Evergrande

Entschuldungsoffensive gestartet

Das chinesische Firmenkonglomerat China Evergrande Group will einen Teil seines riesigen Schuldenbergs abtragen und sich neue Refinanzierungsquellen am Aktienkapitalmarkt erschließen. Gleichzeitig will man sich auch von Randaktiva trennen.

Entschuldungsoffensive gestartet

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Der für seinen gewaltigen Schuldenberg berühmt-berüchtigte chinesische Immobilienentwickler China Evergrande Group startet eine neue Bilanzsanierungsinitiative mit dem Ziel, die Verbindlichkeiten bis Jahresmitte 2023 ungefähr zu halbieren.

IPO im Coronajahr 2020

Das vom Multimilliardär Hui Ka Yan gegründete und geführte Firmenkonglomerat umspannt neben Chinas größtem Wohnimmobilienentwickler und dem Betrieb von Krankenhauseinrichtungen auch ein neu aufgezogenes und äußerst kapitalhungriges Start-up-Unternehmen für den Bau von Elektrofahrzeugen. Die Evergrande New Energy Vehicles (NEV) genannte Gesellschaft wurde im vergangenen Jahr separat an die Hongkonger Börse gebracht und hat dort für einige Furore gesorgt.

Akute Liquiditätsklemme

Evergrande war im vergangenen Jahr in eine akute Liquiditätsklemme geraten, die einige Unruhe am chinesischen Bondmarkt aufkommen ließ und letztlich auch die chinesische Regierung auf den Plan rief. Im Herbst stellten Finanzregulatoren neue Richtlinien beziehungsweise Kenngrößen für maximal zulässige Verschuldungsrelationen von Immobilienkonzernen vor.

Diese muss China Evergrande bis Ende 2022 erfüllen, um weiterhin Zugang zu neuen (in China teilweise genehmigungspflichtigen) Bank- und Bondrefinanzierungen zu er­halten.

Wie Evergrande im Rahmen der Vorstellung der Jahresergebnisse für 2020 nun betont, wird der Schuldensanierungsplan vor allem darauf bauen, neue Refinanzierungsquellen am Aktienkapitalmarkt zu erschließen. Gleichzeitig will man sich von Randaktiva trennen sowie mit einer aggressiven Preiskampfstrategie für einen rascheren Verkaufsumschlag bei neuen Wohnungsbauprojekten sorgen und damit die Liquiditätssituation verbessern. Evergrande, deren Konzernverschuldung im Juni 2020 einen Rekordwert von 760 Mrd. Yuan und damit umgerechnet fast 100 Mrd. Euro erreicht hatte, konnte den Berg seitdem auf 674 Mrd. Yuan zum März-Ultimo abtragen.

Der Berg wird abgetragen

Der neue Plan sieht nun einen weiteren Abbau auf etwa 350 Mrd. Yuan bis zur Jahresmitte 2023 vor, wobei für das laufende Jahr eine Schuldenreduzierung um 150 Mrd. Yuan vorgesehen ist. Gleichzeitig betont Evergrande, dass man die neuen Verschuldungsgrenzen für chinesische Immobilienfirmen spätestens bis Ende 2022 allesamt einhalten können werde.

Evergrande sieht sich im Kerngeschäft mit Wohnimmobilienprojekten einer deutlichen Ertragserosion gegenüber. Im Jahr 2020 schrumpfte der bereinigte Gewinn um 26% auf 30,1 Mrd. Yuan, das sind knapp 4 Mrd. Euro, während die Analysten mit einem Rückgang um bis zu 40% gerechnet hatten. Zuvor im Geschäftsjahr 2019 waren die Evergrande-Gewinne bereits um knapp 50% zurückgedrängt worden. Die zur Cash-flow-Stärkung erforderlichen Preisoffensiven beim Neuwohnungsverkauf dürften auch in diesem Jahr auf die Profitabilität des Immobiliengeschäfts drücken.

E-Autobau verzögert sich

Auch in der neuen Automobilsparte für hochwertige Batteriefahrzeuge, die nach den Vorstellungen von Hui das Zeug haben soll, Tesla in Zukunft die Führungsposition im globalen E-Automarkt streitig zu machen, läuft es nicht sonderlich rund. Wie Hui nun konzediert, wird sich der für die Jahresmitte avisierte Produktionsprobelauf für die ersten Evergrande-NEV-Modelle um ein halbes Jahr verzögern.

So wird eine Massenproduktion von Evergrande-Autos frühestens im Jahr 2022 anlaufen können. Damit ist schwer ersichtlich, wie Evergrande zu einem ernsthaften Konkurrenten von Tesla im chinesischen Markt werden soll, zumal eine ganze Reihe von vielversprechenden chinesischen Start-up-Firmen wie Nio, Xpeng und Li Auto bereits mit einer frischen Modellpalette im Markt sind.

Turmhohe Bewertung

Zur Freude von Hui hat dies allerdings der turmhohen Bewertung der Evergrande NEV an der Hongkonger Börse nicht geschadet. So kommt der Neuling auf eine stolze Marktkapitalisierung von 554 Mrd. HK-Dollar (rd. 61 Mrd. Euro), was nicht nur fast das Dreifache der mit 189 Mrd. HK-Dollar bewerteten Konzernmutter Evergrande Group ist, sondern auch den Marktwert eines globalen Autoriesen wie Ford Motor noch deutlich übersteigt.