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Equal Pay: Entsendungen werden teurer

Börsen-Zeitung, 1.10.2020 Seit dem 30. Juli gilt in vielen EU-Ländern bei Mitarbeiter-Entsendungen innerhalb der EU der Equal-Pay-Grundsatz. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Mitarbeiter in den Zielländern...

Equal Pay: Entsendungen werden teurer

Seit dem 30. Juli gilt in vielen EU-Ländern bei Mitarbeiter-Entsendungen innerhalb der EU der Equal-Pay-Grundsatz. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Mitarbeiter in den Zielländern zukommen lassen, insbesondere auch ein entsprechendes Gehalt zahlen. Die Regelung gilt in den meisten Fällen auch bei kurzzeitigen Dienstreisen.Der Equal-Pay-Grundsatz geht auf die reformierte Entsenderichtlinie der EU und die vor kurzem erfolgte Umsetzung im Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) zurück. Neben Deutschland haben unter anderem auch Belgien, Frankreich, Niederlande, Slowakei, Schweden und die Tschechische Republik die Richtlinie umgesetzt – der Grundsatz gilt also auch bei Reisen in diese Länder. Drittstaatsangehörige sind nicht ausgenommen. Für diese können unter Umständen noch strengere arbeitsrechtliche Anforderungen zu erfüllen sein als Ausfluss aufenthaltsrechtlicher Vorschriften zum Erwerb einer Arbeitserlaubnis. Keine EU-weite ÜbersichtUnternehmen müssen nun die Vorgaben allgemeinverbindlicher Tarifverträge im Empfangsstaat in ihre Vergütungsregeln mit einbeziehen. Die Ermittlung der jeweils anwendbaren Tarifverträge kann im Ausland deutlich schwieriger ausfallen als in Deutschland. Viele EU-Mitgliedstaaten haben mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge als Deutschland und kennen zudem keine Beschränkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge auf ausgewählte Branchen wie in Deutschland. Eine EU-weite Übersicht existiert nicht.Bei Entsendungen sind künftig nicht mehr nur gesetzliche Mindestlöhne zu beachten – vielmehr kommt es auf die tarifvertragliche Gesamtvergütung an, sofern allgemeinverbindliche Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis des entsandten Mitarbeiters im Empfangsstaat Anwendung finden. Die Gesamtbruttovergütung umfasst neben dem Grundgehalt auch Vergütungsbestandteile, die für die Erbringung der Arbeitsleistungen gewährt werden. Unbeachtlich hingegen sind Vergütungsbestandteile, die zur Erstattung von tatsächlich entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Entsendung gezahlt werden.Nicht angerechnet werden typischerweise Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten. Nach dem Gesetz werden darüber hinaus auch Zulagen als nicht anrechenbar angesehen, deren Zweck nicht eindeutig definiert ist. Im Ergebnis kann das bedeuten, dass eine Zulage, welche die Entlohnung auf das Niveau des Empfängerlands anheben sollte, nicht mit angerechnet wird und der Arbeitgeber dem entsendeten Arbeitnehmer noch weitere Zahlungen schuldet. Unternehmen sollten deshalb alle Vergütungsbestandteile präzise definieren und Nettozulagen in Bruttobeträge umrechnen, da die Bruttovergütung zählt. In der Praxis führt die Ermittlung der Anrechnungsfähigkeit von Zulagen oft zu Schwierigkeiten, weil es an klaren Vorgaben häufig fehlt. Unterschiedliche StrategienDer Equal-Pay-Grundsatz setzt die Vergleichbarkeit der Mitarbeiter voraus. Eine Maßgabe, wie diese Vergleichbarkeit geprüft werden soll, bietet die Richtlinie nicht. Solange diese Frage nicht durch die nationalen Gesetzgeber oder durch Gerichte geklärt ist, sollten Unternehmen eigene, interne Eingruppierungsregeln erarbeiten und anwenden.Unternehmen sollten außerdem im Blick behalten, dass gewisse Vergütungsbestandteile auch aus anderen Gründen zwingend zu gewähren sind. So legt in einigen Mitgliedstaaten das Arbeitsrecht die Vergütung von Überstunden fest, und zwar unabhängig von der Höhe der Restvergütung. Bei der Ermittlung der Gesamtbruttovergütung im Sinne des Equal-Pay-Grundsatzes können diese Zulagen dann nicht mehr berücksichtigt werden.Vor diesem Hintergrund wird die Strategie zur Umsetzung der Equal-Pay-Anforderungen von Land zu Land anders ausfallen müssen: Bei der Entsendung von einem Hochlohnland in ein Niedriglohnland wird die Ermittlung zwingender Zulagen beziehungsweise günstigerer Arbeitsbedingungen im Empfangsstaat im Fokus stehen. Im umgekehrten Fall müssen Unternehmen zusätzlich die Einhaltung der Höhe der Grundvergütung sicherstellen.Die nach der Entsenderichtlinie schon bestehenden EU-Registrierungspflichten dienen ab sofort der Sicherstellung der Equal-Pay-Anforderungen. Die Equal-Pay-Sanktionen sind allerdings deutlich höher, deshalb sollten Unternehmen die Registrierung an diesen Anforderungen ausrichten.Bei längerfristigen Entsendungen sind sämtliche Arbeitsbedingungen des Empfangsstaates zu beachten. Ausgenommen sind nur Regeln des Kündigungsrechts, des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sowie der betrieblichen Altersvorsorge. Da diese für das Arbeitsverhältnis wichtigen Vorschriften nicht zur Anwendung kommen sollen, ist eine vertragliche Gestaltung von Mitarbeitereinsätzen auf der Basis einer Entsendevereinbarung mit der Heimatgesellschaft weiterhin möglich. Dennoch können lokale Verträge unter anderen Gesichtspunkten zielführender sein, etwa wegen steuerlicher Fragen, zur Vermeidung unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung oder zur Anwendung der Vorschriften nur einer Rechtsordnung. Sachka Stefanova-Behlert, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei KPMG Law