IM GESPRÄCH: LUDOVIC SUBRAN

Euler Hermes fordert Ökosystem für Start-ups

Chefvolkswirt des Kreditversicherers schlägt europäische Finanzierungsplattform vor - Aktive Fiskalpolitik

Euler Hermes fordert Ökosystem für Start-ups

Von Michael Flämig, MünchenEuropa braucht eine intensivierte Förderung von Start-ups: Diese Auffassung vertritt Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Euler Hermes. Die fehlende Finanzmarktintegration erschwere jungen Unternehmen den Zugang zu Kapitalquellen. Er erwarte sich von der Politik fantasievollere Initiativen, um diesen Mangel abzustellen – vor allem angesichts des bevorstehenden Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union: “Die Liquidität, die es heute in Europa gibt, sollte unsere Stärke sein, um Innovation zu finanzieren.” Europa habe seine Hausaufgaben nach der Finanzkrise teilweise erledigt, nun seien neue Initiativen notwendig: “Sonst wird es für Populisten zu leicht, alles auf Europa zu schieben.”In Frankreich beispielsweise seien Finanzierungsrunden bis zu 5 Mill. Euro für Start-ups gut möglich, erklärt Subran: “Für zehn Millionen Euro muss man aber schon nach London gehen.” Bei noch höheren Summen führe an den USA kaum ein Weg vorbei. In Berlin, Paris und Stockholm seien zwar wichtige Standorte für Unternehmensgründer entstanden, doch reiche dies nicht aus: “Wir müssen für Innovationen in Europa ein geeignetes Ökosystem bereitstellen.” Wirtschaftsplan von MerkelWarum eigentlich gebe es keine Finanzierungsplattform auf europäischer Ebene, so seine Frage. Eine sehr günstige Reform wäre es aus seiner Sicht, eine europäische Zentralstelle zu schaffen, die jungen Unternehmen bei grenzübergreifenden Finanzierungsrunden mit Rat und Tat zur Seite stehe. Wer Kapital in mehreren Ländern anzapfen könne, der müsse eben nicht mehr nach London oder in die USA gehen. Aktuell sei diese Lösung für Start-ups nur mit Hilfe teurer Berater machbar.Angesicht der Wahl 2017 stehe die Bundeskanzlerin vor einem Problem, sagt Subran: “Die größte Herausforderung für Angela Merkel wird sein, zu zeigen, dass sie einen wirtschaftlichen Plan für Deutschland hat.” Zwar sei die Exportstärke des Landes beeindruckend. Aber die Nachfrage für Maschinenbau-Produkte sei weltweit nicht besonders gut.Hinter der Zukunft der Autoindustrie ständen dicke Fragezeichen: “Was also kommt als Nächstes?” In der Industrie 4.0 sei Deutschland sehr gut aufgestellt, meint der Euler-Hermes-Chefvolkswirt, aber: “Die Menschen wollen mehr hören.” Die Mittelklasse der Babyboomer-Generation, die bereits infolge der Hartz-Reformen den Gürtel enger geschnallt habe, empfinde sich nun aufgrund der Niedrigzinspolitik zunehmend als verlorene Generation: “Angela Merkel muss auf diese Stimmen hören.” Fittes DeutschlandSubran begrüßt die Rückkehr zu einer intensivierten Fiskalpolitik in Europa: “Für einige Länder ist dies genau der richtige Zeitpunkt.” Dies gelte insbesondere für Deutschland. Ein zusätzlicher Prozentpunkt Defizit entspräche mehr als 30 Mrd. Euro zusätzlicher staatlicher Investitionen: “Das ist gut machbar, denn Deutschland ist mittlerweile sehr schlank aufgestellt.” Andere Länder dagegen hätten Nachholbedarf. Beispielsweise Frankreich müsse Reformen umsetzen, bevor es zu einer stärkeren Fiskalpolitik zurückkehren könne. “Es ist wie im Fitnessstudio”, sagt Subran: “Erst muss das Fett verbrannt werden, dann erst sollte man sich an den Muskelaufbau machen.”