RECHT UND KAPITALMARKT

Erfahrungen beim Markteintritt in China

Das Land öffnet sich zunehmend für Investitionen aus dem Ausland - Regierung bewahrt sich allerdings Spielräume

Erfahrungen beim Markteintritt in China

Von Dietmar Helms und Jörg Herwig *)Gleich zu Beginn seines jüngsten China-Besuchs Ende Juni hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier klargemacht: “Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen ohne Diskriminierungen und Benachteiligungen.” Denn seit vielen Jahren schon klagen ausländische Unternehmen etwa über erzwungenen Wissenstransfer oder strikte Auflagen. China hat, auch in jüngster Vergangenheit, schon einige Hebel in Bewegung gesetzt. Durch das neue Investitionsgesetz für ausländische Unternehmen (New Foreign Investment Law) könnte sich nun die Lage weiter zum Besseren wenden – und erheblich mehr Marktöffnung bedeuten.Chinas derzeitige wirtschaftliche Lage wirkt angespannt. Hintergrund sind neben externen Faktoren wie dem drohenden Handelskrieg mit den USA auch interne Faktoren, insbesondere sinkende Exporte und die ansteigende öffentliche Verschuldung. Auch der andauernde Strukturwandel mit steigenden Löhnen und Lebenshaltungskosten trägt dazu bei, dass sich China Investitionen von außen stärker öffnen muss. Dazu kommt eine Vielzahl generalklauselartiger gesetzlicher Regelungen, die Rechtsunsicherheit schaffen.Gleichzeitig ist das wirtschaftliche Potenzial Chinas weiterhin nicht zu unterschätzen. Mit einem Handelsvolumen von knapp 199 Mrd. Euro 2018 ist China einer der größten und bedeutendsten Handelspartner Deutschlands. Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern weist das Land einen nahezu unerschöpflichen Konsumenten- und Absatzmarkt vor. Darüber hinaus hat die chinesische Regierung zur internen Stabilisierung in bestimmten Branchen bereits Steuererleichterungen vorgesehen und Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen gesenkt. Zusätzlich wird der Dienstleistungssektor weiter ausgebaut. Ferner gewinnen Investitionsstandorte im Westen Chinas, wie etwa das Pearl River Delta, zunehmend an Attraktivität – nicht zuletzt gefördert durch das sogenannte Go-West-Programm der Regierung. China verfügt zudem über eine intakte Infrastruktur – durch das sogenannte One-Belt-Projekt, die “Neue Seidenstraße”, auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Damit ist und bleibt China in naher Zukunft ein interessanter Investitionsstandort.Während zu Beginn der chinesischen Öffnung nur Joint Ventures mit chinesischem Mehrheitsgesellschafter zugelassen waren, hat sich inzwischen vieles getan. Derzeit sind sogar vollständige ausländische Direktinvestitionen möglich. Bei den Foreign Investment Enterprises, also Unternehmen mit ausländischer Investorenbeteiligung, werden aktuell zwei Arten unterschieden: Joint Ventures und Wholly Foreign Owned Enterprises (WFOE). Mehrere VariantenEin Joint Venture stellt im Grundsatz eine gemeinschaftliche Beteiligung von in- und ausländischen Investoren dar. Üblich ist die Ausgestaltung als Equity Joint Venture unter Gleichlauf von Gewinnanteilen und investiertem Kapital. Denkbar ist aber auch ein Cooperative Joint Venture, dessen Gewinn- und Risikoteilung freivertraglich ausgestaltet wird. Demgegenüber stehen die WFOEs als in China häufigste Form ausländischer Direktinvestitionen mit ausschließlich ausländischem Kapital.Der Zugang ausländischer Investoren zum chinesischen Markt durch Registrierung der Gesellschaften unterlag bisher im Wesentlichen zwei Regelungskonzepten: dem Lenkungskatalog und der Negativliste. Der Mitte der 1990er Jahre von der National Development and Reform Commission (NDRC) eingeführte und mehrfach, zuletzt 2017, überarbeitete Katalog zur Lenkung ausländischer Investitionen in China enthält branchenspezifische Erlaubnisse und Förderungen für den Zugang ausländischer Investoren zum chinesischen Markt. Im Fokus steht vor allem der Industrie- und Technologiesektor.Im Jahr 2018 veröffentlichte die NDRC in Zusammenarbeit mit dem Ministry of Commerce (Mofcom) zudem eine überarbeitete, gekürzte Negativliste für 48 Industrien, die branchentypische