Finanzierung fünf vor zwölf

Capmarcon: Mittelstandsanleihen vielfach letzte Chance - "Ratings verschleiern Ausfallrisiko"

Finanzierung fünf vor zwölf

Das Volumen ist vergleichsweise überschaubar, aber der “Bond light” – besser bekannt als Mittelstandsanleihe – findet große Beachtung. Häufig nutzen gerade die Unternehmen das Instrument, denen andere Wege der Finanzierung verschlossen sind.wb Frankfurt – Häufig finden sich unter den Emittenten von sogenannten Mittelstandsanleihen “kreditrationierte” Unternehmen, also Firmen, die weder von Banken noch von anderen traditionellen Finanziers Mittel erhalten. Ihnen stehen wegen nicht mehr ausreichender Bonität auch keine sonstigen Finanzierungswege zur Verfügung stehen. In diesen Fällen ist der Bond die letzte verbleibende Möglichkeit, sich Kapital in größerem Umfang zu verschaffen. Das geht aus einer Analyse der Beratungsgesellschaft Capmarcon hervor, die gemeinsam mit Olaf Schlotmann von der Brunswick European Law School erstellt wurde.Mittelständler wollten nicht selten auch noch “fünf vor zwölf” die volle Kontrolle über ihr Unternehmen behalten, heißt es in der kritischen Bestandsaufnahme “Der neue Markt für Mittelstandsanleihen”. Der Clou für die Unternehmen sei die Struktur der Anleihen. Denn häufig haben Banken, die diese Emittenten aus älteren Engagements finanzierten, vorrangig Zugriff auf den Kapitalfluss der operativen (Tochter-)Gesellschaften und seien zudem besichert. Die Negativerklärungen in den Anleiheprospekten verhinderten nur die Besicherung von weiteren gleichrangigen Kapitalmarktverbindlichkeiten. Die Aufnahme zusätzlicher besicherter Bankdarlehen sei allerdings jederzeit möglich. Dazu diene auch das Vorschalten einer Holdinggesellschaft, welche den Bond emittiere.Denn diese Holdings seien – selbst bei vereinbarten Gewinnabführungsverträgen und Garantien der operativen Gesellschaften – im Krisenfall eine nahezu wertlose Hülle für die Anleihegläubiger, moniert Capmarcon. Der strukturelle Nachrang nach der (besicherten) Finanzierung auf operativer Ebene schneide die Anleihegläubiger von den noch vorhandenen Unternehmenswerten ab. Zumindest auf der Holdingebene gebe es meist keinerlei Auflagen und Einschränkungen durch Kreditauflagen (Financial Covenants) und Verpflichtungen, dafür oft eine sehr limitierte (Quartals-)Berichterstattung.Die veröffentlichten Ratings zu den Unternehmen verschleierten häufig – wegen des strukturellen Nachranges der Gläubiger zu den übrigen Finanzverbindlichkeiten des Emittenten – das tatsächliche Ausfallrisiko “bis fast zur Unkenntlichkeit”, kritisieren die Autoren. Wie EigenkapitalDerartig nachrangig strukturierte Anleihen seien risikotechnisch wie Eigenkapital zu betrachten. Dafür seien die gezahlten Zinsen wiederum eine deutlich zu geringe Risikoprämie, müsste doch Eigenkapital hier mit 15 bis 20 % rentieren. Allerdings seien die 7 % und mehr an Zinsen aus der Anleihe auch in einer sehr angespannten Situationen zu berappen – und beschleunigten dann womöglich die Insolvenz.Seit Auflage der “Mittelstandsanleihe” im März 2010 sind bisher sechs Emittenten mit ihrem Schuldendienst in Verzug geraten oder meldeten Insolvenz an. Das Nominalvolumen dieser leistungsgestörten Papiere summiert sich der Studie zufolge auf 300 Mill. Euro, doch Glück im Unglück: Davon waren nur 183 Mill. Euro am Markt untergebracht worden. Insgesamt wollten Mittelständler 4,3 Mrd. Euro, sie erlösten aber lediglich 3,4 Mrd. Euro.Die Spreizung in Kupons und Risikoprämien innerhalb nur einer Ratingklasse an den neuen Mittelstandsmärkten nennt Hans-Werner Grunow von Capmarcon grotesk. Mit “innovativen” Verfahren hätten Dienstleister eine Möglichkeit gefunden, die Anforderungen traditioneller Ratings zu unterlaufen – mit entsprechend günstigeren Einstufungen. Unternehmen mit schlechteren Ratings als die Bewertungen von Mittelstandsanleihen könnten sich bei Banken merklich günstiger finanzieren. Die laufenden Ergebnisse zahlreicher Emittenten reichten nicht, die Zinslast aus der geplanten Anleiheemission zu tragen, ohne in rote Zahlen zu rutschen. Lang und kurzWerde eine Bankfinanzierung fällig gestellt oder brüste sich ein potenzieller Emittent mit der Absicht, mit der Anleihe sämtliche Bankschulden abzulösen, müsse die rote Lampe angehen, meint Schlotmann, der früher bei Dresdner Kleinwort war. Wenn Banken sich verabschiedeten, blieben nur die “in der Kreditanalyse überforderten Privatanleger mit häufig wertlosen Emittentenratings” zurück. Disintermediation habe “sinnvolle Grenzen”. Eine vernünftige Diversifikation der Fremdmittel laufe darauf hinaus, dass Banken Betriebsmittel und Akquisitionen kurzfristig finanzierten, während der Kapitalmarkt perspektivisch die langfristige Fremdfinanzierung stelle.Die Autoren meinen, dass dieser Markt “langfristig keine Chance” haben dürfte, wenn Anleger die falsche Verzinsung für de facto überlassenes Eigenkapital erhielten. Dies gelte umso mehr, wenn die Niedrigzinsphase auslaufe und alternative Investments attraktiver würden. Gebe es dann weitere Ausfälle, sei ein Ende dieses Segmentes – ähnlich wie beim Neuen Markt vor zwölf Jahren – nicht ausgeschlossen.