Europas Telekomnetzen fehlen Investitionen von 200 Mrd. Euro
Europas Netzen fehlen Investitionen von 200 Mrd. Euro
CEOs von Telekomkonzernen kritisieren Politik scharf für „immer dieselben Fehler“ – Konsolidierung gefordert
hei Barcelona
In einem gemeinsamen Appell an die Politik haben die CEOs der vier größten europäischen Telekomkonzerne auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona vor einer „Investitionslücke von 200 Mrd. Euro“ beim Netzausbau gewarnt, wenn die regulatorischen Bedingungen für die Branche nicht besser würden. Telefónica-Chef José Maria Alvarez-Pallete sprach von einer Regulierung aus dem „vorigen Jahrhundert“, die an eine neue Zeit angepasst werden müsse, damit die Unternehmen die Infrastruktur der Zukunft bauen könnten. Tim Höttges, der seit gut zehn Jahren an der Spitze der Deutschen Telekom steht, warnte, dass die Branche „das Vertrauen der Investoren“ verliere. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sei bei vielen Unternehmen zu gering und decke nicht die Kapitalkosten – zumal in Zeiten steigender Zinsen. „Wer soll den Telekomnetzbetreibern künftig noch Geld geben?“, fragte der Manager, der zum wiederholten Male öffentlich auf das Vorbild des US-Marktes hinwies.
Dort habe sich erwiesen, dass eine Konsolidierung von vier auf drei Player im Markt nicht zu steigenden Preisen, dafür aber zu steigenden Investitionen geführt habe. Sobald die Branche in Europa in einem Markt eine solche Konsolidierung von vier auf drei Anbieter anstoße, mache die Politik Auflagen, die den Eintritt eines neuen vierten Netzbetreibers fördere, „immer dieselben Fehler“, so Höttges. Die Telekom muss sich in Deutschland auf die United-Internet-Tochter 1&1 als Newcomer mit 5G-Lizenz einstellen, auch wenn sich das Unternehmen mit dem Netzausbau derzeit schwertut.
Höttges und Vodafone-CEO Margherita Della Valle, die derzeit in Großbritannien und auch in Italien um eine Marktkonsolidierung ringt, mahnten auch eine Neuausrichtung der Spektrumspolitik an. Della Valle kritisierte, dass 45 Mobilfunknetzbetreiber es europaweit mit über 100 Regulierungsbehörden zu tun hätten. Diese verweigerten die Erkenntnis, dass sich der parallele Ausbau von vier 5G-Netzen in einem Land nicht lohne. Höttges kritisiert zudem die allfällige Neuvergabe von Mobilfunklizenzen per Auktion, die der Branche in Deutschland seit dem Jahr 2000 rund 65 Mrd. Euro aus der Tasche gezogen haben, die nicht für Netzinvestitionen zur Verfügung standen. Della Valle verglich die Auktionen mit einem Haus, das man ständig zu unkalkulierbaren Kosten neu erwerben müsse.
Orange-CEO Christel Heydemann zeigte sich besorgt über das fehlende Tempo einer Neuorientierung in Europa. Der Industriekommissar, der ebenfalls auf dem MWC gesprochen hatte, habe erkennen lassen, dass sich „einiges in die richtige Richtung“ bewege, aber „ich frage mich, ob wir auch das richtige Tempo haben“, erklärte sie angesichts der Veränderungen, die etwa KI mit sich bringe.