EU-Mercosur-Abkommen belastet Zuckerproduzenten überdurchschnittlich
EU-Mercosur-Abkommen belastet Zuckerproduzenten
Bei sinkendem Verbrauch steigt die Erzeugung – Importkontingent verstärkt angespannte Marktlage in Europa
md Frankfurt
Südzucker ist als größter Produzent von Zucker in Europa sowie als bedeutender Hersteller von Ethanol in besonderem Maße vom Freihandelsabkommen zwischen der EU und den fünf Mercosur-Staaten betroffen, denn das Mitgliedsland Brasilien gilt als weltweit größter Zuckererzeuger. Auf Anfrage teilte das Unternehmen der Börsen-Zeitung mit, dass im Zuckerbereich ein Zollkontingent von 190.000 Tonnen raffiniertem Zucker aus den Mercosur-Staaten geschaffen worden sei. Das Gros von 180.000 Tonnen entfalle dabei auf Brasilien, 10.000 Tonnen seien Paraguay zugeteilt worden. „Diese Menge entspricht ungefähr dem Produktionsvolumen einer europäischen Zuckerfabrik“, sagte ein Sprecher von Südzucker. Was sich zunächst nicht besonders gravierend anhört, dürfte die Zuckerpreise in Europa jedoch weiter unter Druck bringen.
Produktion steigt, Verbrauch sinkt
Im jüngsten Zwischenbericht von Südzucker zur Marktlage in Europa heißt es, für das abgelaufene Zuckerwirtschaftsjahr 2023/24 (30. September) gehe die EU-Kommission von einem Anstieg der Erzeugung auf 16,1 (i.V. 15,0) Millionen Tonnen aus. Beim Verbrauch gingen Analysten jedoch von einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr aus. Diese Entwicklung übt per se Druck auf die Zuckerpreise aus und ist daher für die Produzenten negativ. Im laufenden Zuckerwirtschaftsjahr könnte sich die Lage noch verschärfen, da nach Angaben von Südzucker die EU-Kommission einen weiteren Anstieg der Erzeugung auf 16,9 Millionen Tonnen erwartet. Südzucker hat nach eigenen Angaben im Geschäftsjahr 2023/24 (29. Februar) 4,1 (3,7) Millionen Tonnen Zucker produziert; also rund ein Viertel der EU-Herstellung.
Bioethanolhersteller betroffen
Aufgrund des Überangebotes wurden in den vergangenen Jahren in Europa bereits mehrere Zuckerfabriken geschlossen. Auch die in Mannheim ansässige Südzucker hat Werke zugemacht, u.a. in Warburg und Brottewitz. Im Geschäftsjahr 2023/24 betrieb der Konzern noch 23 Zuckerfabriken, davon sieben in Deutschland.
Die Nummer 2 unter den Zuckerproduzenten in Europa ist Nordzucker, die im Gegensatz zu Südzucker nicht börsennotiert ist. Das Unternehmen aus Braunschweig hat im Geschäftsjahr 2023/24 nach eigenen Angaben 2,6 Millionen Tonnen Zucker aus Rüben und 0,7 Millionen Tonnen aus Rohr hergestellt.
In Europa wird Zucker ausschließlich aus Zuckerrüben gewonnen; in anderen Teilen der Welt – u.a. in Brasilien – aus Zuckerrohr, da tropisches Klima ideal für den Anbau ist. Nordzucker hatte 2019 einen Mehrheitsanteil am zweitgrößten australischen Zuckerhersteller Mackay Sugar Ltd. (MSL) erworben – daher rührt der Produktionsanteil aus Zuckerrohr.
Der zweite Bereich, in dem das EU-Mercosur-Abkommen u.a. Südzucker tangiert, ist Ethanol. In Deutschland gehören die Südzucker-Tochter Cropenergies – deren Delisting Ende Februar dieses Jahres erfolgte –, Nordzucker und Verbio zu den Produzenten von Bioethanol, das vor allem aus Getreide und Zuckerstoffen gewonnen wird. Im vergangenen Jahr stieg der Verbrauch an Bioethanol in Deutschland um 5% auf 1,25 Millionen Tonnen. Es wird hierzulande zu 85% als Kraftstoff für Pkw und andere Nutzfahrzeuge verwendet, vor allem in „E10“.
Das im Vergleich zu Bioethanol umfassendere Ethanol wird häufig als Lösungsmittel für Stoffe, die für medizinische oder kosmetische Zwecke eingesetzt werden, oder als Desinfektionsmittel verwendet. Insgesamt sei ein Zollkontingent von 650.000 Tonnen Ethanol aus den Mercosur-Staaten angedacht, teilt Südzucker mit. Dieses setze sich zusammen aus 200.000 Tonnen für alle Verwendungszwecke (einschließlich Kraftstoff) mit einem Kontingentzollsatz von einem Drittel des Meistbegünstigungszollsatzes und 450.000 Tonnen Ethanol für chemische Verwendungszwecke. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums wurden 2023 in der EU etwa 6,3 Milliarden Liter Ethanol verbraucht.
Appell der Agrarverbände
In einer gemeinsamen Pressemitteilung hatten acht europäische Agrarverbände, darunter die European Association of Sugar Manufacturers (CEFS) und die European Industrial & Beverage Ethanol Association (iEthanol), Ende November darauf hingewiesen, dass es im geplanten EU-Mercosur-Abkommen für die Produktions- und Umweltstandards im Bereich Landwirtschaft/Agrarindustrie große Unterschiede gebe bzw. die Gegenseitigkeit große Lücken aufweise. Dies stehe im Widerspruch zu den Zielen der EU in Bezug auf Ernährungssicherheit, Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz.
Aus heutiger Sicht werde das EU-Mercosur-Abkommen den unlauteren Wettbewerb verschärfen, warnte Massimiliano Giansanti, Präsident von Copa, einer landwirtschaftlichen Dachorganisation in der EU (Arbeitsgemeinschaft der Bauernverbände). Guillaume Gauthier, Präsident der Sustainable European Livestock & Meat Association (Selma), forderte, die EU müsse dafür sorgen, dass importierte Produkte denselben Standards unterliegen, wie sie von europäischen Herstellern gefordert werden. Gegenseitigkeit bei Standards sei ein nicht verhandelbares Element des Abkommens.
Dieses Prinzip sollte ein Eckpfeiler aller Handelsabkommen und -politiken sein, heißt es in dem Papier. Ohne Bestimmungen, die sicherstellten, dass in die EU importierte Produkte denselben Hygiene-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutzanforderungen entsprechen wie sie von europäischen Wirtschaftssubjekten befolgt werden müssen, werde die Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion und der Agrarindustrie in der EU sinken.