Immobilien

Erstmals seit 2011 weniger Wohnungsbau

Die Zahl der Wohnungsfertigstellungen ist im vergangenen Jahr um 4,2% gesunken. Das Ziel von 400 000 neuen Wohnungen rückt weiter in die Ferne.

Erstmals seit 2011 weniger Wohnungsbau

Reuters/hek Berlin/Frankfurt

Lieferengpässe und steigende Materialpreise haben dem Aufschwung des Wohnungsbaus in Deutschland ein vorläufiges Ende bereitet. Im vergangenen Jahr wurden lediglich 293 393 Wohnungen fertiggestellt, 4,2% oder 12 983 weniger als im Jahr davor, teilt das Statistische Bundesamt mit: „Der 2011 begonnene jährliche Anstieg der Zahl fertiggestellter Wohnungen setzte sich damit 2021 nicht weiter fort.“

Bundesbauministerin Klara Geywitz äußert sich enttäuscht. Die 2021er-Zahlen „können mich als Bauministerin nicht zufriedenstellen“, sagt die SPD-Politikerin. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes geht davon aus, dass auch im laufenden Jahr nicht mehr Wohnungen gebaut werden.

Der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA erinnert daran, dass die alte Bundesregierung für 2021 mit 350 000 neuen Wohnungen geplant habe, was klar verfehlt worden sei. Auch bei den Baugenehmigungen zeige sich ein rückläufiger Trend. In den ersten drei Monaten 2022 seien 92 507 neue Wohneinheiten bewilligt worden, 4% weniger als im Vorjahreszeitraum. Die neue Ampel-Koalition hat den Bau von 400 000 Wohnungen als Ziel ausgegeben, davon 100 000 öffentlich geförderte Einheiten.

Einbruch befürchtet

Als „Vorbote eines dramatischen Einbruchs beim Wohnungsbau in Deutschland“ sieht der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) die Daten. „Infolge von Lieferkettenproblemen, Material- und Fachkräftemangel, Preisexplosionen und dem unsäglichen Förderchaos rund um die KfW-Mittel wird das Nicht-Erreichen der Bauziele künftig zementiert“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert Bund und Länder auf, ein Sonderpaket sozialer Wohnungsbau zu schnüren. Sie plädiert dafür, die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau von 19 auf 7% zu senken.

Die Zahl der neuen Einfamilienhäuser sank im vergangenen Jahr um 10,4% auf 78 209, die der Mehrfamilienhäuser um 3,6% auf 147 925. Bei Zweifamilienhäusern gab es einen Rückgang von 1,7% auf 20 118 Wohnungen.

Als Ursachen für die maue Entwicklung macht Geywitz Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und Preissteigerungen aus. „Auf diese extrem schwierigen Bedingungen hat der deutsche Staat kaum Einfluss“, erklärt sie. Aber der Bund wolle Genehmigungs- und Planungsprozesse digitalisieren, die Länderbauverordnungen harmonisieren und den von der Branche geforderten seriellen Bau erleichtern.

Bauüberhang nimmt zu

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sieht die Politik am Zug. „Neben einer belastbaren Förderkulisse sowie der Entschlackung von Vorschriften brauchen wir einen Planungs- und Genehmigungsbooster“, mahnt Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen erreichte im vergangenen Jahr 380 736, ein Anstieg um 3,3%. Sie lag damit weiter deutlich über den Fertigstellungen. Dies führte zu einem Überhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen von insgesamt 846 467 – ein Anstieg um 67 035. „Der seit 2008 anhaltende Anstieg des Bauüberhangs beschleunigte sich somit im Jahr 2021 und erreichte den höchsten Stand seit 1996“, erklärt das Statistische Bundesamt.

Der Ukraine-Krieg trifft die deutsche Bauindustrie mit voller Wucht und sorgt über verschärfte Lieferkettenprobleme und Materialengpässe dafür, dass die Branche ihre Ziele für 2022 einkassiert hat. Man erwarte für die realen Umsätze nur noch „eine Entwicklung zwischen null und minus 2%“, sagte HDB-Präsident Peter Hübner unlängst. Zum Jahreswechsel lag die Prognose noch bei 1,5% Wachstum.

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