholte Kritik und die Anmerkungen der Marktteilnehmer komplett ignoriert. Anders als angekündigt seien die Empfehlungen der Kohlekommission vom Januar 2019 nicht befolgt worden. Das gefährde den gesellschaftlichen Konsens, den die Kohlekommission herbeigeführt hatte.Demnach sollte mit den Betreibern der Kohlekraftwerke eine einvernehmliche Lösung gesucht werden. Der Gesetzentwurf sieht nun Auktionen vor, bei denen derjenige Betreiber den Zuschlag für eine entschädigte Abschaltung erhält, der am wenigsten als Entgelt dafür verlangt. Reicht die angebotene Menge zu dem – entgegen der Vereinbarung der Kohlekommission – vor der Auktion festgesetzten Höchstpreis jedoch nicht aus, soll nach dem Jahr 2030 auch per Einsatz des Ordnungsrechts und ohne Entschädigung stillgelegt werden können.”Das würde dann auch jüngere Anlagen betreffen, die weniger als 20 Jahre alt sind. Und das zu einem Zeitpunkt, wenn sie gutes Geld verdienen würden”, klagt ein Branchenmanager. “Sollte der Gesetzentwurf so bleiben, dann würden wir dagegen vor Gericht ziehen, weil es sich um eine Enteignung ohne Entschädigung handeln würde.” Genau das jedoch habe die Kohlekommission durch ihre im Konsens erzielten Empfehlungen verhindern sollen.Zur Reduzierung und Beendigung der Steinkohleverstromung in Deutschland schlägt die Kohlekommission namens Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung vor, die deutschen Steinkohlekraftwerke schrittweise in einem Umfang stillzulegen oder umzurüsten, dass deren Leistung bis zum Jahr 2022 von derzeit 21 Gigawatt auf rund 15 Gigawatt und bis zum Jahr 2030 auf höchstens 8 Gigawatt reduziert wird und die Verstromung von Steinkohle spätestens 2038 endet.Im Gesetzentwurf steht auf Seite 19, was geschieht, wenn die Branche nicht spurt: “Im Übrigen findet bei einer Unterzeichnung der Ausschreibung ab der Zuschlagserteilung zum 31. Mai 2022 für das Zieljahr 2023 für die Differenz aus dem Ausschreibungsvolumen und der Summe der Gebotsmengen der bezuschlagten Gebote der gesetzliche Reduktionspfad Anwendung.”Mit dem Steinkohleausstiegsgesetz treibt die Bundesregierung kurz vor der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts am 20. September auch den Kohleausstieg voran. Die Entschädigungszahlungen werden in Regierungskreisen auf deutlich unter 1 Mrd. Euro beziffert. Bislang hat das Kabinett nur die Hilfen von 40 Mrd. Euro für die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen besonders in Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen beschlossen. Die Bundesregierung fokussiert sich im Gesetzentwurf zunächst auf die Steinkohlekraftwerke. Das Aus für die Braunkohleanlagen soll in Entschädigungsverhandlungen mit den jeweiligen Betreibern noch im Herbst festgelegt werden. Der letzte Braun- oder Steinkohlemeiler soll spätestens 2038 die Produktion einstellen. Ausschreibungen ab 2020Für die Steinkohleanlagen gibt es Ausschreibungen. Die Bundesregierung legt zunächst ab 2020 jährlich eine bestimmte Menge an Steinkohleleistung fest, die vom Netz gehen soll. Dann fordert sie die Betreiber auf, Entschädigungszahlungen für die Abschaltung einzureichen, wobei eine Summe vorgegeben wird, die höchstens gezahlt wird. Diese ist im Entwurf ebenso offengelassen wie die konkrete Jahresmenge an Steinkohleleistung. Unter Berücksichtigung der Gebotshöhe, aber auch der Stabilität des Stromnetzes trifft die Netzagentur dann die Auswahl.