Beschränkungen, insbesondere in den Bereichen Telekommunikation, Finanzdienstleistungen und Ausbildung, sowie Verbote, vor allem in den Bereichen Militär, Internet und Medien, festsetzt. Zudem werden Beteiligungshöchstgrenzen für bestimmte Industrien aufgehoben, unter anderem bei Verkehr und Energieversorgung. Ziel der Änderung war eine zunehmende Liberalisierung der Rahmenbedingungen für ausländische Investoren. Beschränkt zulässig sind jetzt vor allem Investitionen in wettbewerbsintensiven Branchen mit inländischer Überkapazität sowie in den Bereichen Infrastruktur und Landwirtschaft. Hier ist auf Antrag sogar eine Einstufung als erlaubtes Projekt denkbar, sofern sich der Investor verpflichtet, mindestens 70 % der Produktion zu exportieren. Besonderes Augenmerk ist dabei jedoch auf das Genehmigungsverfahren zu richten. MeilensteinDer Prozess gilt als komplex und stellt besondere Anforderungen an ausländische Investoren, etwa ein höheres Mindestkapital oder spezielle Investorenqualifikationen. Vollständig verboten sind insbesondere Investitionen in den vorgenannten politisch sensiblen Bereichen. Bei Verstößen müssen Investoren mit konsequenter Annullierung und gegebenenfalls weitreichender Haftung rechnen. Die Negativliste soll jetzt abermals überarbeitet werden, kündigte die Regierung in Peking am 20. Juni an.Ein neuer Meilenstein wurde indes Mitte März dieses Jahres erreicht – mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur weiteren Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Investoren, das zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll.Das Investitionsgesetz ersetzt zahlreiche Einzelgesetze, wie das Sino Foreign Equity Joint Venture Law (EJV Law), das Sino Foreign Cooperative Joint Venture Law (CJV Law) und das Wholly Foreign Owned Enterprise Law (WFOE Law) und dient damit als Grundlage weiterer Rechtsvereinheitlichung und Weiterentwicklung.Das Gesetz sieht den Abbau bürokratischer Hindernisse und die Schaffung eines gleichwertigen Marktzugangs für in- und ausländische Investoren vor. Dies soll einen fairen Wettbewerb und Investitionen in China fördern. Verstaatlichungen oder Enteignungen von Unternehmen sollen danach nur noch ausnahmsweise stattfinden. Der Schutz von geistigem Eigentum und betrieblichem Know-how soll – noch über den kürzlich bereits verbesserten – Standard angehoben werden, was vor allem durch Direktansprüche bei Verstößen sichergestellt werden soll. Ferner wird jede Form des erzwungenen Technologietransfers, also der Offenlegung genutzter Technologien als Gegenleistung zum Marktzugang, unterbunden.Aber auch hinsichtlich der Kapitalallokation weist das Investitionsgesetz Verbesserungen auf. So ist nach erfolgter Besteuerung ein freier Kapitalrückzug möglich. Neben materiellen Regelungen werden auch Verfahrensvereinfachungen angestrebt. So sollen beispielsweise Beschwerdeverfahren und die Bildung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Vereinigungen zugelassen werden. Das Investitionsgesetz enthält jedoch im Kern vor allem Programmsätze, die noch in Ausführungsregelungen zu konkretisieren sind, um in der Praxis angewandt werden zu können. Unterschiede bleibenKeine Frage: Das bereits etablierte chinesische Investitionsrecht wird durch das neue Investitionsgesetz weiter verbessert und vereinfacht. Abermals wird jedoch keine vollständige Gleichstellung ausländischer und inländischer Investoren angestrebt und generell ist die konkrete Umsetzung der derzeitigen Programmsätze noch ungewiss. Dies eröffnet der chinesischen Regierung auch weiterhin Spielräume, um sich auf Ausnahmen oder gesonderte Verfahren zu berufen, was einer Rechtssicherheit nach deutschem Verständnis zuwiderläuft.Dennoch bildet das neue Investitionsgesetz einen wesentlichen Grundstein zur weiteren wirtschaftlichen Öffnung und Entwicklung Chinas, indem es zur Rechtsvereinheitlichung und, wenn die Umsetzung im Geiste der Programmsätze erfolgt, zu weniger Verwaltungsaufwand beiträgt. *) Dr. Dietmar Helms und Dr. Jörg Herwig sind Partner der Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells und federführend am China-Desk in Frankfurt tätig.