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Familienunternehmen sind die Verlierer im Steuerwettbewerb

Börsen-Zeitung, 7.9.2018 Wenn US-Präsident Donald Trump den wirtschaftlichen Erfolg seiner noch jungen Präsidentschaft bejubelt, so kann er gute Argumente vorweisen. Die USA schaffen es nach seiner historischen Senkung der Unternehmenssteuern,...

Familienunternehmen sind die Verlierer im Steuerwettbewerb

Wenn US-Präsident Donald Trump den wirtschaftlichen Erfolg seiner noch jungen Präsidentschaft bejubelt, so kann er gute Argumente vorweisen. Die USA schaffen es nach seiner historischen Senkung der Unternehmenssteuern, Investitionen anzulocken und heimische Unternehmen zu stärken. Die Wertschöpfung in den USA wird steuerlich attraktiver. Deutsche Familienunternehmen, die bereits in den USA aktiv sind, prüfen deswegen den Ausbau ihrer Aktivitäten vor Ort.Nun ist Trump allerdings nicht allein mit dieser Strategie. Überall in der Welt arbeiten Regierungen daran, ihre Unternehmensstandorte zu stärken. Der Steuerwettbewerb hat längst eine neue Phase erreicht. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich Staaten noch darauf, mit günstigen Steuerregelungen um die Ansiedlung digitaler Großkonzerne zu werben. Nun soll die ganze Breite der Unternehmenslandschaft profitieren.Frankreich, Belgien und Großbritannien haben Steuersenkungen auf den Weg gebracht. In Spanien, Dänemark, Finnland, der Slowakei und Ungarn wurden die Körperschaftsteuersätze bereits in den letzten Jahren zurückgeführt. In Italien wurde ein fiktiver Zinsabzug auf das Eigenkapital ermöglicht, den der Sachverständigenrat der Bundesregierung auch für das deutsche Unternehmenssteuerrecht seit Jahren empfiehlt.Für unsere Familienunternehmen ist das nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Insgesamt drohen sie zu den Verlierern des internationalen Steuerwettbewerbs zu werden. Das hat drei Gründe: Erstens profitieren sie im Gegensatz zu ausländischen Wettbewerbern weniger von den international rückläufigen Unternehmenssteuern. Diese erzielen einen großen Teil ihrer Wertschöpfung in Staaten mit niedrigen Steuersätzen.Sie werden zweitens durch einen Steuerwettbewerb benachteiligt, der sich in den vergangenen Jahren stark darauf konzentriert hat, hoch mobile Unternehmen mit Steuerschlupflöchern anzulocken. Konzerne mit digitalem Geschäftsmodell und geringem Anlagevermögen profitierten davon. Die von Familienunternehmen geprägte deutsche Industrie, die in Branchen wie dem Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik regional fest verankert ist, wird schlechtergestellt.Drittens geraten Familienunternehmen unter die Räder, wenn Deutschland und die EU nun die internationalen Bemühungen um gemeinsame Regeln im Kampf gegen unerwünschte Steueroptimierung einseitig verschärfen. Ein Beispiel sind die Pläne der EU-Kommission für eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung im Internet, die über die im Rahmen der OECD vereinbarten Transparenzmaßnahmen weit hinausgehen. Unternehmen, die gezwungen werden, sensible Unternehmensdaten ins Internet zu stellen, erleiden einen Wettbewerbsnachteil. Den Bemühungen um eine international faire Besteuerung dient das nicht. Denn schon heute werden diese Daten gegenüber Finanzbehörden offengelegt.Die Politik muss dringend lernen umzudenken. Dass sich die deutsche Wirtschaft im neunten Jahr des Aufschwungs befindet, ist nicht das Ergebnis der Berliner Politik. Trotz widriger politischer Rahmenbedingungen wachsen Familienunternehmen. Die Bundesregierung verzichtet weitgehend auf Maßnahmen, die diese positive Dynamik unterstützen. Dabei wäre es jetzt an der Zeit, eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg zu bringen. Die Konjunktur, welche die Europäische Zentralbank durch ihre Niedrigzinspolitik befeuert, wird eines Tages abflauen. Doch unter dem Druck sinkender Steuereinnahmen wird es schwer werden, den Standort durch Steuersenkungen zu stärken. Deutschland fällt zurückIm Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung einen Standortvergleich erstellt, der den Handlungsbedarf aufzeigt. Dem ZEW zufolge ist Deutschland im internationalen Steuerranking in den vergangenen Jahren weiter in das am wenigsten attraktive Drittel zurückgefallen. Zum Jahreswechsel wird die Stiftung Familienunternehmen eine Aktualisierung vorlegen. Es würde nicht überraschen, würde sich der Wert weiter verschlechtern.Ein Ansatzpunkt einer Reform der Unternehmensbesteuerung wäre es, das Steuersystem von bürokratischen Auflagen zu befreien. So müssen Unternehmen, die nach dem internationalen Standard IFRS bilanzieren, einen erweiterten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer vorweisen, in dem nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Risiken angegeben werden. Praktischen Nutzen hat dieser Blick in die Kristallkugel nicht, weswegen auf ihn verzichtet werden sollte. Nötig wäre auch eine wettbewerbsfähigere effektive Unternehmensbesteuerung. Die CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, die auf diese Notwendigkeit hinweist, findet unzureichend Gehör in der Regierung. Im Koalitionsvertrag findet sich kein Bekenntnis zu einer umfassenden Unternehmenssteuerreform. Zwar hat sich die große Koalition darauf verständigt, eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Doch wenn sich diese Maßnahme auf kleine und mittlere Unternehmen konzentriert, hilft das den zahlreichen großen Familienunternehmen, die als Hidden Champions international konkurrieren müssen, nicht.Richtig wäre es deswegen, darüber zu diskutieren, wie die ganze Unternehmenslandschaft gestärkt werden kann. Die einfachste und am schnellsten wirksame Möglichkeit, die auch das ZEW empfiehlt, wäre eine Senkung der Unternehmenssteuersätze. Dadurch würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland insgesamt steigen. Diese Möglichkeit gar nicht zu diskutieren, wäre ein schwerer Fehler, der sich spätestens dann rächen wird, wenn sich der konjunkturelle Wind wieder dreht.—-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Brun-Hagen Hennerkes ist Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—–Von Brun-Hagen HennerkesDer Steuerwettbewerb hat sich in den vergangenen Jahren stark darauf konzentriert, hoch mobile Unternehmen mit Steuerschlupflöchern anzulocken.—–